Tischtennis:Dings Trick

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Stoisch wie eh und je: Ding Yaping (rechts, hier im Abwehrdoppel mit Svetlana Ganina) vergibt bei Tabellenführer Berlin einen Matchball. (Foto: Niels P. Joergensen)

Trotz der Fitness und ausgefeilten Technik einer 52-Jährigen unterliegen Kolbermoors Frauen beim Tabellenführer in Berlin.

Von Andreas Liebmann

Es gibt da einen bestimmten Filmtrick, der manchmal in Werbeclips angewandt wird: Eine Person steht unbewegt in der Bildmitte, etwa in einer belebten Fußgängerzone, sie blickt in die Kamera, grinst vielleicht sogar lässig, während all das Treiben hinter und neben ihr, all die hektischen Menschen bei Weihnachtseinkäufen, unscharf im Zeitraffer durchs Bild wuseln. Wollte man die Tischtenniskarriere von Ding Yaping in ein Bild packen, man müsste vielleicht genau mit diesem Trick arbeiten.

Als ihre Karriere damals in China begann, da gab es noch keine Beschränkung auf rote und schwarze Beläge, es ging noch bunt zu, manche waren blau oder orange. Seit sie 1992 nach Deutschland kam, als Elfte der Weltrangliste, haben sich um sie herum viele weitere Dinge verändert. Die Bälle wurden größer, die Sätze kürzer, das Material entwickelte sich rasant, ließ neue Spielstile entstehen, als Letztes löste der Plastikball das Zelluloid ab. Athletischer ist dieser Sport geworden, dynamischer. Gerade für Abwehrspieler wie Ding stellten einige dieser Reformen gravierende Einschnitte dar, die eher nicht zu ihrem Vorteil waren. Doch egal wie schnell sich die ganze Tischtenniswelt um sie herum auch veränderte, Ding Yaping steht immer noch so stoisch wie eh und je an der Platte - auch wenn sie dabei eher selten lässig grinst. Inzwischen ist sie 52. Seit dieser Saison tritt sie in der Bundesliga für den SV-DJK Kolbermoor an, und selbst halb so alte Gegnerinnen haben noch immer Mühe, sich gegen ihre Spielweise durchzusetzen.

Am vergangenen Sonntag hatte Ding in Berlin Matchball. 11:9, 11:8 und 10:9 führte sie. Ihre Gegnerin Nina Mittelham vom TTC Berlin Eastside ist 23, also fast drei Jahrzehnte jünger als sie, deutsche Nationalspielerin, Nummer 41 der Welt. Mittelham spielt gerne gegen Abwehr, und blaue Tischtennisbeläge kennt sie höchstens aus Erzählungen. "Das wäre das Break gewesen, das wir gebraucht hätten", sagte Kolbermoors Trainer Michael Fuchs später; der Punkt, der die Wende hätte bringen können. Doch Ding nutzte den Matchball nicht. Mittelham, die in den ersten beiden Durchgängen Führungen verspielt hatte, gewann die folgenden Sätze 12:10, 11:7, 11:6. Drei Spiele später hatte Tabellenführer Berlin das Duell mit dem Herausforderer, dem Vorjahreszweiten und Pokalsieger von 2019, mit 6:2 für sich entschieden.

"Wir hätten gewinnen müssen, um das Ding am Laufen zu halten", wusste Fuchs. Er meinte damit den Kampf um den Titel. In dieser Saison gibt es anders als in den Vorjahren keine Playoffs. Der TTC aber hatte sich tags zuvor bereits beim anderen Verfolger Bad Driburg durchgesetzt, er hat nun vier Punkte Vorsprung auf Kolbermoor und das bessere Spielverhältnis. Die Meisterschaft ist nach sechs von 16 Partien fast schon abgehakt, Fuchs blickt nun auf das Final Four im Pokal, das in einem Monat stattfindet - ihre andere Chance, den einen Titel zu holen, den sie als Ziel ausgegeben haben. "Einen Titel zu holen, ist keine Selbstverständlichkeit", betont Fuchs sicherheitshalber, Berlin strebe diesen Erfolg schließlich auch an. Doch immerhin habe die Niederlage in der Hauptstadt gezeigt, dass man sich nicht vor dem Favoriten verstecken müsse. Selbst Berlins Manager Andreas Hain räumte ein, dass der Sieg glücklich war. Fuchs befand: "Es hätte auch 6:3 für uns ausgehen können."

Allzu viel Glück hatten die Gäste tatsächlich nicht. Von vier Fünfsatzspielen gewannen sie keines. Schon die Doppelkonstellation war ungünstig, weil Ding und Svetlana Ganina als reine Verteidigerinnen in Mittelham und Shan Xiaona auf ein Duo trafen, das sehr effektiv gegen Abwehr spielt - die beiden waren chancenlos. Liu Jia und Lily Zhang aber führten im fünften Satz bereits 7:3 gegen Berlins Ekholm/Pota, vergaben aber diese Chance auf den Ausgleich.

Was möglich gewesen wäre an diesem Tag, zeigten Kristin Lang und Lily Zhang. Kolbermoors US-Amerikanerin Zhang fügte der Schwedin Matilda Ekholm deren erste Einzelniederlage dieser Saison zu, deutlich in drei Sätzen. Und Lang hatte sich zuvor gegen Yu Fu durchgesetzt. Die chinesischstämmige 41-Jährige hatte erst im Juni den Einzeltitel bei den European Games gewonnen und für Portugal maßgeblich dazu beigetragen, Deutschland bei der Mannschafts-EM im September im Viertelfinale zu bezwingen. Gegen Lang aber kassierte sie ein 11:13, 9:11, 6:11, das Fuchs sogar noch etwas erstaunlicher fand als Zhangs Vorstellung. "Die klaren Spiele haben wir gewonnen, die engen sind weggegangen", fasste er frustriert zusammen, dennoch hätten ihn gegen Berlin alle überzeugt. Auch die Österreicherin Liu Jia, die bei ihrem ersten Saisoneinsatz ohne Sieg blieb.

Ohnehin, der neue Kader: Kolbermoor hatte vor dieser Saison für den Angriff auf Berlin unter anderem Zhang und Ding verpflichtet (woraufhin Berlin Yu Fu holte). Fuchs ist mit beiden sehr zufrieden. Zhang steht mit einer 5:2-Bilanz sowieso gut da, und auch Ding sei wie erwartet "hinten eine Bank". Sie sei fitter als viele Junge. Dass ihre ökonomische Art zu spielen manchmal so wirkt, als müsste sie sich gar nicht viel bewegen, als flögen die Bälle vielmehr immer genau zu ihr hin, sei natürlich eine Täuschung, versichert Fuchs. "Wer immer richtig steht, hat sich vorher schon gut bewegt", argumentiert er, "wahrscheinlich bewegt sie sich also sogar mehr als andere."

Das würde nicht so ganz zu dem Bild mit dem Filmtrick passen. Aber zumindest für einen Werbeclip wäre die Partie in Berlin ohnehin nicht geeignet gewesen. 125 Zuschauer sahen dieses Spitzenspiel, "und davon waren 35 von uns", so Fuchs. Das fand er "jämmerlich".

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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