Trainer als Wortakrobaten:Ziellos durch die Spielzeit

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Kein Bundesliga-Trainer sagt mehr, was er erreichen will. Weil eine Zielvorgabe umgehend als öffentlicher Druck zurückkommt. Allein: Das nächste Spiel wollen alle gewinnen.

Christof Kneer

Wahrscheinlich ist das Hans Meyer gar nicht so recht. Schnurgerade Denker könnten es zwar als Vorteil auffassen, dass der 1.FC Nürnberg die neue Saison mit einem Heimspiel eröffnen darf, gegen einen Aufsteiger, den Karlsruher SC. Meyer denkt aber auch um die Ecke, und so weiß er, dass ihm diese Partie schon jetzt als Anfangsverdacht auf drei Punkte ausgelegt wird. Und er weiß, dass bei dieser Art von Anfangsverdacht die Zielfahnder umgehend die Ermittlungen aufnehmen. ,,Herr Meyer'', werden sie in der Pressekonferenz also streng fragen, ,,müssen Sie jetzt Ihr Saisonziel korrigieren? Wollen Sie jetzt Meister werden?''

Wohin nur? Auf jeden Fall nicht nach unten, so viel ist selbst bei Nürnbergs rhetorikfestem Trainer Hans Meyer sicher. (Foto: Foto: Getty)

Vermutlich überlegt Hans Meyer gerade, was er antworten wird. Vielleicht wird er sagen, dass man ruhig davon ausgehen kann, dass sich der FC Chelsea jetzt aber richtig warm anziehen muss. Vielleicht wird er aber auch von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen und damit jener neuen Verteidigungsstrategie folgen, auf die sich die Liga offenbar heimlich verständigt hat: Ziele? Bitte fragen Sie meinen Anwalt.

Die Bundesliga hat keine Ziele mehr, zum ersten Mal seit 44 Jahren. Die Trainer haben die rituelle Pressekonferenzfrage so satt, dass sie konkrete Zieldebatten von vornherein boykottieren, was zu lustiger Wortakrobatik führt. ,,Wir haben letztes Jahr gesagt, dass wir um den Titel mitspielen wollen, möglichst bis zum letzten Spieltag. Diese Zielsetzung gilt auch für die neue Saison. Wir wollen uns für die Champions League qualifizieren, müssen also unter die ersten drei. Wenn wir das erreichen, werden wir natürlich zwangsläufig um die Meisterschaft spielen'' - dieses kolossale Verbalungetüm stammt vom Schalker Mirko Slomka.

So hört sich das an, wenn man das, was man sagen soll, nicht sagen will, weil man weiß, dass das, was man gesagt hat, in Form von öffentlichem Druck zurückkommt. Ähnlich beredt schweigen sie überall. In Leverkusen sagen sie, dass sie den Abstand zu den ersten vier verringern wollen, in Hannover wollen sie den Abstand zu den ersten fünf verkürzen. In Wolfsburg sagen sie, dass sie besser abschneiden wollen als zuletzt, was auch der HSV sagt. In Berlin sagen sie, dass sie erst mal ein Team aufbauen wollen, und selbst Ottmar Hitzfeld sagt, er könne ,,die Meisterschale nicht versprechen''.

Das Patent auf die neue Ziellosigkeit gehört dem VfB Stuttgart, der es damit bis zum Meistertitel gebracht hat. Auch als Champion bleiben sie listig ihrer weichen Rhetorik treu. Jedes Spiel sei ein Ziel, sagt Trainer Veh. Der Mann weiß: Wenn sie jedes Spiel gewinnen, werden sie vermutlich zwangsläufig um die Meisterschaft spielen.

© SZ vom 9.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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