Tennis:Ein Liter Lebertran

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Sabine Lisicki (re.) verlor eine verregnete Achtelfinalpartie. Angelique Kerber und Carina Witthöft sind in Nürnberg die letzten deutschen Vertreter. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Sabine Lisicki verliert überraschend ihre verregnete Achtelfinal-Partie in Nürnberg.

Von Matthias Schmid

Die Uhr zeigte 13.12 am Mittwochnachmittag, als Sabine Lisicki im Foyer des Spielerinnen-Restaurants stand und mit einer Miene durch die Tür nach draußen blickte, als habe sie gerade einen Liter Lebertran trinken müssen. "Regnet es noch?", fragte die Tennisspielerin in ihrer grauen Jogginghose. Sie lachte gequält und drehte sich schnell wieder um, als sie merkte, dass ihre Frage überflüssig war. Es schüttete Katzen und Hunde, wie die regengeplagten Engländer so ein Wetter gerne nennen. Um 13.15 Uhr war die Achtelfinalpartie Lisickis gegen die Spanierin Lara Arruabarrena beim Turnier in Nürnberg angesetzt. Es dauerte dann bis kurz nach 19 Uhr, ehe das Match nach einer langen Regenunterbrechung beendet - und Lisicki dank einer 2:6, 7:6 (7:3), 6:7 (3:7)-Niederlage überraschend ausgeschieden war.

Mit Regenpausen kennen sich alle Profispielerinnen aus. "Das schwierigste ist, die Spannung hoch zu halten", sagte Lisicki auf dem Weg zurück in den Saal, wo wenige Minuten zuvor ihr Freund Oliver Pocher eingetroffen war. Ob der Comedian mit ein paar Sprüchen die Stimmung seiner Liebsten aufhellen konnte? Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner kam wenig später durchnässt zur Tür herein und sprach Lisicki und den übrigen wartenden Spielerinnen aus dem Herzen, als sie sagte: "Das Herumhängen ist ätzend."

Rittner, 42, hat die Warterei früher als Spielerinnen selbst häufig erfahren. "Ich sollte mal in Paris das zweite Spiel nach elf Uhr vormittags spielen und habe dann tatsächlich erst um halb acht abends angefangen", erinnerte sich die Bundestrainerin. Wie die Spielerinnen die Zeit totschlagen, ist unterschiedlich und hängt davon ab, ob sie an dem Tag spielen müssen oder frei haben, wie Angelique Kerber. Die Weltranglisten-Elfte aus Kiel steht in Nürnberg bereits im Viertelfinale, sie muss erst an diesem Donnerstag gegen die japanische Qualifikantin Misaki Doi antreten. Kerber machte einen Ausflug nach Herzogenaurach.

Wie sich Lisicki zerstreute, wollte sie nicht verraten, als sie um 14.59 Uhr doch noch den Platz betrat. Unter ihrem weißen Rock trug sie eine Dreiviertel lange grüne Leggings. Es regnete nicht mehr, aber es war so kühl, dass einige Zuschauer ihre Pappbecher mit heißen Tee füllten und diese auf die Tribüne mitnahmen. Die beiden Spielerinnen begannen tatsächlich zu spielen, Lisicki, Weltranglisten-20., startete die Partie mit einem gefühlvollen Rückhandstoppball. Ihre typisch wuchtigen Schläge von der Grundlinie durften auch nicht fehlen, sie gewann ihr erstes Aufschlagspiel mühelos. Beim Stand von 1:1 begann es wieder zu nieseln, erste Schirme gingen auf, und als es beim 2:2 wieder Katzen und Hunde regnete, unterbrach die Stuhlschiedsrichterin die Partie, nach elf Minuten und 43 Sekunden Spielzeit. Hoch gewachsene und breit gebaute Männer begleiteten die Spielerinnen mit weiten, blauen Schirmen vom Platz in die Kabine.

Nach knapp zwei Stunden kehrten Lisicki und Arruabarrena auf den Platz zurück, es war kurz nach 17 Uhr. Sogar die Sonne blitzte jetzt zwischen den dunklen Wolken ab und an hervor. Der Deutschen hatte die Unterbrechung allerdings nicht gutgetan, sie machte viele Fehler gegen die Weltranglisten-98., sie verlor den Satz 2:6. Das rote Ziegelmehl ist nicht Lisickis bevorzugter Belag, die Berlinerin spielt zu flach für den langsamen Untergrund, beim Turnier in Stuttgart hatte sie sogar gegen die Außenseiterin Zarina Diyas 0:6, 0:6 das Nachsehen. Erst als sie am Mittwoch anfing, mit mehr Aufwärtsdrall zu spielen, entschied sie den zweiten Satz gegen eine mutig aufspielende Arruabarrena im Tiebreak. Lisicki hatte sich nun freigespielt, glaubten die Zuschauer, im Schlussdurchgang schlug sie bei 5:4 zum Sieg auf, doch am Ende verwandelte nicht sie, sondern ihre Gegnerin überraschend den Matchball zum 7:3 im Tiebreak. "Das ist sehr schade, dass ich meine Chancen nicht nutzen konnte", sagte die 25-jährige Lisicki hinterher.

Nach der Topgesetzten Andrea Petkovic (Aufgabe) muss Turnierdirektorin Sandra Reichel nun schon den zweiten prominenten Ausfall moderieren. Neben Kerber bleibt ihr allerdings noch die Aufsteigerin der Saison, Carina Witthöft. Die 20-Jährige taugt mit ihrer aufregenden Spielweise für die große Bühne. Sie besiegte die Russin Rodina 6:1, 6:2 und trifft nun im Viertelfinale auf Arruabarrena. Witthöft hatte sich wegen des langen Regens nicht einmal einschlagen können. Doch als Hamburgerin hat ihr das Nürnberger Schietwetter im Gegensatz zu Lisicki scheinbar nichts ausgemacht.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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