Toto-Pokal:Perspektivfrage

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Die Würzburger Kickers unterwerfen sich dem steten Wandel. Nach dem Einzug in den DFB-Pokal vollziehen sie den nächsten Umbruch.

Von Sebastian Leisgang

Es sind, wenn überhaupt, nur eine Handvoll Spieler, die der Anhang der Würzburger Kickers in sein Herz geschlossen hat. Robert Wulnikowski zählt dazu, der frühere Torwart und derzeitige Torwarttrainer. Sebastian Neumann, der inzwischen beim MSV Duisburg spielt. Vielleicht auch Junior Diaz, aber das liegt nur daran, dass der Abwehrspieler nicht mehr in Versuchung geraten kann, ein Eigentor zu schießen - er ist längst über alle Berge. Und sonst?

Nähe erzeugt Wärme, wie aber sollen die Fans mit einer Mannschaft warm werden, wenn die Spieler schon bald wieder das Weite suchen?

Die Würzburger Kickers sind ein Klub im steten Wandel. Seit sie sich vor fünf Jahren in den professionellen Fußball aufgemacht haben, ist stets eine zweistellige Zahl an Spielern pro Saison gekommen oder gegangen. Klar, wer ohne Unterlass aus der Regionalliga in die zweite Bundesliga marschiert, der muss mit dem Erfolg gehen. Die sportliche Entwicklung hat Personalwechsel nicht nur ermöglicht, sie hat sie erfordert, um konkurrenzfähig zu bleiben. In der neuen Saison spielen die Kickers aber zum dritten Mal in Serie in der dritten Liga - und vollziehen dennoch den nächsten Umbruch.

Erfolg zum Abschluss: Würzburgs Trainer Michael Schiele bejubelt den Sieg im Toto-Pokal. (Foto: Jan Hübner/imago)

Michael Schiele, 41, steht im Aschaffenburger Stadion in einem Zelt, ein Fuß auf einer Bierbank abgestellt, und spricht über die Pläne, die er mit den Kickers verfolgt. Soeben hat seine Mannschaft das Landespokalfinale gegen den Regionalligisten Viktoria Aschaffenburg 3:0 (1:0) gewonnen und ist in den DFB-Pokal eingezogen, jetzt sagt Schiele: "Es wäre am besten, wenn wir die Spieler halten könnten, aber es gibt Vereine, die andere Möglichkeiten haben." Deshalb wird Würzburg erneut einige Spieler ziehen lassen müssen. "Das tut weh und kostet Energie", sagt Schiele. Er weiß aber: Das ist das Los der Kickers. Oder wie es Daniel Sauer formuliert: "Das ist der Lauf der Dinge. Wir haben eine sehr gute Saison gespielt. Da sind andere Vereine auf unsere Jungs aufmerksam geworden."

Daniel Sauer, 37, ist als Sportdirektor und Vorstandsvorsitzender der Mann, der den Umbruch gemeinsam mit Schiele gestaltet. Bald könnte es aber wieder so weit sein, dass die Leute darauf verweisen, was er früher mal gemacht hat. Dann heißt es, ein abfälliger Unterton in der Stimme: Ach, der Sauer, der hat doch keine Ahnung - der kommt ja ausm Handball.

Bei den Kickers geht es meist ruhig zu, doch die spielfreien Zeiten sind in aller Regel aufgeregte Zeiten. Die Anhänger beklagen sich dann, warum ihr Klub diesen Spieler gehen lässt - und was er bitte, Herrschaftszeiten, mit jenem anfangen will. Irgendwann kommen die Leute dann mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit auf den Namen des Mannes, der früher, Herrschaftszeiten, Handballer gewesen ist und jetzt sagt: "Wir haben es immer wieder geschafft, eine gute Mannschaft zusammenzustellen - das werden wir jetzt auch wieder schaffen."

Noch ist nicht abzusehen, wie groß der Umbruch ausfällt, den die Kickers da gerade in die Wege geleitet haben. Zumindest auf der Seite der Weggänge ist der Klub auf einem guten Weg, die Marke der Vorjahre zu erreichen. So verabschiedet sich etwa Patrick Drewes zum VfL Bochum, und Patrick Göbel verlässt den Verein ebenso. Göbel, der das Toto-Pokalfinale in Aschaffenburg mit einer maßgeschneiderten Ecke auf Daniel Hägele und einem formschönen Fernschuss entschieden hat, geht zum Halleschen FC. Auch bei Orhan Ademi, dem mit elf Treffern besten Torschützen der Kickers, der das finale 3:0 am Schönbusch erzielt hat, stehen die Zeichen auf Abschied. Das wirft die Frage auf: Welche Perspektive haben die Kickers? Und: Wer sind sie überhaupt? Definieren sie sich selbst als Verein, der für aufstrebende Spieler eine Durchgangsstation ist? Oder sind sie vielmehr selbst darauf aus, aufzustreben?

In den vergangenen Jahren hat Würzburg mit seinen Spielern stets ein Zweckbündnis unterhalten. Die anfangs kleinen Kickers schafften es, mit den neuen Spielern etwas größer zu werden - und die Spieler erhielten im Gegenzug die Chance, sich selbst für Höheres zu empfehlen. Nun aber haben es sich Sauer und Schiele zur Aufgabe gemacht, die Kickers wieder in die zweite Liga zu führen und sie dort dauerhaft zu halten. Das sind große Pläne. Bloß: Dass sich die ersten Stammkräfte schon verabschiedet haben (und weitere folgen werden), torpediert diese Pläne. "Es ist unsere Vision, wieder in der zweiten Liga zu spielen", sagt Sauer, "aber wir sind erst seit vier Jahren im Profifußball, wir müssen das Pflänzchen noch ein bisschen gießen." Zuerst, das ist bloß der Punkt, muss er ansäen. Wieder mal.

© SZ vom 27.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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