TSG Hoffenheim:Der Sieger mahnt

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Cool vom Punkt: Andrej Kramaric baut seine faszinierende Serie für Hoffenheim in Köln aus – sie liegt bei neun Toren aus drei Pflichtspielen. (Foto: Laci Perenyi/imago images)

Köln und Kramaric setzen gegensätzliche Serien fort - zur Freude des TSG-Debütanten Sebastian Hoeneß.

Von Milan Pavlovic, Köln

Als Andrej Kramaric das erste Saisonspiel seines Klubs analysierte, huschten mehr dunkle Wolken über sein Gesicht als am gesamten Nachmittag über Köln. Der Kroate wirkte irritiert und murmelte: "Das kann Hoffenheim viel besser. Das ist nicht genug, wenn wir weiter so spielen. Wir müssen besser werden, mehr trainieren, so reicht es nicht in dieser Saison." Seine Stimme wurde dramatischer, als er hinzufügte: "Wenn wir nächste Woche so gegen die Bayern spielen, dann gibt es ein Schalke-Ergebnis." Das 0:8 vom Freitag hat also schon den Status einer urbanen Legende. Was aber hatte den TSG-Stürmer so erschüttert: eine unerwartete Niederlage? Eine unterirdische Leistung? War der 29-Jährige gar schlecht behandelt und falsch eingesetzt worden? Nichts von alledem war der Fall. Hoffenheim hatte 3:2 in Köln gewonnen, mit Glück zwar und in der Nachspielzeit, aber andererseits nach einer vortrefflichen ersten Halbzeit und dank dreier Tore von ... Andrej Kramaric.

Es sei doch prima, so einen selbstkritischen und hungrigen Spieler in seinen Reihen zu wissen, fand sein Trainer Sebastian Hoeneß, der dank Kramaric ein erfolgreiches Debüt in der Bundesliga feierte. "Andrej hat den Unterschied gemacht", sagte der Sohn von Dieter Hoeneß, "er ist ein außergewöhnlicher Spieler, ein Garant für Tore. Aber ich habe auch ein Team gesehen, das in vielen Situationen gut zusammengearbeitet hat." Das traf auf die Zeit vor der Pause zu - und die Nachspielzeit, die den Kölner Blues so richtig förderte.

Das Wochenende der Rheinländer war schon frustrierend gewesen, bevor der Ball überhaupt ins Rollen kam: als die heiß ersehnte Rückkehr der Zuschauer ins Müngersdorfer Stadion am Freitag wegen steigender Infektionszahlen kassiert wurde. "Als ich die Meldung hörte", sagte FC-Trainer Markus Gisdol, "habe ich den Fernseher sofort ausgemacht." Es folgte ein kurioses Spiel mit Tiefen und Höhen, an deren Ende ein 2:3 (1:2) stand, das die Kölner Minusserie fies verlängerte: Der bislang letzte Bundesliga-Sieg liegt mehr als sechs Monate (und nun elf Spiele) zurück. "Es ist schwer, das zu akzeptieren", sagte Gisdol, "vor allem, weil wir in der zweiten Halbzeit so viel richtig gemacht haben."

Gleich zu Beginn machte aber ausgerechnet der sonst so solide Jonas Hector etwas falsch: Er spielte den Ball viel zu lasch zu seinem Keeper zurück, Kramaric sprintete dazwischen, blieb mit Glück gegen Timo Horn am Ball und deponierte diesen nach nicht einmal 180 Sekunden im Kölner Tor. Die Gäste arbeiteten mit einem offensichtlichen, aber effektiven Rezept: lange Bälle in die Spitze, gerne hinter die letzte Kölner Linie, und wenn die Bälle festgemacht werden konnten - was oft geschah -, wirbelte Hoffenheim am liebsten auf der linken Seite, wo der Kölner Marco Höger mit einer eigenwillig luftigen Interpretation seiner Rechtsverteidiger-Position auffiel. Nach 21 Minuten hatten die Gäste zwei weitere hochkarätige Chancen vergeben; sie wurden jeweils von Horn vereitelt.

Kölns neuer Mittelstürmer Sebastian Andersson hatte bis dahin so gut wie keinen Ball berühren dürfen. Aber Fußball ist kein logisches Spiel, und so führte der erste durchdachte Kölner Angriff zum 1:1. Jan Thielmanns schöne Flanke mit rechts vom linken Flügel verlängerte Andersson mit den Haarspitzen und änderte dezent, aber entscheidend die Richtung des Balls, zum Frust von TSG-Keeper Baumann. Der Ausgleich verhöhnte die Bemühungen der Gäste, die fortan von Zweifeln übermannt wurden. Auf der Kölner Seite setzten sich die Spätsommereinkäufe Ondrej Duda und Andersson nun wiederholt in Szene: der eine mit Ruhe und Präzision, der andere mit cleveren kleinen Stoßstürmermanövern.

Die Kölner steckten sogar einen Elfmeter weg, bei dem Schiedsrichter Daniel Siebert nach minutenlangem Videostudium sich selbst revidierte, obwohl keine gravierende Fehlentscheidung vorlag. Kramaric, na klar, war's egal, er erzielte das 2:1 für die TSG (45.+2). In den zehn Minuten nach dem Wechsel entfachten die wütenden Kölner eine Wucht, die an die gute Phase der Vorsaison erinnerte, als der FC vor der Corona-Krise die rettenden Punkte für den Klassenverbleib erspielte. Man habe sich "unnötigerweise beeindrucken lassen", sagte Hoeneß, dessen Team erst nach dem späten 2:2 des eingewechselten Dominik Drexler (86.) noch einmal den Weg nach vorne suchte. Und weil die Kölner "nicht cool genug blieben" (Gisdol), sondern sich zurückdrängen ließen, kam es zu einer klaren Kombination über Kaderabek und Gacinovic, an deren Ende Kramaric stand und der Ball im Netz zappelte. Neun Tore hat er in den vergangenen drei Pflichtspielen erzielt (vier in Dortmund, zwei im Pokal in Chemnitz, drei in Köln). Aber der Kroate weiß: Ewig wird die Serie nicht halten - der Härtetest folgt bereits am Sonntag gegen Bayern München.

© SZ vom 21.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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