Tischtennis:Erste Welle

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Der TTC Neu-Ulm und der TSV Bad Königshofen starten mit Siegen in Bundesliga-Saison. Während Neu-Ulm beim 3:1 in Bad Homburg in einer gut gefüllten Halle spielt, tritt Bad Königshofen beim 3:0 gegen Fulda in einer Art Hochsicherheitstrakt an.

Von Andreas Liebmann

Vielleicht hat Abdel-Kader Salifou genau jenen Moment gewählt, um den Livestream aus Bad Königshofen zu verlassen. Mit 3:0 hatte sich sein neuer Verein zum Auftakt der Tischtennis-Bundesliga (TTBL) gegen Fulda durchgesetzt, nun sah man, wie seine Teamkollegen in hygienisch unbedenklichem Abstand zueinander La Ola zeigten - eine coronafreie erste Welle, exklusiv für zwei Handvoll Helfer und all die Leute daheim an den Monitoren. Denn die Fans, die nun sicher aus dem Häuschen gewesen wären, hatte man gar nicht erst ins Häuschen hineinlassen dürfen. Auch Salifou musste zu Hause ausharren. Das siegreiche Quartett blieb also alleine mit seiner rechtschaffenen Begeisterung über diesen Coup, die man hinter vier Masken erahnen konnte.

Gut möglich, dass der Franzose, wehmütig, diesen Moment verpasst zu haben, nun nach Bad Homburg schaltete. Dort gastierte am Sonntag sein Ex-Klub, der TTC Neu-Ulm. Die Partie lief noch. Auch hier sah man vier maskierte Gesichter im Bild, allerdings nur riesengroß und starr auf einer Plakatwand. Ansonsten wirkte dieser Livestream wie aus einer anderen Welt. Die Halle war gut gefüllt, Masken trug kaum jemand. Der Brasilianer Gustavo Tsuboi, der wie Salifou ein Jahr lang für Neu-Ulm spielte, trat für Bad Homburg an, er hatte den Aufsteiger zunächst gegen Vladimir Sidorenko in Führung gebracht, doch nun unterlag er seinem ehemaligen Mitspieler Tiago Apolonia. Der Portugiese sicherte Neu-Ulm damit den 3:1-Auftaktsieg.

Im Kontrast der Bilder wirkte die leere Halle in Bad Königshofen, in der auch die Schiedsrichter Mundschutz trugen, wie ein Hochsicherheitstrakt. TSV-Teammanager Andreas Albert war auf eine Saison "voller Unwägbarkeiten" gefasst, und der erste Spieltag untermauerte das. Eine Partie wurde verlegt, weil ein Saarbrücker Spieler positiv auf das Coronavirus getestet und ein zweiter in Quarantäne geschickt worden war. Dass es sich bei dem ebenfalls positiv getesteten Spieler aus Bad Königshofen, von dem die TTBL berichtete, um Salifou handelte, war auch bald öffentlich (er trainiert in Saarbrücken). So steckte unter der vierten Maske nicht der erkrankte Franzose, sondern der 15-jährige Trainersohn Akito Itagaki als Ersatzspieler. Salifou, so Albert, habe leichte Symptome und hoffe bereits auf die nächste Partie in drei Wochen. "Wir gehen diesen Weg", sagte der Manager, ohne die Ungleichheiten zwischen den Bundesländern zu beklagen. Dennoch hofft er, dass bald ihr Hygienekonzept greifen darf: 158 Zuschauer hätten mit Sicherheitsabständen in der Halle des TSV Platz.

Das 3:0 gegen Fulda war überraschend. Weniger der 3:2-Erfolg von Bastian Steger, der gegen Ruwen Filus einen 0:2-Satzrückstand drehte. Doch Kilian Ort hatte es mit Quadri Aruna zu tun, einem Nigerianer, der an Position 20 der Welt steht, der mit 32 neu ist in der Liga und nicht zuletzt dadurch bekannt, dass er 2016 bei Olympia Timo Boll bezwang. 3:11 verlor Ort den ersten Satz, 1:3 stand es im zweiten, er war nervös, machte leichte Fehler. Doch immer öfter ballte der 24-Jährige die Faust; war plötzlich hellwach, wenn Aruna für seine brachiale Vorhand zum Umlaufen ansetzte; drängte ihn mit Returns nach außen; erwischte ihn mit aggressiven Rückhand-Blocks. Ort, Nummer 198 der Welt, sank mit dem 11:9 im vierten Satz auf die Knie, er riss die Fäuste empor, brüllte die Freude nach draußen, stemmte die Handtuchbox über den Kopf, als wäre sie ein Pokal, den er heimnehmen wollte. Und Filip Zeljko? Jedem hatte Albert erzählt, dass der Ersatzmann, dem seit Jahren Siege fehlen, nun "eine Klasse besser" sei - und damit Druck aufgebaut. Doch der 23-Jährige lieferte. Einem 15:13 gegen Fuldas Fan Bo Meng folgte ein 11:1, das Alberts These Schlag für Schlag bestätigte. In vier Sätzen sicherte er den Sieg. Auf die Frage des Hallensprechers, was in dieser Saison für sein Team möglich wäre, antwortete Zeljko kurz: "Erster Platz." Man braucht etwas Zuversicht in einer leeren Halle.

© SZ vom 08.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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