Tiefer Fall:Kein Ende der Raserei

Lesezeit: 2 min

Der Finne Matti Nykänen war früher ein Skisprung-Idol. Nach seiner Karriere zog er als Stripper durchs Land, raubte Geschäfte aus und nahm Drogen. Wegen versuchten Totschlags saß er im Gefängnis. Kurz nach seiner Entlassung wurde er rückfällig und verprügelte er seine Frau.

Gerhard Fischer

Als der große Skispringer Matti Nykänen wegen versuchten Totschlags im Gefängnis saß, hat er ein Lied geschrieben mit dem sinnigen Titel "Adler und Knastvogel". Es ist darin viel von Reue die Rede gewesen.

Matti Nykänen gemeinsam mit seiner Frau Merja Tapola. Schon "129 Mal" getrennt. (Foto: Foto: AP)

In der vergangenen Woche wurde Nykänen nun aus der Haft entlassen - und nicht einmal hundert Stunden später packte er im Vollrausch seine Frau Mervi Tapola, warf sie nieder, stieß ihren Kopf mehrmals gegen den Fußboden und verprügelte sie mit einer Lampe.

So berichtete es Mervi Tapola, die ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Anzeige hat sie bisher nicht erstattet. Nykänen wurde deshalb nach einem Verhör vorerst wieder freigelassen.

Vielleicht der beste Skispringer, den es je gab

Matti Nykänen, 42, aus Jyväskylä in Mittelfinnland, ist in den achtziger Jahren viermal Weltmeister geworden, er hat vier olympische Goldmedaillen und zweimal die Vier-Schanzen-Tournee gewonnen. Nykänen war vielleicht der beste Skispringer, den es je gegeben hat.

Aber schon als Sportler hat er zu viel getrunken und sich zu oft in Nachtclubs mit Gästen geprügelt, und keiner hat ihn gebremst in seiner Raserei. In seiner Heimat war Nykänen ein Held; es waren wohl gerade seine Schwächen, die ihn anziehend machten.

Als Nykänen seine Karriere beendete, zog er als Sänger und Stripper durch Finnland, raubte Geschäfte aus und verkaufte seine Medaillen, als er kein Geld mehr hatte. Er nahm Drogen und versank in Depressionen, hat fünfmal geheiratet und drei Kinder gezeugt, und er hat immer wieder viel getrunken. Wenn er trinkt, wird Matti Nykänen, der nur 1,73 Meter groß ist, sehr gewalttätig.

Im Februar 2003 hat er seine Frau Mervi mit dem Messer am Arm verletzt, angeblich deshalb, weil sie sich weigerte, ihm ein Auto zu kaufen. Nykänen wurde zu vier Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Matti Nykänen und Mervi Tapola haben sich damals scheiden lassen und später wieder geheiratet, es geht immer hin und her bei den beiden voneinander Abhängigen. Auf Internetseiten machen sich Fans darüber lustig, dass sie sich "schon 129 Mal" getrennt haben.

"Es wird noch etwas Schlimmeres nachkommen"

Zuletzt saß Nykänen im Gefängnis, weil er im Suff einen Bekannten niedergestochen hatte. Die beiden hatten sich in einem Sommerhaus im finnischen Tottijärvi über die Regeln beim Fingerhakeln gestritten. Das damals 59-jährige Opfer erlitt ernste, aber nicht lebensgefährliche Verletzungen, und Matti Nykänen wurde wegen versuchten Totschlags zu 26 Monaten Haft verurteilt, von denen er nur 13 absitzen musste.

Er hatte sich während des Gefängnisaufenthalts einer Entziehungskur unterzogen und erlitt - angeblich infolge dieser Kur - einen Herzanfall. Nun verließ er das Gefängnis und schlug offenbar gleich wieder zu. "Matti Nykänen wird die Kurve nie mehr kriegen", sagt der Salzburger Journalist Egon Theiner, der die Nykänen-Biografie "Grüße aus der Hölle" geschrieben hat, "im Gegenteil: Es wird noch etwas Schlimmeres nachkommen."

In Finnland ist der einst große Skispringer Matti Nykänen längst kein Idol mehr, alle sprechen nur noch vom "Sorgenkind Nykänen" und von einer "sehr tragischen Geschichte", die einfach nicht zu Ende gehen will und deren Ursprung möglicherweise in der Kindheit des vernachlässigten jungen Matti zu finden ist.

In den Zeitungen kommen nun Psychologen zu Wort und meinen, dass eine Therapie für Matti Nykänen die "einzig denkbare Rettung" wäre.

© SZ vom 29.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: