Trainerfrage:Klinsmann hört auf

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Der Bundestrainer verlängert sein Engagement nicht. Erster Kandidat für die Nachfolge ist Joachim Löw.

Philipp Selldorf

Als Jürgen Klinsmann am Sonntagnachmittag das Mannschaftsquartier in Berlin Richtung Stuttgart verließ, richtete sich Theo Zwanziger auf eine unbestimmte Wartezeit ein, bis er das nächste Mal von ihm hören würde.

Klinsmann solle sich die Zeit nehmen, die er brauche, um die Entscheidung zu treffen, ob er weiter Bundestrainer bleiben wollte, erklärte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes.

Es gebe keinen Zeitplan und erst recht kein Ultimatum, "ich bleibe völlig gelassen", sagte Zwanziger. Doch schon am Dienstag nahm Klinsmann Kontakt auf. Und Zwanziger erhielt von ihm nicht die Botschaft, die er erhofft hatte.

Erste Gerüchte

Denn wie am Abend aus Kreisen des DFB-Präsidiums verlautet, wird Jürgen Klinsmann seine Arbeit mit der Nationalmannschaft definitiv nicht mehr fortsetzen.

In Stuttgart teilte er Zwanziger und dem DFB-Teammanager Oliver Bierhoff mit, dass er dem Wunsch des Verbandes, die erfolgreiche Tätigkeit als Bundestrainer fortzuführen, nicht entsprechen werde.

Als erster Favorit auf die Nachfolge gilt Klinsmanns Assistent Joachim Löw, der bereits zu früheren Zeitpunkten erklärte hatte, dass er seine Funktion beim DFB gerne weiter bekleiden möchte.

Offiziell gab es für diese Nachrichten zunächst keine Bestätigung. Harald Stenger, der Medienchef des DFB, wollte am Nachmittag lediglich "bestätigen, dass Jürgen Klinsmann sich im Laufe des heutigen Tages bei DFB-Präsident Doktor Theo Zwanziger und Teammanager Oliver Bierhoff gemeldet hat. Das ist alles. Eine Entscheidung ist nicht gefallen." Bierhoff war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Den Ärger vor der WM nicht vergessen

Gerüchte besagten jedoch schon am Nachmittag, dass Klinsmann in dem Gespräch mit Zwanziger angekündigt habe, seine Arbeit mit der Nationalmannschaft nicht fortsetzen zu wollen. Dies wollte Stenger nicht kommentieren, er machte keine weiteren Angaben zur Sache und beließ es bei der offiziellen Bestätigung der Kontaktaufnahme.

Es hatte sich aber bereits die Nachricht verbreitet, dass es am Mittwoch eine Erklärung geben werde. Schon in den vergangenen Tagen sind in den besser informierten Kreisen vermehrt skeptische Prognosen geäußert worden. Auch im Mannschaftskreis hatte sich zuletzt die Meinung gebildet, dass Klinsmann sein Werk nicht weiterverfolgen wolle, obwohl viele Spieler diesen Wunsch an ihn herangetragen hatten.

Anlass für Interpretationen hatte außerdem Klinsmanns Berater Roland Eitel gegeben, der in Interviews hervorhob, dass Klinsmann die Probleme und Querelen, die vor der WM auftraten, nicht vergessen habe.

Solche Schwierigkeiten könnten bei ungünstigen Resultaten während der anstehenden EM-Qualifikation jederzeit wieder auftreten, sagt Eitel und gab damit zu verstehen, dass Klinsmann die gegenwärtige WM-Hochstimmung nicht als Garantie für künftige Zeiten ansehe.

Er will in den USA bleiben

Die vom Verband eingeräumte Abstandszeit könne daher auch abrupt enden, sagte Eitel der dpa: "Vor zwei Jahren ist Jürgen auch innerhalb weniger Stunden von Los Angeles nach New York geflogen." Damals erklärte er den DFB-Delegierten Gerhard Mayer-Vorfelder und Horst R. Schmidt seine grundsätzliche Bereitschaft, die deutsche Mannschaft zur WM zu führen.

Als entscheidender Faktor galt vor allem Klinsmanns private Situation. Ein Umzug nach Deutschland aus Kalifornien nach Deutschland wäre für Klinsmann nicht in Frage gekommen, daran hat Klinsmann niemals einen Zweifel gelassen. Während der WM hatte er mehrmals anklingen lassen, dass ihn die Debatte um seinen Wohnort gestört und geärgert hat.

Dass die Entscheidung schneller fallen könnte, als es Zwanziger und der DFB erwarten, hatte zuletzt auch Bierhoff nahegelegt, als er davon sprach, er werde sich mit Klinsmann während der Woche beraten. Offenkundig hatte er bereits einen Eindruck gewonnen, wie die Sache enden würde. Er schätzte die Situation jedoch verhalten optimistisch ein, da die Ausgangslage günstig war.

Andere Prioritäten

Es war klar, dass Klinsmann bei einem Misserfolg zurücktreten würde, und es war ebenso klar, dass er im Fall des maximalen Erfolgs - also dann, wenn die Mannschaft das Finale erreicht hätte - ebenfalls keine gute Basis mehr für die Fortsetzung seiner Arbeit gesehen hätte.

Die Konstellation der vergangenen Wochen, die Entwicklung der Mannschaft und die Überwindung der Ressentiments in der Bundesliga schienen den Weg für eine Weiterverpflichtung frei gemacht zu haben.

Klinsmann setzt jedoch andere Prioritäten für sein Leben, in dem die Nationalmannschaft nicht mehr die Hauptrolle spielen soll.

© SZ vom 12.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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