Tischtennis:Empfehlung in eigener Sache

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Mit einer knallharten Vorhand: Der Kroate Filip Zeljko, 23, überzeugt derzeit beim TSV Bad Königshofen. (Foto: Revierfoto/Imago)

Trotz der Niederlage im bayerischen Derby gegen Neu-Ulm feiert Bad Königshofen seinen ewigen Ersatzmann Filip Zeljko, der Europameister Lebesson bezwingt.

Von Andreas Liebmann

Er hatte schon so viele Gegner an diesen Punkt gebracht. Den Weltranglistensechsten Hugo Calderano. Den Polen Jakub Dyjas, EM-Halbfinalist von 2016. Die deutschen Nationalspieler Dang Qiu und Ricardo Walther. Alle hat Filip Zeljko schon einmal in einen fünften Satz gezwungen, gegen alle hat er dann trotzdem verloren. Doch Zeljko, der ewige Ersatzmann des Tischtennis-Erstligisten TSV Bad Königshofen, ist nicht mehr derselbe wie damals. Eigentlich ist er auch gar kein Ersatzmann mehr. Am Sonntag zeigte er im fünften Satz sein bestes Tischtennis. Gegen Emmanuel Lebesson vom TTC Neu-Ulm. Den Europameister von 2016, einen 32-jährigen Routinier. Auf 8:2 zog er davon, sein Gegner wirkte ratlos. Die Fans sangen seinen Namen zur Melodie von "We will rock you".

Am Ende verlor sein Verein das bayerische Derby trotzdem, hauchdünn, 2:3 im Schlussdoppel; "eigentlich ein Unentschieden", soll Neu-Ulms Klubchef und Investor Florian Ebner in der Halle geurteilt haben. Für Neu-Ulm war es eine Bestätigung, dass der Klub in seinem zweiten TTBL-Jahr bereits einen mehr als konkurrenzfähigen Kader beisammen hat. Trotzdem war Zeljkos 11:13, 4:11, 11:8, 11:8, 11:6-Erfolg gegen Lebesson zur zwischenzeitlichen 2:0-Führung für Bad Königshofen das wohl bemerkenswerteste Kapitel dieses Abends.

Im fünften Jahr spielt Filip Zeljko für die Unterfranken. Seine turbulente Karriere schien bereits beendet zu sein, da vergisst man leicht, dass der Kroate immer noch erst 23 ist. Er war vor Jahren aus dem Nationalkader geflogen, hatte sich ein wenig als Model betätigt und sich auf eigene Faust fit gehalten für die gelegentlichen Aushilfseinsätze in der TTBL. Damals schon besaß er außergewöhnlich gefährliche Aufschläge und eine knallharte Vorhand, was in der Kombination oft reichte, um arrivierte Profis ein, zwei Sätze lang zu düpieren - aber fast nie, um ein Match zu gewinnen. Als Teammanager Andreas Albert vor anderthalb Jahren dann vor der Entscheidung stand, Zeljko oder den Ungarn Bence Majoros weiterzubeschäftigen, da habe alles für Majoros gesprochen, den jüngeren, erfolgreicheren. Nur ein einziger Ratgeber empfahl Albert damals dringend, auf Zeljko zu bauen, der das größere Potenzial habe und ihm sicher besser helfen könne, sobald er nur den Sport wieder in den Mittelpunkt seines Lebens stellen würde - und das war Zeljko selbst. Im Gegensatz zu vielen Zweiflern im Klub vertraute Albert damals dem Kroaten, deshalb gehen ihm nun Siege wie der gegen Lebesson besonders nahe.

Eigentlich hätten an diesem Abend alle Augen auf Abdel-Kader Salifou gerichtet sein sollen. Der 30-jährige Franzose hatte in Neu-Ulm eine etwas durchwachsene erste TTBL-Saison gezeigt, sein Vertrag war danach nicht verlängert worden. Als der Japaner Mizuki Oikawa in Bad Königshofen überraschend um Vertragsauflösung bat, entschied man sich dort, Salifou zu verpflichten. Einen emotionalen Spieler, der im familiären Klub und vor frenetischem Publikum vielleicht einen Schub erleben könne. Doch Salifou läuft nach überstandener Covid-19-Erkrankung seiner Form hinterher. Gegen seinen ehemaligen Mitspieler Tiago Apolonia war er am Sonntag chancenlos, die Gäste schafften durch das 8:11, 6:11, 5:11 den 1:2-Anschluss. "Er war oft zu spät dran", stellte Albert fest. Salifou wartet weiter auf seinen ersten Saisonsieg.

Was der Kader des TTC Neu-Ulm zu bieten hat, ist klar. Lebesson war Einzel-, der Portugiese Apolonia Mannschaftseuropameister, dazu kommt in Vladimir Sidorenko, 18, eines der größten europäischen Talente. In Bad Königshofen ist Bastian Steger, 39, an Position eins die größte Konstante. Der Verein muss darauf setzen, dass hinter ihm Salifou, Kilian Ort oder Zeljko über sich hinauswachsen. Kilian Ort ist das in zwei seiner drei bisherigen Einzel bereits gelungen, er hat einen echten Lauf. Sein kurzfristiger Ausfall wegen einer Blessur am Fuß war bitter für die Gastgeber.

Steger, der viermalige Mannschaftseuropameister, zeigte am Sonntag Sidorenko in drei glatten Sätzen Grenzen auf, verlor dann aber zum 2:2 gegen Lebesson, weil es ihm nicht ganz so gut gelang, dessen Rückhand zu attackieren. Nicht ganz so gut wie zuvor Zeljko, der damit nun nach dem Auftakt gegen Fulda auch sein zweites Einzel gewann, sicherlich das Beste, das er je in dieser Liga gezeigt hat. Die Beinarbeit habe er verbessert, stellte Albert fest, die Aufschläge seien noch variabler geworden, das Selbstvertrauen gewachsen. Zeljko steht eng am Tisch, lässt sich nicht nach hinten drängen, nicht mal von Lebessons gefürchteten Vorhand-Topspins, die er meist mit kurzen, schnellen Bewegungen als Gegenspins beantwortete. Oft riskierte er das sogar aus ungünstigen Positionen heraus mit seiner schwächeren Rückhand. Auch das ein Unterschied zu früher.

"Ich trainiere viel", erklärt Zeljko, "ich versuche, meinem Gegner wenig Zeit zu lassen, mache weniger Fehler als früher, gebe keine leichten Punkte mehr her." Neu-Ulms Teammanagerin Nadine Berti staunte ebenfalls: "Ich habe ihn noch nie so stark gesehen." Lebesson habe ihr bestätigt, wie hart es gewesen sei. Im Doppel mit Salifou nahm Zeljko die Führungsrolle ein zur 2:0-Satzführung, ehe auf der anderen Seite Apolonia den Teenager Sidorenko soweit mitzog, dass die Gäste dieses Match umbogen, zum 9:11, 10:12, 11:7, 12:10, 12:10.

Schade, dass es nicht zum Gesamtsieg gereicht habe, bedauerte Zeljko. "Ein Gänsehaut-Spiel" sei es dennoch gewesen, befand Albert. Die 120 zugelassenen Zuschauer hätten geklungen wie 500. Und sie sangen Zeljkos Namen.

© SZ vom 20.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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