Tischtennis:Winter-Aufbruch

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Lily Zhang hat die Rolle von Sabine Winter übernommen – nicht nur in der Rangliste des SV-DJK Kolbermoor. (Foto: Joaquim Ferreira/imago images / HMB-Media)

Mit runderneuertem Kader streben Kolbermoors Frauen einen Titel an. Erstliga-Rückkehrer Schwabhausen hat für das Derby zum Saisonauftakt ganz andere Ziele.

Von Andreas Liebmann

Es war eine andere Art von Aufbruchstimmung vor vier Monaten in der Sporthalle in Kolbermoor. Gerade hatte der gastgebende Tischtennis-Erstligist das Hinspiel im Playoff-Finale um die Meisterschaft gegen den Dauerfavoriten Berlin verloren, da griff Klobermoors Nationalspielerin Sabine Winter zum Mikrofon. Sie verabschiedete sich nach sieben Jahren von ihrem Publikum und dankte "für die fantastische Unterstützung". Erklärte, dass sie in Schwabhausen groß geworden sei und sich auf die Rückkehr zu ihren Wurzeln freue. Und erwähnte, dass ihr der SV-DJK Kolbermoor die Entscheidung abgenommen habe, weil er ihr keinen Vertrag angeboten habe. Dann ging sie die Tribüne hinauf, wo Alexander Yahmed saß, der Trainer, der sie in Schwabhausen ausgebildet und zu dem sie stets Kontakt gehalten hatte; neben ihm saß die Jugend-Nationalspielerin Laura Tiefenbrunner, ihre künftige Teamkollegin, die ihren Heimatverein Kolbermoor ein Jahr zuvor verlassen hatte. Winter war aufgebrochen.

Der 26-Jährigen gelang dann in Berlin trotzdem noch eine starke Abschiedsgala, sie bezwang dort überraschend ihre Nationalmannschaftskollegin Shan Xiaona sowie die Ungarin Georgina Pota und zeigte noch einmal, was in ihr steckt, wenn die dauerlädierte Schulter halbwegs mitspielt - auch wenn sie nicht verhindern konnte, dass es im Rückspiel endgültig nichts wurde mit einer Titelverteidigung.

An diesem Samstag (14.30 Uhr) starten beide Vereine in die neue Saison, beide befinden sich in echter Aufbruchstimmung, und los geht es gleich mit dem oberbayerischen Derby. Die Gäste aus Kolbermoor sind guter Dinge, weil sie sich "gewappnet" sehen für den nächsten Angriff auf die Berliner Dominanz, sagt Trainer und Abteilungsleiter Michael Fuchs: "Ein Titel ist unser Ziel, ob im Pokal oder in der Meisterschaft, ist uns egal." Sein Gegenüber Yahmed urteilt: "Sie haben sich extrem verstärkt - obwohl Sabine weg ist." Dass Zugang Ding Yaping in Kolbermoor an Position vier stehe, "sagt schon alles".

Die Abwehrspezialistin Ding war vor ihrem einjährigen Gastspiel in Metz neun Jahre lang Führungsspielerin der TTG Bingen, hatte stets eine der besten Bilanzen in der Liga. Inzwischen ist sie 52, doch nicht nur Fuchs ist davon überzeugt, dass sie auch von 20 bis 30 Jahre Jüngeren noch immer kaum zu bezwingen ist. An Position eins steht wie im Vorjahr die Österreicherin Liu Jia, die wie im Vorjahr nur sporadisch zum Einsatz kommen wird. Der Unterschied ist, dass sich ihre Einsätze nicht mehr auf die Playoffs beschränken - weil es in dieser Saison keine gibt. Im Vorjahr war dieses System als Notbehelf eingerichtet worden, weil die Liga mit sieben Mannschaften zu klein war, inzwischen sind es neun. "Jedes Spiel zählt", sagt Fuchs, und Liu werde die mutmaßlich wichtigsten mitmachen. Hinter Kristin Lang steht an Position drei ein weiterer Zugang: Lily Zhang, die von der TTG Bingen kommt, mit 23 für die USA schon an zwei Olympischen Spielen teilgenommen hat und laut Fuchs zurzeit "in der besten Form" ist, "die sie je hatte". Vier Titel hat sie zuletzt bei den panamerikanischen Meisterschaften geholt. Beim 3:0 am vorigen Sonntag in der Pokal-Vorrunde gegen Schwabhausen, quasi dem ersten Teil des Derbys, setzte sie sich klar gegen Winter durch: 11:9, 11:6, 11:6.

"Ich hoffe, dass wir zur Rückrunde mit einigen auf Augenhöhe sind."

Die dritte Neue steht hinter der routinierten Svetlana Ganina als Ersatz bereit, nämlich die 17 Jahre alte deutsche Jugendnationalspielerin Anastasia Bondareva. Deren Einsätze müssten, weil ja jedes Spiel zählt, geschickt dosiert werden, sagt Fuchs - gut möglich, dass Kolbermoor angesichts seiner klaren Favoritenrolle an diesem Samstag gleich mal auf das Talent aus Hessen setzt. Damit käme es womöglich zum direkten Duell zweier guter Freundinnen, nämlich Tiefenbrunner und Bondareva. Auch das Duell Winter - Zhang hat eine witzige Komponente, weil Letztgenannte in Sabine Winters Düsseldorfer Wohnung untergekommen ist. Winter ist vorerst zurück in die Heimat gezogen, während nahezu die gesamte Kolbermoorer Mannschaft in Düsseldorf lebt, wo das Bundesleistungszentrum seinen Sitz hat.

In Schwabhausens Kader hat sich ansonsten wenig verändert. Hinter Winter ist Chrystal Wang gelistet, ein Zufallsfund. Einsätze der 17-Jährigen aus den USA sind laut Yahmed aber eher unwahrscheinlich. Tiefenbrunner dagegen soll konsequent in die erste Liga geführt werden, wobei Yahmed nicht nur bei ihr auf eine Entwicklung setzt: "Ich hoffe, dass wir zur Rückrunde mit einigen Mannschaften auf Augenhöhe sind." Kolbermoor gehöre sicher nicht dazu, dieser Verein sei dem Rest der Liga gemeinsam mit Berlin weit voraus.

Die Euphorie in Schwabhausen ist trotzdem groß, seit der Verein sich nach Jahren des freiwilligen Verzichts zur Rückkehr in die erste Liga entschieden hat. Allein Sabine Winter werde wieder Zuschauer anziehen, hofft Yahmed, "sie ist ein Publikumsmagnet, eine ganz tolle Persönlichkeit und immer noch erweiterte Weltspitze". Doch dabei wollen sie es nicht belassen. Ein großes Grillfest haben sie geplant für ihre Rückkehr in die erste Liga, ein Fernsehteam hat sich angekündigt, umliegende Klubs haben sie angeschrieben, auf Facebook und Instagram geworben. In den vergangenen Jahren war nicht viel los in der Halle der kleinen Gemeinde nahe Dachau, das soll sich unbedingt ändern. Es ist Zeit für einen Aufbruch.

© SZ vom 20.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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