Tennisspieler alter Schule:Mit Holz gegen den Topspin

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Jonas Björkman ist ältester Halbfinalist in Wimbledon seit Jimmy Connors, die Konkurrenz freut sich mit ihm.

Claudio Catuogno

Jonas Björkman hatte sogar noch Kraft für ein Tänzchen. Er war nun nicht mehr der betagte Tennisprofi, der sich immer öfter fragen lassen muss, warum er überhaupt noch mitspielt in seinem Alter.

Konnte nach seinem Sieg im Viertelfinale die ganze Welt umarmen: Jonas Björkman. (Foto: Foto: Reuters)

Er warf die Beine in die Luft wie ein ausgeflippter Teenager, als habe er gerade die Führerscheinprüfung oder etwas ähnliches bestanden. Dann schlang er die Arme um seinen Körper, verbeugte sich nach allen Seiten, und jeder verstand sofort, was damit gemeint war. Nicht sich selbst wollte Björkman umarmen, sondern alle hier, ganz Wimbledon, die ganze Welt.

"Das ist der großartigste Moment für mich", sagte er. "Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas noch einmal erreichen würde." Am Freitag darf Jonas Björkman, 34, aus Alvesta in Småland, Schweden, zum ersten Mal in seiner Karriere um den Einzug ins Endspiel von Wimbledon spielen, als ältester Halbfinalist seit Jimmy Connors 1987.

Die Ü30 darf wieder träumen

Es gibt kaum jemanden im Tenniszirkus, der das dem alten Schweden nicht gönnt. Björkman ist eine Art Entertainer der Szene, seine Parodien auf Weggefährten wie Boris Becker, Stefan Edberg oder Pete Sampras werden heute noch gerne genommen. Außerdem hat er ein Faible für Telefonstreiche. Einmal bat er das schwedische Davis-Cup-Team im Namen des Fürsten von Monaco zum Palastdinner. Ständig ruft er unter falschem Namen irgendwen an.

Im Herzen ist Björkman ein frecher Junge geblieben, der einfach nicht erwachsen werden will. Da hat es schon seinem Charme, dass ausgerechnet er am Freitag gegen Roger Federer, 24, die Ehre der Alten gegen die neue Tennisgeneration verteidigen darf. Die Times schreibt, Björkman trage nun "die Hoffnungen und Träume all derer weiter, die, wenn sie im Tennis die 30 erreicht haben, vorschnell als Männer von gestern abgeurteilt werden".

Wenn es nach Radek Stepanek gegangen wäre, hätte es nicht so weit kommen dürfen. Im Viertelfinale gegen Björkman hatte der Tscheche zwei Matchbälle. Auf der Tribüne presste seine Freundin Martina Hingis die Lippen aufeinander, aber Stepanek vergab beide, und am Ende tanzte Björkman vor Freude - 7:6, 4:6, 6:7, 7:6, 6:4. Stepanek ist 27, aber auf dem Platz wie Björkman ein Vetreter der alten Tennisschule. Manchmal mochte man zweimal hinsehen, um sich zu versichern, dass die beiden nicht etwa noch mit Holzschlägern hantieren.

Den extremen Topspin, der mittlerweile üblich ist, haben sie sich gar nicht erst angewöhnt, sie schieben ihre Bälle noch gerade und mit Bedacht ins Feld, pflegen den Slice und können auch im Halbfeld einen präzisen Volley spielen. Beide eilen regelmäßig ans Netz, aber die veränderte Gras-Sorte und die schwereren Bälle machen es den Serve-and-Volley-Freunden nicht leicht. Dass Björkman auf diese Art auch gegen Roger Federer, den Champion der vergangenen drei Jahre, gewinnen kann, zieht in Wimbledon eigentlich niemand ernsthaft in Erwägung.

Morgens, sagt Jonas Björkman, fühle er sich oft steif in den Knochen

Aber darum geht es auch gar nicht mehr. Mit seinem Halbfinale gegen Federer (Rafael Nadal, 20, trifft anschließend auf Marcos Baghdatis, 21) hat Jonas Björkman schon mehr erreicht, als er zu träumen gewagt hätte. "Ich hätte nie für möglich gehalten, dass mein Körper nochmal ein Grand-Slam-Halbfinale für mich bereithält", sagt er. In den ersten fünf Monaten des Jahres hatte er ganze zwei Spiele gewonnen, bei sieben Turnieren scheiterte er in der ersten Runde. Er dachte ans Aufhören, nach 15 Jahren als Profi, oder zumindest daran, sich in Zukunft aufs Doppel-Spielen zu beschränken.

Das konnte er sowieso schon immer besser - 47 seiner 53 Turniersiege hat er im Doppel vollbracht, hier steht er in den Rankings immer noch an der Spitze, hier gewann er mit dem Australier Todd Woodbridge dreimal hintereinander in Wimbledon. Im Einzel hatte es Björkman bisher lediglich einmal in ein Grand-Slam-Halbfinale geschafft: 1997 bei den US Open. Er sagt: "Wenn Sie mich vor zwei Wochen zu meinen Wimbledon-Ambitionen gefragt hätten, wäre ich froh gewesen, hier die erste Runde zu überstehen." Dort besiegte er Thomas Johansson, anschließend setzte er sich auch gegen Lukas Dlouhy, Daniele Bracciali, Max Minardi und eben Stepanek durch.

Morgens, sagt Jonas Björkman, fühle er sich oft steif in den Knochen. Dann spielt er eine Partie Doppel - und schon ist der Körper wieder in Schwung. Manchmal gelangen ihm gegen Stepanek vier sensationelle Returns in Serie. Dann schien es wieder, als habe Björkman einfach nicht mehr die Kraft für ein Grand-Slam-Turnier, wie ein älterer Arbeitnehmer, der nun plant, die Arbeitszeit ein bisschen zu reduzieren. Aber es gibt keine Altersteilzeit im Wimbledon-Halbfinale. "Das sind die Spiele, um die dich jeder beneidet", sagt er. Er wird sich also nochmal zusammenreißen, um eine gute Figur abzugeben. Björkman ist schließlich auch ein bisschen eitel. Besitzt 20 Sonnenbrillen. Und ist ein Ordnungsfreak. Aber das ist schon besser geworden: Gerade erst hat er sich abgewöhnt, gebrauchte Wäsche nur akkurat gefaltet aufzubewahren.

© SZ vom 07.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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