Thomas Springstein:Star-Trainer unter Dopingverdacht

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Die Magdeburger Staatsanwaltschaft hat im Haus des umstrittenen Trainers Dopingsubstanzen gefunden.

Von Thomas Kistner und Javier Cáceres

Am Montag sollten Grit Breuer und Thomas Springstein eigentlich im Klub der Besten auftauchen, in Kyllani Beach auf dem Peleponnes, um das traditionelle Beisammensein der deutschen Olympia-Helden nach den Spielen zu bereichern.

Thomas Springstein, Trainer des Jahres 2002. (Foto: Foto: dpa)

Aufgetaucht sind sie dort nicht, vermeldete gestern Organisator Werner von Moltke, Chef des Deutschen Volleyballverbandes, und die aktuelle Nachrichtenlage in Deutschland legt nahe, dass das Leichtathletik-Pärchen dringendere Aufgaben zu bewältigen hat in nächster Zeit.

Am Dienstag hatte sich ein halbes Dutzend Kripobeamte Zutritt zu Springsteins Wohnung in Gerwisch verschafft, vor den Toren Magdeburgs. Dabei wurden seine persönlichen Sachen, von ihm genutzte Räume und Behältnisse auf richterliche Anordnung durchsucht, teilte die Magdeburger Staatsanwaltschaft mit.

Gefunden wurden verbotene Substanzen, der Leitende Oberstaatsanwalt Rudolf Jaspers benannte den Wirkstoff Testosteron-Undecanoat, der etwa in dem Arzneimittel Andriol enthalten ist. Andriol wird gegen Testosteron-Mangel angewendet, in den Gegenanzeigen wird auf die Gefahr von Brustkrebs für Frauen hingewiesen.

Insofern ist es sehr beunruhigend, dass der Hinweis auf mögliche Doping-Umtriebe Springsteins aus dessen überwiegend weiblichen Trainingsgruppe beim SC Magdeburg kam.

"Die haben ihr eigenes Ding gemacht"

Martin Sanne, Sportlicher Leiter des SC, berichtete gestern entsetzt, wie am Dienstag auch auf dem Stadiongelände ein halbes Dutzend Kripobeamte angerückt sei, um Befragungen unter sechs, sieben Mitgliedern der "Sport- und Laufschule Grit Breuer" durchzuführen - also unter jenen Mitgliedern, die direkt von Thomas Springstein betreut werden.

Zu denen zählt auch der Sydney-Olympiasieger Niels Schumann. Springstein war gestern nicht zu erreichen, laut Sanne will er rasch aus dem Urlaub mit Lebensgefährtin Breuer (angeblich in Griechenland) zurückkehren.

Die "Sport- und Laufschule" der beiden ist eine eigenständige Organisation im SC Magdeburg und hat etwa 20 Mitglieder (bei offiziellen Wettkämpfen laufen sie unter dem Dach des SCM). "Die haben ihr eigenes Ding gemacht", sagte ein SCM-Funktionär.

Springstein, den der Deutsche Leichtathletikverband (DLV) seit Jahren umgarnt, als Heimtrainer vergütet und sogar bereits als "Trainer des Jahres 2002" geadelt hatte, genoss in Magdeburg offenbar freie Hand. Gestern telefonierte Sanne mit ihm. "Er wirkte geschockt, hat sich aber zur Sache nicht geäußert."

Sanne sagt, er habe sich persönlich für Springsteins Anstellung seit 1998 als Hauptamtlicher verwendet. Der Coach hätte "eine zweite Chance" verdient gehabt, nun ist Sanne "menschlich enttäuscht". Das Gehalt trage ein aus verschiedenen Finanzierungsquellen bestückter "Trainerpool Sachsen-Anhalt".

Springstein ist mit Grit Breuer liiert, der EM-Zweiten über 400 m, die 1992/93 wie Katrin Krabbe in beide Doping-Affären verwickelt war. Das Duo war wegen Medikamentenmissbrauchs für Jahre gesperrt worden. Springstein, damals als DLV-Trainer entlassen, galt als erkennbarer Drahtzieher der Fälle.

Springstein soll Jugendliche gedopt haben

Doch nach Breuers WM-Triumph '97 mit der 4x400-m-Staffel in Athen wurde er wieder Honorartrainer des DLV. Der Vertrag lief Ende 2002 aus. Die neue Affäre droht schwerer zu wiegen als alle davor.

Laut Staatsanwaltschaft gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Springstein mehreren zum Teil jugendlichen Mitgliedern seiner Trainingsgruppe regelmäßig Arzneimittel mit Dopingwirkstoffen verabreicht haben soll, die zu Gesundheitsschäden führen können. Springstein betreut in einem so genannten Anschlusskader fünf Mädchen im Alter von 17 und 18 Jahren.

Aus diesem Kreis, so bestätigte gestern der nach den Athen-Spielen zurückgetretene DLV-Vorständler Rüdiger Nickel, sei im Juli der entscheidende Hinweis an den Verband ergangen.

"Es kam zu einer Anhörung der Beteiligten" durch DLV-Vertreter unter Führung des Antidopingbeauftragten Theo Rous, danach seien "unverzüglich die rechtlichen Schritte eingeleitet" worden. Am 2. August, kurz vor Olympia, erstattete der DLV Strafanzeige gegen den Honorartrainer, machte es aber nicht öffentlich.

Die Großzügigkeit des DLV wirft Fragen auf

Ein seltsames Procedere, das nun auch Breuers Olympiateilnahme in trübes Licht taucht. Die musste sich über keinerlei Einzelwettkämpfe qualifizieren, ein 4x100-m-Staffellauf bei den Deutschen Meisterschaften sowie ein inoffizieller Lauf im Leistungszentrum Kienbaum genügten.

Die anderen Athen-Fahrer mussten allesamt Normen und Wettkämpfe vorweisen - da wirft die Großzügigkeit des DLV im Fall Springstein/Breuer Fragen auf. Zudem hat der Coach selbst aus seiner fragwürdigen Haltung nie einen Hehl gemacht. "Doping", sagte er einmal, "fängt in dem Moment an, wo man gegen das Reglement verstößt." Man darf sich nur nicht erwischen lassen.

© Süddeutsche Zeitung vom 30.09.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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