Tischtennis:Bundesligist gibt auf

Lesezeit: 3 min

Der TuS Bad Driburg kapituliert vor Corona - im Frauen-Tischtennis steht der Fortbestand der höchsten Spielklasse infrage.

Von Ulrich Hartmann, Bad Driburg/Düsseldorf

Tischtennis war in Bad Driburg östlich von Paderborn immer eine bedeutsame Angelegenheit. Wenn für das 19 000-Einwohner-Städtchen Branchengrößen wie Olga Nemes, Kristin Silbereisen, Irene Ivancan oder Nina Mittelham in der Bundesliga spielten, dann haben viele örtliche Restaurants und Imbissbuden, Einzelhändler, Dienstleister und Handwerksbetriebe gemeinsam den fünfstelligen Saisonetat finanziert. Bundesliga-Tischtennis diente hier zwei Jahrzehnte lang der sportlichen Identifikation.

Die Mannschaft stand auf Platz zwei der Tabelle, so gut wie ewig nicht mehr, als der langjährige Teammanager Franz-Josef Lingens Mitte März tatsächlich 128 örtliche Sponsoren zur Finanzierung der nächsten Saison zusammengetrommelt hatte. Andere Einnahmequellen gibt es nicht - das Eintrittsgeld der bis zu 100 Zuschauer, die meisten davon Sponsoren mit Dauerkarten, reicht oft gerade mal für die Bezahlung der Schiedsrichter. "Es sah alles sehr gut aus", sagt Lingens am Telefon, aber er klingt jetzt deprimiert, denn gleichzeitig mit dem Erlahmen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft durch die Corona-Krise erhielt er von zwei Dritteln seiner vielen Klein- und Kleinstsponsoren Signale, dass man den Tischtennisklub wohl doch nicht mehr unterstützen könne.

In der nächsten Saison sind nur noch sieben Klubs mit dabei

In dieser Woche hat sich der TuS Bad Driburg aus der Frauen-Bundesliga zurückgezogen. "Ich bin total down", sagt Ehrenamtler Lingens, 73. Seine Mannschaft ist Deutschlands erstes sportliches Corona-Opfer unter den Bundesligisten verschiedener Sportarten, aber schlimmer noch ist: Dadurch geht hier eine Ära zu Ende.

Die Tischtennis-Bundesliga der Frauen spielt sich weitgehend in der Provinz ab. Städtchen wie Kolbermoor (mit Nationalspielerin Kristin Lang), Schwabhausen (mit Nationalspielerin Sabine Winter) oder Langstadt (mit Nationalspielerin Petrissa Solja) kratzen Jahr für Jahr das Geld örtlicher Sponsoren zusammen, um einige der besten Spielerinnen der Welt in ihren Trikots präsentieren zu können. Für Bad Driburg spielten in dieser Saison die niederländische Weltranglisten-30. Britt Eerland und die luxemburgische Meisterin Sarah de Nutte, beides Vollprofis. Sie trainierten nicht in Bad Driburg und wohnten auch nicht dort. Eerland trainierte in den Niederlanden mit ihrer Nationalmannschaft und de Nutte im Deutschen Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf. Nur zu den Spielen kamen sie nach Bad Driburg. Bis zu 25 000 Euro pro Saison verdienen Topspielerinnen in der Bundesliga. Aber das Gefälle ist groß, viele bekommen auch nur ein paar Tausend Euro.

Doch selbst das können sich die meisten Provinzklubs nicht leisten. Nur neun Teams spielten in dieser - mittlerweile abgebrochenen - Saison in der Bundesliga. Der langjährige Erstligist TV Busenbach hatte schon vor der Corona-Krise angekündigt, seine Mannschaft mangels Sponsoren abzumelden, nun zieht auch Bad Driburg zurück, der TTK Anröchte steigt ab. Der Zweitliga-Spitzenreiter TTC Weinheim will nicht aufsteigen, und mit dem derzeitigen Zweitliga-Zweiten ESV Weil käme die Bundesliga in der nächsten Saison auf nur noch sieben Mannschaften.

Mit weniger hat man nie gespielt. Ligachef Kolja Rottmann rechnet nicht damit, dass sich noch ein achtes Team meldet. Man nähme es mit Kusshand. Bis zum 15. April läuft eine Nachmeldefrist. "Doch viele sind nicht gerade auf Rosen gebettet", sagt Rottmann. Bad Driburgs Manager Lingens fürchtet sogar, dass weitere Erstligisten finanzielle Probleme bekommen. Im Frauen-Tischtennis ist die Existenz einer kompletten Bundesliga in Gefahr.

Berlin ist seit Dienstag Meister. Aber "Freude kommt nicht auf"

Branchenprimus und zum sechsten Mal binnen sieben Jahren Meister ist der TTC Eastside Berlin. Für ihn spielen in dieser Saison die deutschen Nationalspielerinnen Xan Shiaona und Nina Mittelham sowie die beste Schwedin Matilda Ekholm und die beste Portugiesin Fu Yu. "Ihre Dominanz ist noch krasser als die von Bayern München im Fußball", sagt Bad Driburgs Manager Lingens. Drei Mal gewann Berlin das Triple. Doch das Jahr 2020 erhielt soeben einen Dämpfer. Am Dienstag wurde die Saison vorzeitig für beendet und Berlin zum Meister erklärt. "Die ganz große Freude kommt da nicht auf", sagt Eastside-Manager Andreas Hain, "den Umständen ist geschuldet, dass wir diesen Glücksmoment nicht erleben durften, wenn man im Spiel weiß, dass man soeben den entscheidenden Punkt geholt hat, der einen zum Meister macht."

Von solchen Augenblicken haben sie in Bad Driburg jahrelang ohnehin nur geträumt, aber jetzt ist ein viel bittererer Moment Wirklichkeit geworden: das endgültige Aus für das örtliche Bundesliga-Tischtennis. Lingens sagt, er sei zu alt, um noch einmal einen Anlauf zu nehmen, und die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft seien sowieso nicht absehbar. Für den 27. Juni ist eigentlich eine große Gala anberaumt, Bad Driburg will 50 Jahre Tischtennis feiern. Doch im Moment ist Lingens nach Feiern überhaupt nicht zumute.

© SZ vom 05.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: