Tennis:Gold Coast statt Schindellegi

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Martina Hingis und Monica Seles bei den Frauen, Pat Cash und John McEnroe im Herren-Doppel: Das Tennis erlebt eine Comeback-Flut.

René Hofmann

Tolle Vorhand. Schnelle Beine. Immer das richtige Gefühl, wo der Ball hin muss. Martina Hingis hat viele Stärken. Zurückhaltung gehört nicht dazu. Am Montag hat sie an der australischen Gold Coast ihr erstes ernst gemeintes Tennis-Match seit drei Jahren bestritten.

Martina Hingis kann gut lachen: Das Comeback ist gelungen. (Foto: Foto: rtr)

Sie gewann. 6:2, 6:1 gegen Maria Vento-Kabchi aus Venezuela, 32, Nr. 62 der Rangliste. Unbescheiden wie eh und je fand Hingis: "Ich wüsste nicht, was ich hätte besser machen können. Das Ergebnis sagt alles." Einmal warmgeredet, sandte sie gleich noch eine Warnung an die Rivalinnen, denen sie bald in Sydney und in Melbourne begegnen wird: "Wartet ab! Ich kann noch besser spielen."

18,345 825 Millionen Dollar Preisgeld. 76 Turnier-Siege. 209 Wochen lang die Nr. 1. Das sind die Zahlen der Vergangenheit. Im Moment wird Martina Hingis in der Rangliste gar nicht geführt. Wer Einlass finden will, muss sich in einem Jahr drei Vergleichen stellen. Hingis kommt bloß auf einen.

Im Januar 2005 spielte sie in Pattaya gegen die Deutsche Marlene Weingärtner. Das Interesse war groß. 2000 Zuschauer füllten den Center Court direkt am Golf von Siam. Zwei Schweizer waren sich sicher: "Die Königin kehrt zurück." So stand es auf ihrem Transparent, das die TV-Kameras einfingen, die eilig in die Bäume rund um die Anlage geschraubt worden waren.

Der Andrang an Journalisten war so groß, dass das Handy-Netz in der Gegend zusammenbrach, als sie das Ergebnis übermitteln wollten: 1:6, 6:2, 6:2 - für Weingärtner. Martina Hingis, notierte der Korrespondent der NZZ, habe sich bewegt "wie ein Eishockey-Profi aus dem NHL-Lockout, der in der Nationalliga A mit zu wenig Eistraining startet".

Entzündungen im Hüftgelenk, am Kniegelenk und am Steiß. Teilriss des hinteren Kreuzbandes im linken Knie. Entzündung des rechten Handgelenkes. Rechter Fuß: zwei Bänderrisse. Linker Fuß: Ermüdungsbruch im Mittelfußknochen und eine komplexe Entzündung der Ferse bis ins Knochenmark. Martina Hingis plagten viele Verletzungen. Im März 1997 kletterte sie als Jüngste an die Weltspitze, im Alter von 16 Jahren und sechs Monaten. Vierzehn Tage nach ihrem 22.Geburtstag beendete sie im Oktober 2002 ihre Karriere.

Warum sie es mit 25 noch einmal wissen will? "Ich will mir nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben." Boris Becker findet das gut: "Wenn sich eine junge Frau entschlossen hat, wieder ihrer größten Leidenschaft nachzugehen, ist das schön." Pam Shriver sagt: "Sie ist eine Künstlerin. Schön, dass sie wieder spielt."

Uno-Beauftragte, TV-Co-Kommentatorin, Sol-Campbell-Gespielin, Boots-Führerschein-Anwärterin. Das Leben nach ihrer Tenniszeit war voller Bindestriche. "Haushälterin der Nation", spotteten die Schweizer Zeitungen, als sie im Fernsehen Bügeleisen und ihr Heim in Schindellegi vorführte.

Martina Hingis hat sich in ihrem neuen Leben so wohl gefühlt, dass sie wieder in ihr altes zurückwill. Die Zeit dafür ist günstig. Die Williams-Schwestern haben die Lust verloren, Kim Clijsters und Justin Henin lähmen Verletzungen, den Russinnen fehlt es an Konstanz. Die Saison 2005 prägten Lindsay Davenport, Mary Pierce, Amélie Mauresmo. Vor denen braucht sich Hingis nicht zu ängstigen. Trotzdem hat sie ihre Muskeln gefestigt. "Weil inzwischen ja alle so draufhauen", sagt sie. Geholfen hat ihr dabei eine alte Bekannte: ihre Mutter. Melanie Molitor gibt die Trainerin. Allerdings eher mürrisch: "Es macht mir überhaupt keinen Spaß", sagt sie.

Niki Lauda, Michael Jordan, Lance Armstrong, Hermann Maier. In der Schweiz wird Hingis' Rückkehr in einer Reihe der ganz Großen gesehen. Im Tennis passt sie in den Trend. John McEnroe, 46, hat unlängst verkündet, sich wieder im Doppel versuchen zu wollen, der 40-jährige Pat Cash tritt nach achtjähriger Pause in Chennai im Doppel an.

Monica Seles, 32, seit zweieinhalb Jahren verletzt, will Hingis genau beobachten und so entscheiden, ob sie sich selbst noch einmal zurückwagt. Auch Anna Kurnikowa, seit Mai 2003 aus dem Geschäft, wurde gefragt, ob sie auf der Comeback-Welle reiten wolle. Geantwortet hat die 24-jährige Russin: Von einem Comeback könne keine Rede sein. Sie sei ja nie offiziell zurückgetreten.

© SZ vom 3.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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