Tischtennis:Dreimal eins ist Gold

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Serientäter: Timo Boll zeigte im Finale der Tischtennis-Team-EM eine makellose Leistung. (Foto: Remy Gros/dpa)

Das famose Trio Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska gewinnt die Team-EM so souverän wie keine Mannschaft zuvor.

Von Ulrich Hartmann

Von der bislang besten deutschen Tischtennis-Auswahl der Geschichte hängt im Foyer des Deutschen Tischtennis-Zentrums in Düsseldorf ein überdimensionales Foto. Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov und Christian Süß halten darauf stolz jene Silbermedaillen in die Kamera, die sie gerade im Team-Finale von Olympia 2008 in Peking gewonnen haben - geschlagen bloß von den übermächtigen Chinesen.

Am Sonntagabend wurde in Nantes ein Foto vom aktuellen deutschen Tischtennisteam aufgenommen, und man hat das Gefühl, dass dieses Trio noch stärker ist. Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov sind immer noch dabei, der dritte Mann heißt nun Patrick Franziska. Die Drei sind in Frankreich Mannschafts-Europameister geworden, stolz präsentieren sie auf dem Foto ihre Goldmedaillen. Sie haben Portugal im Endspiel 3:0 besiegt und dabei nur einen Satz verloren. Alle fünf Spiele der EM gewannen sie 3:0, nur 13 Sätze gaben sie ab: Ovtcharov sechs, Franziska vier und Boll drei. So souverän ist in 60 Jahren EM-Historie noch nie ein Team Europameister geworden. "Wir haben im Moment eine vielleicht so starke Mannschaft wie noch nie", bestätigte Franziska. In sechs Monaten ist Mannschafts-WM in Südkorea - und in zehn Monaten Olympia in Tokio.

In der europäischen Einzelrangliste sind Boll, Ovtcharov und Franziska die Nummern eins, drei und vier. In der Weltrangliste rangieren sie an sieben, zwölf und fünfzehn. So gut waren deutsche Tischtennisspieler in der Addition auch noch nie zuvor platziert. "Wir haben das Glück", sagt Michael Geiger, der Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes, "dass wir zurzeit eine Mannschaft mit drei Nummer-eins-Spielern haben." Ob drei Mal eins gleich Gold ist, das werden die nächsten Monate zeigen.

Boll ist mittlerweile 38 Jahre alt, Ovtcharov 31, Franziska 27. Das ist keine junge Mannschaft, aber im kontinentalen Vergleich ist das kein Nachteil. "Erfahrene Spieler sind momentan länger erfolgreich, weil es in Europa zu wenig Talent gibt", sagt Bundestrainer Jörg Roßkopf. Der Weißrusse Wladimir Samsonow spielt noch mit 43 Jahren in Europas Spitze. Für Boll und Ovtcharov sind das paradiesische Zustände, und Franziska, der erst jetzt sukzessive den Zenit seines Schaffens erklimmt, bieten sich plötzlich ungeahnte Möglichkeiten.

Schon träumen die Drei vom möglichen Triumph über China, allerdings besetzen die besten Spieler von dort momentan die ersten vier Plätze der Weltrangliste: Xu Xin, Fan Zhendong, Ma Long und Lin Gaoyuan. Ein deutscher Tischtennistriumph 2020 erscheint zwar realistischer als je zuvor, wäre aber immer noch eine veritable Sensation.

Wie jung die Deutschen sich noch fühlen, wurde auch Sonntagnacht deutlich, als sie nach dem Triumph in Nantes über ein nahegelegenes Volksfest bummelten und ausgiebig Karussell fuhren. Gefragt, wie lange es gegangen sei, antwortete Ovtcharov tags darauf gewohnt lakonisch: "Die jüngere Generation war länger unterwegs."

© SZ vom 10.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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