Tischtennis:Und jetzt der Beste der Welt

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Dimitrij Ovtcharov steht nach einem nervenaufreibenden Sieg gegen den Schweden Mattias Falk im Viertelfinale des stark besetzten Turniers in Frankfurt. (Foto: Majo/Imago)

Dimitrij Ovtcharov überzeugt beim hochklassig besetzten Tischtennisturnier in Frankfurt - und trifft nun auf einen Gegner, mit dem ihn schmerzhafte wie spektakuläre Erinnerungen verbinden.

Von Ulrich Hartmann, Frankfurt

Zweieinhalbtausend Zuschauer in der Halle und weltweit Zigtausende im Internet-Stream haben am Mittwochabend gebannt dem spektakulär aufspielenden Dimitrij Ovtcharov zugeschaut. Was dem Tischtennisprofi niemand ansah: Der 35 Jahre alte Wahl-Düsseldorfer hat sich zwischen den fünf aufregenden Sätzen darum gesorgt, dass sein bis zum letzten Punkt ausgereiztes und 47 Minuten dauerndes Match gegen den Schweden Mattias Falck langweilig werden könnte für sein siebenjähriges Töchterchen Emma auf der Tribüne. "Ich hatte die Befürchtung, es wird ein bisschen lang für sie, und hätte schon deshalb lieber 3:0 gewonnen", witzelte er hinterher. So ticken Väter, auch Leistungssportler in Aktion.

Dabei hätte Ovtcharov das ahnen können. "Ich spiele gegen niemanden so oft so knapp wie gegen Mattias Falck", sagte er in Erinnerung an eine ganze Serie ähnlich spannender Schweden-Krimis. 11:9 im ultimativen fünften Satz gewann er diesmal gegen den WM-Zweiten von 2019 im Achtelfinale dieses weltklassebesetzten, mit 500 000 Dollar prämierten Turniers in Frankfurt. Mit den Punkten für den Erfolg hat er sich endgültig für die Finals der lukrativen World-Table-Tennis-Serie Anfang Januar in Doha qualifiziert, aber bevor es dort in zwei Monaten noch einmal um viel Geld geht, bekommt es Ovtcharov im Viertelfinale an diesem Freitag in Frankfurt mit jenem chinesischen Olympiasieger namens Ma Long zu tun, gegen den er vor zwei Jahren bei Olympia in Tokio sein bislang bestes Spiel bestritten hat - und sein schmerzhaftestes.

"Nie hat mir ein Spiel so wehgetan wie dieses", sagt Ovtcharov über seine Halbfinalniederlage von Tokio gegen Ma Long

Über seine Siebensatzniederlage mit 9:11 im finalen Durchgang im olympischen Einzel-Halbfinale 2021 in Tokio sagt Ovtcharov heute nicht ganz zu Unrecht: "Das war vielleicht eines der besten Tischtennisspiele aller Zeiten." Er meint nicht: eines seiner besten. Er meint wirklich: eines der besten jemals. In jener Nacht dachte er verzweifelt an Rücktritt, zu weh tat ihm die verpasste Sensation, die den Olympiasieg hätte nach sich ziehen können. "Es war das prägendste Spiel, das ich je gespielt habe, nie hat mir ein Spiel so wehgetan wie dieses", erinnerte er sich am Mittwochabend. Aber gut, dass er seine Karriere damals nicht beendet hat. Tags darauf holte er Olympiabronze gegen den Taiwaner Lin Yun-ju. Er sagt: "Mit dem nötigen Abstand bin ich stolz auf das Spiel gegen Ma Long und darauf, anschließend Bronze geholt zu haben."

Jetzt also die Revanche gegen Ma Long in Frankfurt. Vor Heimpublikum. Vielleicht hilft das, auch wenn Ovtcharov ahnt, dass er kaum so gut wird spielen können wie vor zwei Jahren in Tokio. Doch auch Ma Long scheint derzeit nicht in Optimalform zu sein. Überhaupt die Chinesen: Von den vier Männern im Frankfurter Feld sind am Mittwoch in Liang Jingkun sowie dem Weltmeister und Weltranglistenersten Fan Zhendong doch tatsächlich zwei schon im Achtelfinale rausgeflogen. So etwas grenzt an ein Wunder, aber Ovtcharov war offenbar nicht ganz so überrascht. "Es gab in letzter Zeit viele große Events in Asien, und die sind natürlich viel bequemer für die Chinesen - jetzt mussten sie mal weit fliegen, haben Jetlag, und dann passiert so etwas."

Jetlag hin oder her, Ovtcharovs Bilanz gegen Ma Long lautet tatsächlich: 0:19. "Er ist ein vorhanddominanter Spieler, und das liegt mir schon vom System her nicht so gut", sagt Ovtcharov, "ich bin einfach besser gegen rückhanddominante Spieler." Der 35 Jahre alte Ma Long mit seinen fünf goldenen Olympia- und 13 goldenen WM-Medaillen gilt vielen als bester Tischtennisspieler - das findet auch Ovtcharov: "Er ist der beste Spieler aller Zeiten, und man muss sich nicht schämen, so oft gegen ihn verloren zu haben." Trotzdem fände er im 20. Duell einen Sieg mal ganz angenehm.

Mit sechs olympischen Medaillen an der Zahl ist Ovtcharov tatsächlich Tischtennis-Weltrekordhalter - und er will mehr

Und dann ist ja auch bald schon wieder Olympia. Nächsten Sommer in Paris. Dass er dann seine fünften Olympischen Spiele bestreitet, ist keine Frage für Ovtcharov, mit sechs olympischen Medaillen an der Zahl ist er tatsächlich Tischtennis-Weltrekordhalter. "Nominiert wird im April, aber mein Ziel ist nicht nur dabei zu sein, sondern in Paris erfolgreich zu sein", sagt er. Auch zu diesem Zweck hatte er gemeinsam mit Dang Qiu, Patrick Franziska und dem Bundestrainer Jörg Roßkopf kürzlich auf die Mannschafts-EM in Malmö verzichtet und findet, die stattdessen absolvierten harten Trainingseinheiten im Leistungszentrum in Düsseldorf haben sich gelohnt. "Hätte ich nicht auf die EM verzichtet, hätte ich nicht die Substanz aufbauen können, die ich jetzt habe. Wir haben unglaublich viel trainiert, ich werde besser und besser und bin deutlich weiter als vor drei Monaten."

Für dieses Jahr ist Frankfurt sein letztes Turnier. Bis Weihnachten steht wieder intensives Training an, dann geht es nach Doha. Das Töchterchen Emma fliegt da nicht mit. Keine Gefahr also, sich dort zu langweilen.

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