Tennis in Paris: Frauen:Merkwürdiger Trend

Lesezeit: 2 min

Serena Williams ist ratlos. Ihr Trainer Patrick Mouratoglou urteilte: "Sie war nicht bereit. Und das hat man gesehen, es war offensichtlich." (Foto: Gonzalo Fuentes/Reuters)

Das Favoritinnen­scheitern in Paris geht weiter. Serena Williams verstimmt zudem Dominic Thiem.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Da saß Serena Williams, rotes Shirt, ernster Blick, und erzählte, dass ihre Gegnerin gut gespielt habe, dass sie selbst weit weg von der Bestform sei, aber sie, 37 Jahre alt inzwischen und Mutter, wolle weiterarbeiten. Ein Defizit legte sie offen, sie spiele im Training nicht gern Punkte, sagte die 23-malige Grand-Slam-Siegerin aus den USA, daher wolle sie wohl doch früher in die Rasensaison einsteigen, nicht erst zu Wimbledon. Als es darum ging, warum sie so gut beim französischen Publikum ankomme und ihre Landsfrau Sofia Kenin, die sie mit 6:2, 7:5 aus der dritten Runde geworfen hatte, ausgebuht wurde, sagte sie, sie wisse das nicht, aber eines hob sie hervor: "Ich spüre, dass ich eine großartige Person bin, auf und neben dem Platz."

Diese Worte muteten, wie sich erweisen sollte, schräg an angesichts der Tatsache, dass Minuten zuvor der österreichische Profi Dominic Thiem jenen Saal, in dem er gerade saß, vorzeitig verlassen musste. "Ich fasse es nicht, wirklich. Ich meine ... was zum Teufel? Nein, das ist ein Witz, oder? ... Ich muss den Raum verlassen, weil sie kommt?", fluchte Thiem, der als einer der Favoriten neben dem elfmaligen Champion Rafael Nadal gilt. Der 25-Jährige trifft im Achtelfinale auf den Franzosen Gaël Monfils. Doch dafür interessierte sich in diesem Moment keiner mehr.

Am Sonntagvormittag gab es zu dem Vorfall ein Meeting des Internationalen Tennis-Weltverbandes, es sollte ein Statement folgen, aber es wurde immer weiter hinausgezögert. Wie sich die Ereignisse darstellten, war wohl die ITF nicht schuldlos an der Brüskierung Thiems.

Dem Vernehmen nach sei Williams angerauscht und wollte alles schnell hinter sich bringen. Sie wäre in einen kleinen Presseraum gegangen, doch die kleinen waren belegt. Williams wollte wieder gehen, da entschied die ITF, Thiem, der noch Fragen der österreichischen Reporter beantwortete, hinauszukomplimentieren. Thiems Pressekonferenz konnte auch nicht mehr verlegt werden, da ja alles voll war. Der Weltranglisten-Vierte zog genervt ab mit den Worten: "Ich bin ja kein Junior mehr." Die Rückkehr von Williams verläuft ambivalent, dieser Eindruck blieb von ihr hängen. Zwar hatte sie 2018 das Finale der US Open erreicht, dort aber mit Tiraden gegen den Schiedsrichter Sympathien eingebüßt; damals rückte gar der erste Triumph der Japanerin Naomi Osaka in den Hintergrund.

Das Scheitern von Williams passt zum merkwürdigen Trend dieses Frauenturniers. Viele bekannte Namen zogen aufgrund von Verletzungen zurück wie die Tschechin Petra Kvitova oder gaben auf wie die Niederländerin Kiki Bertens. Die an Nummer eins gesetzte Osaka verlor erstmals nach 16 Match-Erfolgen bei Grand Slams (bei den Australian Open hatte sie auch gesiegt), sie unterlag überraschend der Tschechin Katerina Siniakova 4:6, 2:6, die ein Kunststück vollbrachte: Die 23-Jährige bezwang als Nummer eins im Doppel die Nummer eins im Einzel. Eine solche Leistung hatte bei einem Grand Slam zuletzt Martina Navratilova 1987 geschafft, bei den US Open gegen Stefanie Graf.

Am Samstag schied auch die letzte Deutsche aus, Andrea Petkovic, 31, war beim 3:6, 1:6 gegen die Weltranglisten-Achte Ashleigh Barty aus Australien chancenlos. In unnachahmlichem Stil verabschiedete sie sich mit einem Feuerwerk an Twitter-Mitteilungen. Sie sei "heftig geschlagen" worden, aber: Sie liebe Tennis! Dann zählte sie Gründe auf. Unter anderem hätte sie beeindruckt, wie die Polin Ita Swiatek, 18, sich ins Achtelfinale siegte, dass es nun einen Court im Botanischen Garten gebe, dass das Turnier nach einem "verrückten Piloten" benannt wurde (Roland Garros). Die beiden führenden Köpfe des Deutschen Tennis-Bundes erwiderten schließlich Petkovic' Arie. Barbara Rittner, Head of Women's Tennis, schrieb unter deren letzten Tweet: "Ja, sie ist speziell ... unsere Petko." Boris Becker, Head of Men's Tennis, kommentierte am Abend des Champions-League-Finales trockener: "Beruhige dich und schaue Fußball ..." Das war das letzte Bild, das von den deutschen Frauen bei diesen French Open zurückblieb.

© SZ vom 03.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: