Tennis:Trost von den Rängen

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Alexander Zverev muss abreisen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Beim Münchner Turnier haben sich die letzten deutschen Teilnehmer verabschiedet. Auch der an Nummer eins gesetzte Titelverteidiger Alexander Zverev verliert im Viertelfinale.

Von Max Ferstl

Für ein paar Momente glaubte Alexander Zverev, dass er gewonnen hatte. Dass sein Gegner Christian Garin im Viertelfinale der BMW Open, des Münchner Traditionsturniers, den Ball ins Aus geschlagen hatte. Dass endlich eines dieser knappen Spiele auf seine Seite gekippt war, die zuletzt so oft verloren gegangen waren. Doch die Schiedsrichterin glaubte all das nicht. Sie fand, Garins Ball habe die Linie berührt. Und Zverev schaute wie jemand, dem die U-Bahn vor der Nase weggefahren war.

"Es läuft gerade alles gegen mich", stellte er später fest, und übertrieb damit nicht. Da war ja noch der zweite Matchball gewesen, bei dem seine Vorhand die Linie nur um wenige Zentimeter verfehlt hatte. Es sind Momente, die den Glauben eines Spielers brechen können. Vor allem wenn dieser schon beim letzten Turnier in Barcelona verloren hatte, obwohl nur ein Punkt zum Sieg fehlte. So auch diesmal: Zverev verlor 4:6, 7:5, 5:7. Das Turnier, bei dem er seine bislang so komplizierten Saison in eine erfolgreiche Richtung lenken wollte, endete für ihn im Viertelfinale. Es läuft nicht.

Mit gesenktem Kopf war Alexander Zverev, der Sieger der vergangenen beiden Jahre, vom Centercourt des MTTC Iphitos München geschlichen, hatte kurz den Zuschauern zugewinkt, die Beifall auf ihn regnen ließen. Es klang wie Trost. Sie wussten, dass er gekämpft hatte, auch wenn er nicht gut gespielt hatte. Drei Matchbälle wehrte er im zweiten Satz ab, doch er hatte nie den konstanten Druck erzeugt, den man an guten Tagen von ihm kennt.

Immer wieder ließ sich Zverev weit hinter die Grundlinie drängen. Garin kontrollierte die Punkte und das Tempo, Zverev agierte passiv und produzierte viele Fehler - die denkbar ungünstigste Kombination im Tennis. Später sprach er von einer "Unsicherheit", die sich in sein Tennis eingeschlichen habe. Seit dem Turnier in Acapulco hat Zverev keine zwei Matches nacheinander gewonnen. Also seit Februar.

Die BMW Open produzierten in den vergangenen Jahren zuverlässig Überraschungen; meistens waren es deutsche Spieler, die hervorragten. 2018 duellierten sich Zverev und Philipp Kohlschreiber in einem deutschen Finale. Im selben Jahr gelang Maximilian Marterer der Durchbruch, der bis ins Halbfinale vordrang. Im Jahr zuvor hatte sich überraschend Yannick Hanfmann aus der Qualifikation bis ins Viertelfinale vorgespielt. In diesem Jahr ist vieles anders. "Wir Deutschen haben gerade eher eine schwierige Phase", hatte Davis Cup-Kapitän Michael Kohlmann zu Beginn des Turniers gesagt - die Woche hat diese Einschätzung bestätigt.

Alle sieben deutschen Starter im Hauptfeld sind ausgeschieden. Am Freitagabend verlor auch Philipp Kohlschreiber sein Viertelfinale gegen Matteo Berrettini: 6:4, 5:7, 4:6. Jan-Lennard Struff, der mit der stabilsten Form angereist war, war schon in der ersten Runde gescheitert. Zum ersten Mal seit 2008 hat es in München kein Deutscher ins Halbfinale geschafft. Wenn die Besten stolpern, fallen die Schwächen der anderen umso stärker auf. Oder?

Lars Uebel sieht das etwas anders, zumindest was die zweite Reihe der deutschen Spieler betrifft. Für viele ist Uebel als Cheftrainer an der Tennisbase in Oberhaching verantwortlich. Er findet, dass die Deutschen ein "normales Turnier" gespielt haben: "Die Erwartungshaltung ist immer, dass nur der Sieg zählt." Das sei aber nicht die Realität. 2019 habe es eben viele Niederlagen gegen Gegner gegeben, die in der Rangliste besser platziert seien. Man müsse die Einzelfälle betrachten.

Zum Beispiel Maximilian Marterer, aktuell auf Platz 100. Der 23-Jährige verlor gegen Juan Ignacio Londero, den Weltranglisten-80., der in diesem Jahr schon ein Turnier gewonnen hat. Marterer erlebt gerade ein typisches Jahr nach dem Durchbruch und erfährt, was es bedeutet, nicht mehr als Außenseiter anzutreten, den keiner kennt. "Im ersten Jahr wird man von einer gewissen Euphorie getragen", sagt Uebel, im zweiten stellten sich die Gegner besser ein: "Schon geht das Selbstvertrauen runter." Noch komplizierter ist die Situation bei Hanfmann, der in der Qualifikation scheiterte. Ihn plagt eine Sehnenverletzung im Ellenbogen. "Yannick hat sechs Monate kein Tennis gespielt", sagt Uebel; das dürfe man nicht vergessen.

Und genau genommen habe es ja eine kleine Überraschung gegeben: Rudolf Molleker, das wohl größte deutsche Talent, gewann eine Runde und hielt einen Satz lang gegen den an vier gesetzten Spanier Roberto Bautista Agut mit. Molleker, der eine kurze Zeit in Oberhaching trainierte, müsse sich noch stabilisieren, sagt Uebel, aber: "So wie er sich hier präsentiert hat, habe ich keine Bedenken, dass wir einen guten Mann haben." Einen, bei dem sich bald niemand mehr wundert, wenn er bei Turnieren weit kommt.

© SZ vom 04.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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