Tennis:Glitzer unter Vorbehalt

Lesezeit: 3 min

Die Nachnominierung des unter Dopingverdacht stehenden Mariano Puerta wirft weitere Schatten auf den Masters Cup in Schanghai.

Claudio Catuogno

Der Argentinier Gaston Gaudio hat sich das Lob natürlich verdient mit seinem soliden Tennisspiel: 31 winner, mehr als zehn Asse, ein sicherer Zweisatzsieg nach 67 Minuten. Gaudio, lobt also die Spielergewerkschaft ATP in ihrem Bulletin zum Tennis Masters Cup, habe "den Hype um die vielen Absagen einfach ignoriert" und mit seinem Auftaktmatch "wieder ein Stück Normalität zurückgebracht" auf den Center Court von Schanghai. Die Ironie dieser Formulierung muss der ATP entgangen sein. Denn auf der anderen Seite des Netzes stand Mariano Puerta, der 27-jährige Linkshänder aus Buenos Aires, der kurzfristig für den verletzten Rafael Nadal eingesprungen war. Und kaum ein Spieler auf der Profi-Tour ist derzeit weniger dazu geneigt als Puerta, zur Normalität beizutragen.

Verschärfte Beobachtung

Knapp sechs Wochen ist es bereits her, dass die französische Sporttageszeitung L'Équipe den erneuten Dopingverdacht gegen den diesjährigen French-Open-Finalisten öffentlich machte und kommentierte, Puerta laufe Gefahr, "nicht nur im Fegefeuer zu enden, sondern in der Hölle". Nach seiner Niederlage gegen Nadal im Finale von Paris hatte Puerta den Kontrolleuren des Tennis-Weltverbands ITF eine Dopingprobe hinterlassen, die anschließend im Labor von Châtenay-Malabry untersucht wurde. Laut L'Équipe beweisen diese Analysen, "dass sich im Urin des Argentiniers Etilefrin befand", ein Stimulanzmittel, mit dem normalerweise zu niedriger Blutdruck behandelt wird. Erst zehn Monate vor den French Open war Puerta wieder in die Profi-Tour eingestiegen - nach einer Sperre wegen Dopings mit dem Kälbermastmittel Clenbuterol. Und nun erneut ein positiver Befund? Zum ersten Mal diskutierte die Szene die Möglichkeit einer lebenslange Sperre für Wiederholungstäter. Seither spielt Puerta unter verschärfter Beobachtung. Und unter Vorbehalt: Im Fall einer Verurteilung müsste er alle Preisgelder zurückzahlen.

Dass nun auch noch ein Doping-Verdächtiger ins Teilnehmerfeld gerutscht ist, nimmt dieser mit großen Erwartungen aufgeladenen Tennis-WM endgültig den Glanz. Was als glitzerndes Gastspiel der besten acht Spieler des Jahres in der chinesischen Boom-Metropole gedacht war, ist zur Farce verkommen - von den besten Acht sind nur noch der Schweizer Roger Federer, der Russe Nikolai Dawidenko und der Kroate Ivan Ljubicic übrig. Doch während die Aufgabe von Andre Agassi (Knöchelverletzung) am Montag sowie die Absagen von Rafael Nadal (Bänder), Marat Safin (Knie), Andy Roddick (Rücken) und Lleyton Hewitt (Vaterschaft) die ATP mehr oder minder kalt erwischt haben, macht der Fall Puerta das Dilemma deutlich, in das sich der Tennissport derzeit selbst hinein manövriert: Im Profitennis stehen die Athleten in einem direkten Vertragsverhältnis mit der ATP - sie können also von ihren nationalen Verbänden nicht bis zur Klärung der Vorwürfe zurückgezogen werden. Und ATP-Sprecher Martin Dagahs stellte am Dienstag noch einmal klar: Da Puerta nicht wegen eines erneuten Dopingvergehens verurteilt sei, habe er "das Recht zu spielen, so wie jeder andere Spieler auch". Im übrigen diskutiere die ATP Doping-Fälle grundsätzlich erst dann, wenn sie abgeschlossen sind. Das jedoch kann noch eine Weile dauern.

Denn für die French Open ist die ITF in London zuständig - und da bittet eine Sprecherin für Verständnis, dass so ein Verfahren "manchmal sechs Monate oder länger dauern kann". Im Fall einer positiven A-Probe hat der Athlet das Recht, bei der Untersuchung der B-Probe anwesend zu sein. Das sei "nicht ganz einfach angesichts der vollen Terminkalender der Tennisprofis". Im Fall Puerta kann die ITF derzeit noch nicht einmal bestätigen, dass es überhaupt Untersuchungen gibt - dementieren will sie es allerdings auch nicht. Und Puerta hat inzwischen eingeräumt, er habe in Paris ein Schmerzmittel genommen, sei aber bestimmt nicht positiv getestet worden.

So wabert die Angelegenheit in einem Schwebezustand, und am heutigen Mittwoch spielt Puerta in der Goldenen Gruppe gegen einen weiteren Nachrücker, den Chilenen Fernando Gonzalez. In der Roten Gruppe erreichte Roger Federer nach dem knappen 6:3, 2:6, 7:6 (4) gegen Ivan Ljubicic bereits das Halbfinale, da Guillermo Coria gegen David Nalbandian verlor. Während sich Beobachter in Schanghai verwundert die Augen reiben angesichts des ständig wechselnden Teilnehmerfelds, arbeiten die verbliebenen Athleten an der Verteilung von insgesamt 4,45 Millionen Dollar. Nicht bei allen ist klar, ob sie das Geld am Ende tatsächlich behalten dürfen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: