Theatralik beim Fußball:Sie können gar nicht anders!

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Seit dem Wochenende wird mal wieder heftig diskutiert: Hätte sich Rafael van der Vaart nach Rafinhas Orfeige so theatralisch fallen lassen müssen? Muss diese Schauspielerei sein? Ja, sie muss.

Jürgen Schmieder

Eines gleich vorneweg: Es geht hier nicht um die so genannten "Schwalbenkönige", jene Spezies, die in Andreas Möller ihr Lebensidol gefunden hat. Die bei jedem Zweikampf in Straufraumnähe abheben, als wollten sie den Weitflug-Wettbewerb mit anschließendem Abrollen gewinnen.

Die verdiente Strafe: Rafinha sieht rot. Aber hätte Rafael van der Vaarts Abgang zuvor so dramatisch ausfallen müssen? (Foto: Foto: dpa)

Es geht vielmehr um die "Geschlagenen", die von ihrem Gegenspieler eine Ohrfeige verpasst bekamen. Die dann zu Boden stürzen, als hätte Mike Tyson persönlich auf sie eingeprügelt, um eine rote Karte für den Gegenspieler zu provozieren. Ihr Verhalten wird als unsportlich gebrandmarkt, van der Vaarts Aussage "Das ist nun mal professioneller Fußball" als skandalös bezeichnet.

Aber mal ehrlich: Was soll der Geohrfeigte denn anderes machen? Wenn jemand auf der Straße geschlagen wird, unternimmt er doch auch, was in seinen Möglichkeiten steht, damit der Täter seiner Strafe zugeführt wird. Zur Polizei gehen etwa. Das kann ein Fußballer nicht tun. Ihm stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

1. Zurückschlagen oder Schubsen

Eine törichte Alternative. Denn vielleicht hat der Schiedsrichter die erste Tätlichkeit nicht bemerkt, die zweite sieht er garantiert. Also entweder werden beide vom Platz gestellt, oder eben nur der, der die zweite Tätlichkeit begeht.

2. Abwarten und bei der nächsten Gelegenheit umsäbeln

Die unsportlichste Variante. Denn ein Revanchefoul wird nicht nur mit der roten Karte, sondern wegen der Brutalität auch mit mehreren Spielen Sperre belegt. Zugleich gibt der Spieler damit zu, dass er seine Nerven nicht unter Kontrolle hat und gerne ausrastet.

3. Den Verstoß beim Schiedsrichter anzeigen

Diese Variante kommt dem theatralischen Umfallen sehr nahe. Im Männersport Fußball wird Petzen ebenso ungern gesehen wie der sterbende Schwan. Der Täter wird vielleicht vom Platz fliegen, aber wirklich sportlich ist die Petzerei auch nicht.

4. Stehenbleiben und abwarten

Und dann? Wenn alle vier Unparteiischen das Vergehen nicht mitbekommen haben, wird gar nichts passieren. Das Spiel geht weiter, als ob nichts passiert wäre, der Täter darf weiter mitspielen und erhält keine Strafe. Und ein Schlag ins Gesicht ist nun einmal ein rot-würdiges Vergehen. Nur mit Glück und einem aufmerksamen Schiedsrichter wird das Vergehen geahndet. Und der hat in einem Getümmel viel mehr zu tun als auf Ohrfeigen zu achten, die nur den Bruchteil einer Sekunde dauern.

5. Sich das Gesicht halten

Wenn die Ohrfeige nicht wirklich schmerzt, gehört diese Alternative auch schon in die Kategorie "Schauspielerei". Sich die Wange zu halten, als käme man gerade vom Kieferorthopäden, macht also genausowenig Sinn wie das zu-Boden-werfen. Außerdem könnte der Schiedsrichter dann nur auf eine gelbe Karte entscheiden, weil es wohl doch nicht so schlimm war. So erging es einmal Lothar Matthäus, als ihm Andreas Möller im Gesicht herumfuchtelte.

Keine andere Möglichkeit

Was bleibt einem Fußballer also übrig, wenn er will, dass sein Gegenspieler eine gerechte Strafe erhält? Er wird quasi dazu gezwungen, sich auf den Boden zu werfen, um eine rote Karte zu erreichen. Ob das nun sportlich ist oder nicht: Die Möglichkeiten sind begrenzt.

Und doch: Es ist ziemlich lustig, Rafael van der Vaart als fliegenden Holländer zu beobachten.

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