Trainerwechsel:Die Kölner Krankheit

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Der nächste Sinneswandel: Christoph Daum wird nun doch Trainer beim FC Köln.

Philipp Selldorf

Am Sonntag gegen zwei Uhr nachmittags hatte die Initiative Latour-retour ein Jubiläum zu vermelden. Soeben hatte der 500. Unterstützer seine Unterschrift geleistet unter die Petition, die zum Ziel hat, den vor zwei Wochen aus dem Amt entlassenen Schweizer Hanspeter Latour als Cheftrainer für den 1. FC Köln zurückzugewinnen.

Daum war schon einmal Trainer beim FC, im Jahr 1989. (Foto: Foto: dpa)

Es handelte sich um den rührenden Versuch, dem Zweitligaklub ein wenig von dem Gemüt und dem Ansehen wiederzugeben, das ihm im Laufe des grandios gescheiterten Versuchs, Christoph Daum als Cheftrainer zu engagieren, verloren gegangen war. "Die Daumania ist überstanden", schrieb der Initiator der Petition, doch mit diesem Befund irrte er.

Die Manie um Daum

In Wahrheit geht die Manie um Daum - eine Krankheit, die es nur in Köln gibt, dafür aber umso heftiger - jetzt erst richtig los. Denn der ewig unberechenbare Trainer hat es sich wieder anders überlegt.

Nachdem er am Dienstag den Verantwortlichen beim FC seine Absage übermittelt hatte, nach tagelangen, in aller Öffentlichkeit stattfindenden Verhandlungen und angeblich tieftraurig, kam er am Wochenende wieder auf Geschäftsführer Michael Meier zu und erklärte seinen Wunsch, den Posten doch zu übernehmen. "Ich glaube, ich habe die falsche Entscheidung getroffen", sagte Daum laut Express dem Kölner Manager, dessen Verwunderung mit Worten wohl nicht zu beschreiben ist.

Dienstbeginn 20.15 Uhr

Wie es in den vergangenen Tagen die Regel war, änderte sich am Sonntag der Nachrichtenstand in der Sache Daum mehr oder weniger stündlich. Hieß es anfangs, Daum werde einen Vertrag bis Saisonende unterzeichnen und beim übernächsten Punktspiel das Regiment übernehmen, so berechneten bald darauf die lokalen Zeitungen - Express, Kölner Stadt-Anzeiger, Bild - die Dauer der Vereinbarung mit 3,5 bis vier Jahren, jedenfalls bis 2010.

Dienstbeginn in der Zweiten Liga: 4. Dezember, 20.15 Uhr, beim Spiel gegen den MSV Duisburg. Der Trainer soll ein Millionengehalt bekommen und die Freiheit, die Ersparnisse des Vereins auf den Transfermarkt zu tragen.

Das darf man glauben, obwohl der 1. FC Köln wegen des anstehenden Heimspiels gegen den TSV 1860 München zunächst die Aussage verweigerte. Doch selbst bei diesem Versuch, die Form zu wahren, waren schon wieder einige Drähte fehlgeschaltet.

Geschichte voller Widersprüche

Während Meier im Fernsehen verkündete, man wolle sich auf das Spiel konzentrieren und keine Erklärungen abgeben, interviewten Reporter des hauseigenen Stadion-Senders die Besucher, was sie von Daums Verpflichtung hielten, und natürlich wurde die Meinungsumfrage live in den Presseraum übertragen.

Doch diese Geschichte steckt so voller Widersprüche, dass es auf so ein Detail wirklich nicht ankommt. Während zur Wochenmitte verbreitet wurde, Daum habe den Antrag des FC abgelehnt, weil ihm sein Hals-, Nasen-, Ohrenarzt mit Hinweis auf das dringende Ruhegebot nach einer Halsoperation die Freigabe verweigerte, ist nun keine Rede mehr von der angeblichen Lebensbedrohung.

"Wir wollten Daum langfristig an den FC binden. Das hat nicht geklappt, weil seine Gesundheit das nicht zuließ", hatte Meier rückblickend erklärt, bevor sich die Dinge erneut wendeten. In den ersten Unterredungen vor einer Woche hatten die Kölner einen Vertrag bis 2010 offeriert. Der Trainer wollte jedoch lediglich bis 2007 abschließen, um danach die Perspektiven neu zu definieren.

"Wichtiger als der Dom"

Diese Tage der Ungewissheit erlebte das FC-Publikum in fiebrigem Zustand. Eingeleitet wurden sie durch Daums das ganze Land amüsierende Krankenhaus-Pressekonferenz, in der der Trainer eine Quasi-Absage formulierte - um gleich darauf in seiner Villa im Millionärsvorort Hahnwald in weitere Verhandlungsrunden einzutreten.

Reporter, die vor der Türe warteten und ständig neue Details zu berichten wussten, wurden derweil von Daums Lebensgefährtin mit Kaffee versorgt, und tatsächlich hatte der Trainer eine bemerkenswert gute Presse. Nach Wahrnehmung des in Köln lebenden Alt-Trainers Udo Lattek wurde Daum durch die Kölner Öffentlichkeit ein Denkmalsstatus suggeriert: "Du bist wichtiger als der Dom." Zu diesem Eindruck trug auch der Oberbürgermeister Fritz Schramma bei, der sich brachial in den Fall eingemischt hatte ("wir regeln das unter Sportsfreunden").

Auf die Absage am Dienstag, dies lässt sich immerhin als Gewinn für die künftige Zusammenarbeit verbuchen, hatten Manager Meier und andere FC-Offizielle verständnisvoll und ohne Bitternis reagiert. Wenn er nicht doch wieder absagt, wartet nun auf den Trainer viel Arbeit. Gegen den TSV 1860 verloren die Kölner trotz früher Führung 1:2. Acht Punkte ist die Mannschaft vom nächsten Aufstiegsplatz entfernt.

© SZ vom 20.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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