Tischtennis:Der schnelle Älteste

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Beim World Cup in Paris überzeugen die deutschen Profis Dimitrij Ovtcharov und Timo Boll - der 37-Jährige besticht mit hohem Tempo.

Von Ulrich Hartmann, Paris/Düsseldorf

Die Familienväter Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov sind am Wochenende ohne ihre kleinen Töchter ins Disneyland nach Paris gefahren. Das ist natürlich gemein, aber was soll man schon erwarten von Vätern, die ohnehin jeden Tag zum Spielen in die Arbeit gehen. Anders als andere Besucher haben die beiden deutschen Tischtennisprofis im Vergnügungspark aber auch kein Vermögen ausgegeben, sondern eine stattliche Summe von dort mitgenommen.

Beim mit einer Viertel Million US-Dollar dotierten World Cup, dem drittwichtigsten globalen Wettbewerb nach Olympia und Weltmeisterschaft, ging es in der Event-Arena des Freizeitparks um respektable Preisgelder. Ovtcharov verlor das Spiel um Platz drei gegen den Chinesen Lin Gaoyuan mit 1:4, konnte sich mit 14 000 Dollar aber darüber hinwegtrösten. Boll erreichte sogar das Finale gegen den chinesischen Weltranglisten-Ersten Fan Zhendong, war dann aber wohl doch etwas müde und verlor dieses 1:4 (-9, -5, -6, 9, -8). Der Sieger erhielt 60 000 Dollar, der Unterlegene immer noch 40 000. Für beide Deutsche war das Turnier nach gesundheitlichen Problemen im Sommer ein großer Schritt zurück zur besten Form. "Mit beiden Spielern im Halbfinale des World Cups vertreten zu sein, ist ein starkes Ergebnis", sagte der Bundestrainer Jörg Roßkopf.

4:0 für Timo Boll: Der Europameister bezwang Teamkollege Dimitrij Ovtcharov in Paris zum vierten Mal in diesem Jahr. (Foto: Ye Pingfan/Xinhua/Imago)

Die Setzliste hatte bestimmt, dass einer der beiden Deutschen frühestens im Finale auf einen der beiden Chinesen treffen konnte, denn Fan Zhendong und Lin Gaoyuan standen sich im oberen Turniertableau, Boll und Ovtcharov im unteren. Dass die beiden Trainingspartner aus dem Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf aber tatsächlich im unteren Halbfinale aufeinandertrafen, war nicht zu erwarten gewesen. Denn Ovtcharovs Oberschenkelhals-Entzündung und Bolls Rückenbeschwerden sind noch nicht lange abgeklungen. Als Ovtcharov, 30, im vergangenen Jahr noch beschwerdefrei spielte, besiegte er Boll bei den China Open, den German Open und beim World Cup in Lüttich jeweils im Endspiel. Seit er seine Form verlor, gewann Boll, 37, alle vier Duelle: beim European Top 16 in Montreux, im Hin- und Rückspiel des Champions-League-Finales zwischen Düsseldorf und Orenburg im Mai und am Sonntag in Paris im Halbfinale. 62 Minuten lang droschen sich die beiden befreundeten Spieler die Bälle um die Ohren, ehe Boll mit 4:2 gewann. Es war eine spektakuläre Show.

Schon im Erstrundenspiel gegen den Schweden Mattias Falck und erst recht im zweiten Match gegen den 22 Jahre jüngeren Japaner Tomokazu Harimoto, 15, spielte Boll ein für einen 37-Jährigen geradezu unglaubliches Tischtennis. Harimoto agiert stets mit dem Tempo eines Superhelden, aber wie Boll dieses Tempo mitgehen und souverän in 4:1 Sätzen gewinnen konnte, war außergewöhnlich. "Ich habe fantastisch gespielt", sagte Boll nach dem Sieg über Harimoto. So euphorisch spricht der Odenwälder nur selten über sich.

Dieser unterlag im Spiel um Platz drei gegen den Chinesen Lin Gaoyuan. (Foto: dpa)

Acht Monate, nachdem er noch einmal zum ältesten Weltranglisten-Ersten der Tischtennis-Historie avanciert war, und zwei Wochen, nachdem er in Alicante ältester Einzel-Europameister wurde, hatte er bei seiner 15. World-Cup-Teilnahme zum sechsten Mal das Finale erreicht. 2002 und 2005 gewann er dieses, 2008, 2012 und 2017 unterlag er. Mit Boll, Ovtcharov (2017) und Roßkopf (1998) haben schon drei Deutsche den World Cup gewonnen. Vor einem Jahr standen mit Boll und Ovtcharov sogar beide Deutsche im Endspiel, nachdem Boll die Chinesen Lin Gaoyuan und Ma Long bezwungen hatte. Nur gegen Fan Zhendong konnte er nie gewinnen, auch diesmal nicht.

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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