Tennis:Nummer-eins-Bezwinger

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Platz in der Sonne: Djokovic-Bezwinger Philipp Kohlschreiber. (Foto: dpa)

Philipp Kohlschreiber schlägt in Indian Wells den Weltranglistenersten Novak Djokovic.

Von Max Ferstl, Indian Wells/München

Im Augenblick seines großen Sieges schaute Philipp Kohlschreiber hoch in den Himmel. Blies die Backen auf. Grinste fast, wischte sich über das Gesicht. Was man halt so macht, wenn man im Grunde nichts tun kann, außer zu warten. Dann, endlich, bestätigte der Videoschiedsrichter: Drin! Kohlschreibers Vorhand hatte die Linie berührt - und so stand fest, dass er, Kohlschreiber, zum ersten Mal in seiner Karriere eine Nummer eins der Weltrangliste besiegt hatte. 6:4, 6:4 gegen Novak Djokovic in der dritten Runde von Indian Wells. Nach elf erfolglosen Versuchen. Nach 18 Jahren als Profi.

"Ich weiß, dass es ein ganz besonderer Sieg ist", sagte Kohlschreiber nach der Partie. Natürlich war damit nicht zu rechnen gewesen, reiner Zufall ist der Sieg allerdings nicht. Kohlschreiber, 35, spielt in Indian Wells derzeit auffallend gutes Tennis. In der ersten Runde gewann er locker, ebenso in der zweiten Runde gegen den Sieger des gerade beendeten Turniers von Acapulco, Nick Kyrgios. Kohlschreiber erlebt zum Ende seiner Karriere hin eine ziemlich erfolgreiche Phase. Wobei, "welche Phase?", fragte Kohlschreiber im Interview auf dem Centercourt: "Ich fange meine Karriere gerade erst an." Ein Scherz, natürlich.

Tatsächlich ist Kohlschreiber in der Rangliste etwas abgerutscht. Auf Platz 39 steht er derzeit. Ehe er nach Indian Wells kam, zum zweiten Höhepunkt des Tennisjahres nach den Australian Open, hatte er drei Mal nacheinander in der ersten Runde verloren. Zuletzt, in Dubai, hatte er zwar Roger Federer einen Satz abgerungen. Aber am Ende war es wie so oft, wenn er gegen die Besten der Welt spielt - "in der Regel schlagen sie dich", sagte Kohlschreiber in Indian Wells. Spielte er gegen einen Weltranglistenersten, war das immer so. Vor zwei Jahren hatte er gegen die damalige Nummer eins, den Briten Andy Murray, sieben Matchbälle - und vergab alle.

Kohlschreiber hatte sich etwas ausgedacht - er wechselte Tempo und Rhythmus

Die Nummer eins ist der Spieler mit dem größten Selbstvertrauen, mit der stärksten Form. Der, gegen den keiner antreten will. Zurzeit ist dieser Spieler Novak Djokovic, 31. Er hat die jüngsten drei Grand-Slam-Turniere gewonnen und "in den vergangenen 18 Monaten sein bestes Tennis gespielt", sagte Kohlschreiber. Am Dienstag in Indian Wells war das eher nicht der Fall. Djokovic spielte fahrig und machte viele Fehler. "Es war einer dieser Tage", sagte er. Kohlschreibers Sieg wirkte am Ende scheinbar mühelos. So sahen es manche Beobachter. Oder man sah es wie sein Zweitrundengegner Kyrgios, der Kohlschreibers Leistung nicht genug gewürdigt fand und wütend twitterte: "Wie wäre es damit, dass der Typ einfach gut ist?"

Auf jeden Fall hatte sich Kohlschreiber etwas ausgedacht. Er ließ sich nicht auf den Vergleich ein, wer den Ball härter über das Netz prügeln kann, sondern wechselte Tempo und Rhythmus. "Ich habe sehr clever gespielt", fand er. Das wichtige Break im ersten Satz holte er sich mit einem direkten Gewinnschlag. Auch den Matchball gewann er auf diese Weise.

Nachdem feststand, dass der Ball die Linie touchiert hatte, brachen die Gefühle aus dem in der Regel ruhigen Kohlschreiber hervor. Er sprang hoch, stieß die Faust in die Luft, wie Rafael Nadal das immer tut. "Schade, dass das Turnier nicht vorbei ist", sagte er dann noch. In der Nacht zum Donnerstag (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, Anm.) musste er im Achtelfinale gegen den Franzosen Gael Monfils spielen. Egal, wie es ausging, Kohlschreiber wird ein Spieler bleiben, der einen Weltranglistenersten besiegt hat.

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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