Tennis:Geschlossene Gesellschaft

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Soll die Briten im Davis Cup zum ersten Titel seit 1936 führen: Andy Murray. (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Am Sonntag startet das ATP World Tour Final der acht besten Tennisspieler der Welt. Bis 2018 gastiert das letzte große Treffen der Saison in London. Andy Murray muss besondere Erwartungen erfüllen.

Von Sven Haist

Wie ein Wanderpokal wird das Saisonfinale im Tennis seit seiner Erstaustragung 1970 in Tokio herumgereicht. An 14 Standorten hat es bereits stattgefunden, meist in Europa oder Amerika, weniger oft in Asien und Australien. Auch in Deutschland war das Schaulaufen der Schlägerkünstler in den 90er-Jahren beheimatet, Michael Stich und Boris Becker waren die einzigen nationalen Titelträger. Mittlerweile hat die am Sonntag beginnende inoffizielle Tennisweltmeisterschaft zum siebten Mal ihren Sitz in der englischen Hauptstadt London - und wird dort auch bis mindestens 2018 bleiben.

Konkurrenzstädte wie New York, Peking, oder Sao Paulo sollen sich zuletzt bemüht haben, die Tennisattraktion aus Europa abzuwerben, aber das Turnier ist europäischer denn je. Sieben der acht im Stadtteil North Greenwich aufschlagenden Spieler haben ihre Wurzeln auf diesem Kontinent. Nur der Japaner Kei Nishikori ist in Asien geboren. Nishikori ist mit 25 Jahren und seiner erst zweiten Qualifikation für das finale Rendezvous der jüngste und zugleich unerfahrenste Profi in einem Startfeld, das nach einer geschlossenen Gesellschaft aussieht. Es sind meist dieselben Tennisspieler, die im November auf der Gästeliste stehen, wenn der letzte Einzeltitel des Kalenderjahres vergeben wird.

Federer ist der Rekordgewinner, Djokovic holt auf

Novak Djokovic führt als Nummer eins der Welt das Ensemble an, mit neun Einsätzen dockt der Serbe noch am nächsten bei Roger Federer an. Der Schweizer hat 14 Teilnahmen vorzuweisen; mit sechs Erfolgen ist der mittlerweile 34-Jährige der Rekordgewinner des Abschlussfestes. Der Mann des schönen Spiels lässt es sich weiterhin nicht nehmen, ein Duell wie ein Spiel aussehen zu lassen. Anstrengung und Schweiß kann Federer seinen Kollegen überlassen, die Reinheit seiner Schläge manövriert ihn serienweise aus der Bedrängnis. Seine Schlagfertigkeit hält ihn weiterhin in der Branchenspitze, jedoch nicht mehr auf der höchsten Treppenstufe des Podiums.

Djokovic hat ihn passiert. Als dritterfolgreichster Spieler 2015 hat Federer nicht mal halb so viele Ranglistenpunkte gesammelt wie jener Djokovic, der nach seinen drei Vorjahrestriumphen jetzt einen Grand Slam beim World Tour Final anstrebt. Vier Erfolge nacheinander, das ist selbst dem Tennismaster in seiner Hochzeit nicht geglückt. Als größter Störenfried dieser Serie wird Federers Landsmann Stan Wawrinka gehandelt, der beiden in der Vorrunde noch aus dem Weg geht.

Stattdessen messen sich Djokovic und Federer am Donnerstag in der Stan-Smith-Gruppe. Beide sollten zu diesem Zeitpunkt bereits fürs Halbfinale qualifiziert sein, weil ihren weiteren Gegnern Tomas Berdych und Nishikori nur die Rolle der Dekoration zugedacht ist. Seit dem Desaster, als England bei der Rugby-Weltmeisterschaft in die group of death gesteckt wurde, sind die Briten skeptisch gegenüber den Fähigkeiten von Londons Bürgermeister Boris Johnson als Losfee. Diesmal hat sein Landsmann allerdings profitiert.

Im Davis-Cup-Finale muss Murray auf Asche ran

Andy Murray muss sich nicht wie befürchtet in der Ilie-Nastase-Gruppe mit Federer herumplagen, sondern trifft neben Wawrinka auf die spanischen Sandplatzkönner Rafael Nadal und David Ferrer. Gespielt wird auf Hartplatz. Dieser eigentliche Vorteil für den Schotten kehrt sich eine Woche später ins Gegenteil um. Murrays Pläne reichen nämlich noch über das Turnier hinaus. Am letzten November-Wochenende steht für ihn im Davis-Cup-Finale mit Großbritannien der Höhepunkt des Jahres an. Gegen Belgien geht es für die Briten um den ersten Titel seit 1936. Gespielt wird in Gent auf roter Asche, Murrays schwächstem Belag. Der Telegraph verglich die Umstellung von Hartplatz auf Sand mit einer Rennfahrt von Formel-1-Pilot Lewis Hamilton auf ein Motorrad.

Es wird in diesen Tagen viel erwartet von Andy Murray in Großbritannien, abliefern soll er zunächst beim World Tour Final. Im Gegensatz zu seinem Bruder Jamie, der sich erstmals für die Doppelkonkurrenz qualifiziert hat, kennt er bei seinem siebten Gastspiel die Tücken des Turniers. Sie beginnen für ihn aufgrund des dichten Londoner Stadtverkehrs schon bei der Anfahrt zur Anlage. Solche Sorgen hat Jamie Murray nicht: Er benutzt die Londoner Bahn.

© SZ vom 15.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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