TSV 1860 München:Wieder von vorn

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Ein Fluch ist laut Lexikon ein gegen Menschen, Tiere oder Sachen gerichteter, oft durch symbolische Gesten unterstützter Unheilswunsch. Beim so genannten "Arena-Fluch" müsste es sich also um einen Unheilswunsch gegen eine Sache handeln, das Stadion. Eine recht einfache Recherche fördert jedoch zutage, dass die neue Münchner Arena keineswegs verflucht sein kann, denn der FC Bayern hat dort bisher jedes Pflichtspiel gewonnen.

Christian Zaschke

Das Problem ist also ein spezielleres, es betrifft allein den TSV 1860 München. Dieser wiederum kann auch nicht verflucht sein, denn er steht in der Tabelle der zweiten Liga bestens da, auswärts spielt die Mannschaft sogar meistens gut. Das fälschlicherweise als "Arena-Fluch" bezeichnete Phänomen bezeichnet also nicht anderes, als eine relative Heimschwäche der Sechziger.

Kampf um den Ball: Jiayi Shao vom TSV 1860 München (li.) und Necat Aygün von der SpVgg Unterhaching (Foto: Foto: dpa)

Es passt allerdings bestens zu diesem immer etwas zu aufgeregten Verein, dass ein tonnenschweres Wort wie Fluch benutzt wird, wo es viele leichtere Wörter auch getan hätten. "Das ist das alte Problem bei den Löwen", seufzte Trainer Reiner Maurer am Montag, dem Tag nach dem 1:4 gegen die SpVgg Unterhaching, "wenn wir gewinnen, ist alles wunderbar, wenn wir verlieren, ist alles furchtbar." Dieser Dynamik kann sich selbst Maurer nicht entziehen. Obwohl er, wie er sagte, gegen Aktionismus sei, strich er den Profis den freien Dienstag und bittet stattdessen heute zu Videoanalyse und Krafttraining.

"Ich habe mir das mit dem Dienstag lange überlegt, weil es der letzte freie Tag bis zur Winterpause gewesen wäre", sagte Maurer, "aber mir hat nicht gefallen, wie einige Spieler am Sonntagabend im Vip-Raum schon wieder guten Mutes des Weges gezogen sind." Das Gros der Mannschaft war von der Maßnahme nicht überrascht. "Naja", sagte Torwart Timo Ochs, "das konnte man eigentlich schon beim Abpfiff wissen." Und als allzu schlimm empfand er den verlorenen freien Tag auch nicht. "Was sollen wir da sonst machen?", fragte er, "in die Stadt gehen und uns feiern lassen?"

Sprache der Katastrophe

Die meisten Spieler zeigten sich am Montag zerknirscht. "Wir sind alle sprachlos", sagte Rodrigo Costa, "das hat keiner erwartet. Wir müssen jetzt weniger reden und mehr arbeiten." Beim 2:0 für Haching, das gab er zu, hatte er nicht gut ausgesehen.

Maurer erzählte, einige Führungsspieler seien am Montagmorgen zu ihm gekommen und hätten Fehler eingeräumt. Costa dürfte einer davon gewesen sein, er ging offen damit um, dass es eines seiner schlechteren Spiele war, und bilanzierte: "Wir haben alles weggeschmissen." Ähnlich formulierte es Maurer: "Wir haben unseren gesamten Kredit beim Publikum verspielt. Wir machen alles leichtfertig kaputt."

Dass die Partie so deutlich in der Sprache der Katastrophe beschrieben wurde, lag daran, dass es schon öfter in Heimspielen hätte schiefgehen können, die Sechziger aber das Glück an ihrer Seite wussten. Das Spiel gegen Unterhaching war, was die Offensive angeht - und darin liegt eine gewisse Ironie -, eines der besseren des Klubs. Sechs erstklassige Torgelegenheiten blieben ungenutzt, die Gegentreffer entstanden überraschend, drei nach individuellen Fehlern. Es hätte nicht so kommen müssen, aber dass es in einem gar nicht mal schlechten Spiel passiert ist, gibt der Mannschaft zu denken.

Maurer haderte ein wenig: "Man denkt, dass den Spielern jetzt alles sternenklar sein müsste, wir haben alles so oft durchgesprochen, und das sind doch intelligente Menschen mit Abitur. Aber dann spielen wir wieder kein konsequentes Pressing und lassen nach einer Stunde plötzlich nach, ohne ausgepowert zu sein." Maurer sieht darin das Hauptproblem bei Heimspielen: Die Mannschaft rückt zurück und lässt dem Gegner Platz. "Gegen Paderborn haben wir das noch schlechter gemacht, aber da hatten wir eben Glück", sagt er.

"Riesiger Imageverlust"

Nach dem Spiel ohne Glück gegen sehr engagierte Unterhachinger stellen sich die Sechziger darauf ein, wieder von vorn beginnen zu müssen. "Jetzt ist erst einmal Schluss damit, dass 50.000 Menschen in die Arena kommen", glaubt Timo Ochs, "wir werden wieder klein anfangen, vor vielleicht 15.000 bis 20.000 Zuschauern, und dann müssen wir uns da rauskämpfen."

Maurer spricht von einem "riesigen Imageverlust", und nach so einer Partie werden auch die Gedanken an Verstärkungen in der Winterpause wieder offen ausgesprochen. "Grundsätzlich wollen wir was machen", sagt Maurer, "aber nur, wenn das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt." Als aussichtsreicher Kandidat gilt Steffen Hofmann von Rapid Wien.

Ein wenig beruhigt Maurer, dass seine Mannschaft nach schlechten Heimspielen meist gute Auswärtsspiele lieferte. Der kommende Gegner, der 1.FC Saarbrücken, trainiert vom ehemaligen Löwen-Coach Rudi Bommer, hat zu Hause erst einen Punkt erspielt, die Chance zur Rehabilitation ist für die Münchner also gegeben. Bis dahin sieht Reiner Maurer wenig erfreulichen Tagen entgegen. "Wir müssen in dieser Woche damit leben, dass wir einiges auf die Ohren kriegen", sagte er, "das haben wir uns verdient."

© SZ vom 6.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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