Tischtennis:Ewiger Dämon

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Ein kleiner Makel am Ende eines großen Jahres: Trotz aller Verrenkungen verliert der deutsche Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov das Saisonfinale in Astana. (Foto: Yohei Osada/imago)

Auch der Aufstieg zur Nummer eins der Welt und das beste Jahr seiner Karriere bewahren Dimitrij Ovtcharov nicht vor einer Niederlage: Im Finale der World Tour verliert er gegen den Chinesen Fan Zhendong.

Von Ulrich Hartmann, Astana/Düsseldorf

Das deutsche Tischtennis hat gerade eben eines der besten Wochenenden in seiner Geschichte erlebt. Der nächste Weltranglisten-Erste heißt Dimitrij Ovtcharov, als "Welt-Spieler des Jahres" wurde Timo Boll ausgezeichnet und als "Welt-Trainer des Jahres" Jörg Roßkopf. Bei den Grand Finals der World Tour in Kasachstan, dem finalen Höhepunkt im globalen Turnierkalender, wurde das deutsche Trio mit Titeln und Lob nur so überschüttet. Aber auch das bewahrte die Deutschen nicht davor, in Astana doch wieder ihrem ewigen Dämon zu begegnen: China.

In dem mit 100 000 US-Dollar Siegprämie dotierten Endspiel unterlag Ovtcharov am Sonntag dem Weltranglisten-Zweiten Fan Zhendong mit 0:4 Sätzen. Das war eine kleine Demütigung, über die sich der 29 Jahre alte Wahl-Düsseldorfer aber mit einer Prämie von 55 000 Dollar und seinem Aufstieg zur Nummer eins der Welt hinwegtrösten wird. Am Samstag hatte Fan Zhendong im Halbfinale bereits Timo Boll 4:2 besiegt; für Boll gab es noch 35 000 Dollar.

Die beiden Deutschen hatten die World Tour in diesem Jahr dominiert. Deshalb waren sie in das Finalturnier der besten sechzehn Spieler als Erster und Zweiter der Setzliste gegangen. Ovtcharov hat neben der Champions League und der Mannschafts-Europameisterschaft in diesem Jahr die India Open, China Open, Bulgarian Open, Swiss Open, German Open sowie den renommierten World Cup gewonnen. "Das ist das beste Jahr meiner Karriere", hatte er schon vor dem Wochenende bilanziert. Dann besiegte er im Achtel- und Viertelfinale die Japaner Koki Niwa und Tomokazu Harimoto sowie im Halbfinale den Chinesen Lin Gaoyuan. Boll schlug derweil den Japaner Yuya Oshima und den Hongkong-Chinesen Wong Chun Ting, bevor er Fan Zhendong unterlag.

Den 20 Jahre alten Chinesen hatte Ovtcharov bei den German Open in Magdeburg noch besiegt. "Umso härter habe ich mich diesmal vorbereitet", sagte Fan Zhendong in Astana grimmig. "Jetzt bin ich der Gejagte", sagte Ovtcharov nach der verlorenen Revanche über seinen Sprung an die Spitze der Weltrangliste, "das motiviert jeden Gegenspieler zusätzlich". Trotz des deutlichen Ausgangs war es ein spektakuläres Finale; ein Tischtennis, so schnell und anstrengend, dass beide Spieler bei jedem Schlag aufstöhnten wie beim Tennis.

Eine Goldmedaille bei WM oder Olympia ist der größte Traum der deutschen Tischtennisprofi

Fan Zhendong hatte im Frühjahr das Endspiel bei den Weltmeisterschaften in Düsseldorf gegen seinen Landsmann Ma Long verloren, der beim World-Tour-Finalturnier allerdings nicht dabei sein durfte. Ma Long hatte statt der erforderlichen vier World-Tour-Turniere nur drei bestritten. Ovtcharov, 29, ist derweil in herausragender Form. Es müsste ihn fast ärgern, dass die nächsten Individual-Weltmeisterschaften erst 2019 stattfinden und Olympia erst 2020. Eine Goldmedaille bei einem dieser beiden Turniere ist sein größter Traum, und in diesem Jahr hatte man erstmals das Gefühl, dass dieser Traum wahr werden könnte. Weil auch Boll, 36, eines seiner besten Jahre hinter sich hat, blicken Roßkopf, Ovtcharov und Boll zunächst einmal erwartungsvoll nach Halmstad in Schweden, wo im Mai die Mannschafts-WM ausgetragen wird. Noch nie haben die Deutschen die Chinesen besiegt, das höchste der Gefühle waren Final-Niederlagen bei Olympia 2008 und den Weltmeisterschaften 2010, 2012 und 2014.

Diesmal aber könnte etwas möglich sein, vorausgesetzt, Boll und Ovtcharov können ihre Form bewahren. Boll hat dieses Jahr zwar schon je einmal gegen Ma Long und Fan Zhendong verloren, aber er hat Lin Gaoyuan zweimal bezwungen und zudem auch Ma Long einmal beim World Cup in Lüttich. Ovtcharov hat Yan An und Lin Gaoyuan besiegt und bei den German Open in Magdeburg wie erwähnt auch Fan Zhendong. Die beiden Deutschen haben mehrmals bewiesen, dass sie mit den Chinesen mithalten können.

"Dem Tischtennis tut diese Abwechslung gut", sagt der Weltverbands-Präsident Thomas Weikert aus Hadamar in Hessen: "Aber ich bin auch sicher, dass China die Herausforderung annehmen und noch mehr trainieren wird, um die Spitzenposition zurückzuerobern." Dafür war Ovtcharovs Niederlage gegen Fan Zhendong am Ende eines kraftraubenden Jahres schon das erste Signal. Es hat die Deutschen daran erinnert, dass alles optimal laufen muss, um den Chinesen im Mai den WM-Titel zu entreißen. Vier Monate Vorbereitung bleiben für das gewaltige Vorhaben.

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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