Tischtennis-WM:Allein unter Chinesen

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Der letzte Europäer scheidet aus: Timo Boll verliert im Viertelfinale mit 2:4-Sätzen gegen den Weltranglisten-Vierten Fan Zhendong aus China. (Foto: Johannes Eisele/AFP)

Achtungserfolge ja, Medaillen nein: Timo Boll und Patrick Franziska scheitern jeweils im WM-Viertelfinale. Mehr ist für Europäer in China nicht drin.

Von Ulrich Hartmann, Suzhou/Köln

Die idyllische Stadt Suzhou an der chinesischen Ostküste, im Mündungsgebiet des Yangtze gelegen, gilt mit ihren zahlreichen Kanälen als "Venedig des Ostens" und überdies als "Stadt der Gärten". Dort blüht jetzt alles, und dort hätte der 34 Jahre alte Timo Boll aus Düsseldorf in dieser Woche auch gern seinen zweiten Frühling als Tischtennisspieler eingeläutet. Wo der Frühling schon mal allgegenwärtig ist in der Ausrichter-Stadt der diesjährigen Tischtennis-WM.

Aber das Venedig des Ostens war in Sachen Tischtennis in dieser Woche zugleich die Höhle der Löwen, und in der Heimat der weltbesten Tischtennisspieler ist das Medaillengewinnen noch einmal schwieriger als ohnehin schon. Am Ende waren im Halbfinale des Männer-Wettbewerbs die Chinesen mal wieder unter sich. Ma Long gegen Fan Zhendong, und Zhang Jike gegen Fang Bo - so lautete die Vorschlussrunden-Konstellation im Tischtennis-Himmel, in den Timo Boll und die anderen deutschen Spieler mal wieder keinen Einlass erhalten haben.

Immerhin: Boll ist erst im Viertelfinale an Fan Zhendong gescheitert, Patrick Franziska, 22, die große Überraschung dieser WM, hat es ebenfalls bis ins Viertelfinale geschafft, in dem er gegen Fang Bo verloren hatte. Das ist unter dem Strich eine ziemlich respektable Bilanz. Enttäuscht hat bei dieser WM allenfalls Dimitrij Ovtcharov, der eine Medaille wollte - aber bereits in der zweiten Runde ausgeschieden war.

"Da war eine unglaubliche Wucht dahinter"

Sechs Asiaten und zwei Deutsche hatten es bis Samstag ins Viertelfinale dieser Individual-WM geschafft: vier Chinesen, Tang Peng aus Hongkong, der Japaner Jun Mizutani sowie Boll und Franziska. Ein Achtungserfolg.

Die beiden Deutschen, die in der Bundesliga für Borussia Düsseldorf spielen, hatten die beiden vermeintlich am wenigsten übermächtigen Chinesen erwischt: Boll den erst 18-jährigen Fan Zhendong und Franziska den weniger unbekannten Fang Bo, der im Achtelfinale nur deshalb gegen den Weltranglistenzweiten Xu Xin gewonnen hatte, weil dieser mit einer schmerzenden Schulter am Schlagarm hatte spielen müssen. Der Weltranglisten-56. Franziska war gegen den Weltranglisten-13. Fang Bo dann aber trotzdem weitgehend chancenlos, gestaltete bei der 1:4-Niederlage bloß die Sätze zwei und drei offen, von denen er den dritten sogar 11:8 gewann. Das Spiel dauerte 41 Minuten.

"Wenn Fang Bo den ersten Ball gezogen hat, war eine unglaubliche Wucht dahinter", berichtete Franziska hernach mit großen Augen, als sei er gerade eine spektakuläre Achterbahn gefahren. "Ich muss noch an der Schnelligkeit arbeiten, die Chinesen zeigen einem da klar auf, wo man Defizite hat."

Boll freut sich über ein "großartiges Spiel"

Viel bessere Chancen hatte Boll, dem am Ende der Sätze oft bloß zwei, drei Punkte fehlten. 2:4 ging die Partie gegen Fan Zhendong nach Sätzen verloren, aber die Summe der Punkte (59:66) zeigte, dass es ein äußerst knappes Duell war. Spielzeit: fast eine Stunde.

"So ein Spiel haben mir sicher viele nicht mehr zugetraut", sagte Boll hinterher stolz, er fügte an: "Es war ein großartiges Spiel, das einen Riesenspaß gemacht hat." Ein Sieg hätte Boll die zweite WM-Einzel-Medaille gesichert, nachdem er 2011 in Rotterdam mit Bronze sein bisher einziges WM-Einzel-Edelmetall gewonnen hatte. So reisten die Deutschen nach 2013 in Paris auch von dieser Individual-WM ohne Medaille ab. Irene Ivancan (Stuttgart) hatte es bei den Frauen bis ins Achtelfinale geschafft, in dem sie - natürlich - an einer Chinesin scheiterte, an der Weltranglisten-Ersten Ding Ning.

Das Aufsehen erregende deutsch-chinesische Doppel mit Timo Boll und dem Weltranglisten-Ersten Ma Long war bereits in der zweiten Runde ausgeschieden, weil die beiden mangels jeglicher Ergebnis-Historie in der Setzliste nur auf Platz 17 geführt wurden und deshalb in der zweiten Runde bereits auf das chinesische Spitzenduo Zhang Jike/Xu Xin trafen - und ausschieden. Das deutsche Mixed mit Steffen Mengel und Petrissa Solja hatte immerhin das Viertelfinale erreicht. Am Ende reisten die Deutschen also immerhin mit anerkennenswerten Bilanzen und dem Wissen ab, dass die Chinesen in Suzhou ihre weltweite Dominanz wieder einmal unterstrichen haben. Vier Chinesen im Männer-Halbfinale, vier Chinesinnen im Frauen-Halbfinale, vier Chinesen im Doppel-Finale.

In zwei Jahren bekommen die Deutschen ihre Chance zur Revanche - dann bei der WM in Düsseldorf, wo ein Heimvorteil den Rückstand zu den Chinesen vielleicht ja wieder ein bisschen verkleinern kann.

© SZ vom 03.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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