Tennis:Königinnendämmerung

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Serena Williams' Karriere zeigt, welch Turbulenzen sich ergeben können, wenn eine Autorität wegbricht.

Von Barbara Klimke

Höfliches Abstreiten half ja nichts. Und so hat Serena Williams noch einmal klipp und klar erläutert, was sie antreibt, seit sie im Alter von vier Jahren erstmals in der Lage war, ein Racket mit beiden Händen zu fassen. "Es geht für mich immer ums Gewinnen", sagte sie zu Beginn des Jahres. Das sei ihre Grundhaltung in jedem Match.

Warum sollte sie sich nicht zu dieser Einstellung bekennen? Tennis ist ein Gefecht: ein kontaktloser Zweikampf, bei dem sich die Kontrahenten Bällen um die Ohren schlagen; ein Duell, aus dem nur einer siegreich hervorgehen kann; eine Spielform von reinstem Darwinismus auf Distanz. Und niemand beherrscht dieses Gefecht, über eine Netzkante hinweg, eindrucksvoller als Serena Williams aus Palm Beach, Florida, 37, die beste Tennisspielerin der Gegenwart. 23 Grand-Slam-Turniere hat sie allein im Einzel bei den vier großen Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York gewonnen. In der Weltrangliste thronte sie 319 Wochen als Nummer eins über allen anderen, als unangefochtene Königin in einem weißen Reich. Es braucht wenig Fantasie, um sich vorzustellen, warum es Williams nach zwanzig Jahren im Profisport schwerfällt, sich an einen neuen Gedanken zu gewöhnen: dass auch Verlieren zum Spiel gehört.

In diesem Jahr hat Serena Williams noch kein Turnier für sich entschieden. In Rom hat sie diese Woche ihr Zweitrundenmatch wegen Schmerzen im Knie abgesagt. Doch Verletzungen als Entschuldigung hat sie sich nie gestattet; so wenig wie den Umstand, dass sie sich nach der Geburt ihre Tochter Olympia eine Pause gönnte. So bleibt es vorerst bei der Doktrin vom Siegen, die sie im Januar verkündete: "Ich werde weitermarschieren."

Und doch ist als Momentaufnahme festzuhalten, dass die Hegemonie der Königin gebrochen ist. Dass sie ihren Kontrahentinnen auf dem Platz heute weniger einschüchternd und furchteinflößend als früher erscheint. "Es gibt nicht mehr diese eine dominante Spielerin, die Serena Williams lange gewesen ist", hat Barbara Rittner, die für den Frauensport im Deutschen Tennis Bund verantwortliche Expertin festgestellt. Nach ihrer Spielpause habe Williams "körperlich noch nicht wieder ihre beeindruckende Konstanz erreicht"; zudem sei sie heute als Mutter ganz anders eingespannt und gefordert bei einem Tennisturnier.

23 Grand-Slam-Siege zwischen 1999 und 2017, sieben in Wimbledon: Serena Williams. (Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Nun kommen Umwälzungen an der Spitze jeder Sportart periodisch vor; keine Karriere dauert ewig. Diesmal aber ist ein einmaliger Umbruch in der Geschichte des professionellen Frauentennis zu beobachten: Denn nie zuvor hat es in einer so kurzen Zeit eine derartige Vielzahl von Champions gegeben. In den weltweit 18 Turnieren des WTA-Kalenders bis zum 14. April 2019 haben 18 unterschiedliche Spielerinnen die 18 Pokale erobert. Inzwischen sind es nach 23 Turnieren 21 Siegerinnen - nur Petra Kvitova aus Tschechien und die Niederländerin Kiki Bertens sicherten sich je zwei Titel. Die Liste verdeutlich, welch staatsstreichartige Turbulenzen sich auch im Tennis ergeben, wenn die jahrelange Autorität wegbricht.

Denn Serena Williams hat, wie Barbara Rittner sagt, "das Tennis revolutioniert". Die DTB-Frauen-Chefin, die selbst noch gegen die acht Jahre jüngere US-Amerikanerin antrat, hat diese "an guten Tagen als unschlagbar" erlebt: "Sie war körperlich, kräftemäßig, technisch allen anderen voraus." Ausschlaggebend, so Rittner, sei die Fitness von Serena Williams und ihrer Schwester Venus gewesen, als die beiden in den Neunzigerjahren auf die große Bühne der Center Courts traten. Alle Profispielerinnen hätte in dieser Hinsicht zulegen müssen, um mitzuhalten. Auch bei der Verpflichtung von Fitnesscoaches und Physiotherapeuten, die heute zum Stab jedes Profis gehören, waren die Williams-Schwestern demnach richtungsweisend.

Und so hat sich die erdrückende Dominanz, die die Konkurrenz als Qual empfand, auf lange Sicht als Vorteil für das Frauentennis erwiesen. Alle, die sich an Williams messen lassen mussten, sind technisch und trainingsmethodisch besser geworden. "Kraft, Kondition, Schnelligkeit", sagt Rittner, "sind heute auf einem anderen Niveau." Auch das erklärt, warum nun fast zwei Dutzend Spielerinnen um die Trophäen mitspielen.

Einen Titel, den 24. bei einem Grand-Slam-Turnier, will Serena Williams noch gewinnen. Dann würde sie gleichziehen mit der Australierin Margaret Court. Es wäre ein Pokal fürs Regal. Ihre Dominanz ist längst bewiesen

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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