Cedrik-Marcel Stebe betrat noch einmal den Court und begutachtete den Abdruck des Balls, der kurz zuvor zu lauten Buhrufen beim Publikum im "Centralito" geführt hatte. Seine Teamkollegen Jan-Lennard Struff und Tim Pütz waren im Entscheidungssatz beim Stande von 5:4 mit 15:0 in Führung gegangen, weil João Sousas Return knapp im Aus gelandet war. So sah es zumindest Schiedsrichter Pascal Maria im aufgewühlten Sand des Center Courts in Oeiras. Es folgten ein Schmetterball von Struff, ein Fehler von Sousa und beim ersten Matchball eine zu lang geschlagene Vorhand von Gastão Elias, die Pütz zu Luftsprüngen verleitete, noch bevor der die Filzkugel im Aus den Boden berührte.
Das Spiel, das Deutschland zu einer 2:1-Führung in der Davis-Cup-Relegation verhalf, endete, wie es begonnen hatte: mit einem glatt gewonnenen Aufschlagspiel der Deutschen. Dazwischen aber war die dreieinhalbstündige Partie zwischen Struff/Pütz und dem portugiesischen Duo Sousa/Elias selten einseitig, aber auch selten hochklassig.
Der an Position eins gesetzte Struff, der am Eröffnungstag noch überraschend in drei Sätzen gegen Pedro Sousa (nicht mit João verwandt) verloren hatte, wirkte zu Beginn verunsichert. Zwar gab er kein Aufschlagspiel ab, doch nur selten brachte er die Bälle so überzeugend ins Spiel, wie man es von dem 27 Jahre alten Warsteiner gewohnt ist. Anders Struffs Partner: Davis-Cup-Debütant Tim Pütz, 29 und der beste Doppel-Spieler im Aufgebot der Deutschen, dominierte am Netz. Das und die anfänglich hohe Fehlerquote der Portugiesen führte zur schnellen 1:0-Satzführung (6:2).
Das alles entscheidende Break gelingt bei 4:4 im fünften Satz
Vieles deutete auf einen kurzen zweiten Tag auf dem Sandplatz hin, doch dann schlichen sich auch bei den Deutschen Fehler ein, was zu einer Reihe verpasster Chancen führte. Portugal glich aus, ohne wirklich zu überzeugen. Im dritten Satz vergaben Pütz und der 27 Jahre alte Struff acht Breakbälle, ehe ihnen mit dem neunten das Break zum 5:3 gelang. Doch sofort gaben sie ihr Aufschlagspiel wieder ab und verloren schließlich gar den Tiebreak nach 3:1-Führung noch mit 5:7.
Dass Deutschlands Doppel am Ende dennoch mit Chefberater Boris Becker und dem gesamten Team den Sieg bejubelte, lag an der besseren Abstimmung der zwei Akteure. Sieben Spiele bestritten Struff und Pütz in der abgelaufenen Bundesliga-Saison gemeinsam für den TC Blau-Weiß Halle, alle sieben gewannen sie. Am vergangenen Wochenende gewannen sie das Challenger-Turnier in Genua und bewarben sich damit indirekt für einen DTB-Einsatz. Bei starken Windböen im Lissabonner Vorort, die Struff am Tag zuvor noch große Probleme bereitet hatten, kämpften sich die DTB-Herren mit starkem Aufschlagspiel zurück und nahmen den Portugiesen im Entscheidungssatz beim Stande von 4:4 das Aufschlagspiel ab. Und so war es am Ende der in dieser Saison auch schon einmal für Halle angetretene João Sousa, der den Ball so knapp ins Seitenaus setzte, dass Cedrik-Marcel Stebe nochmal ganz genau nachsehen wollte.
"Ich bin froh, dass wir 2:1 führen und damit noch zwei Chancen auf den entscheidenden Punkt haben. Jetzt müssen wir zusehen, dass wir die Begegnung nach Hause bringen", sagte Bundestrainer Michael Kohlmann der dpa. Der Sieg im Doppel ist Deutschlands zweiter nach dem Erfolg von Stebe. Der 26-Jährige hatte das ersatzgeschwächte DTB-Team - in Oeiras fehlen die drei Top-Spieler Alexander und Mischa Zverev sowie Philipp Kohlschreiber - zum Auftakt am Freitag gegen Joao Sousa in Führung gebracht (4:6, 6:3, 6:3, 6:0). Am Sonntag (ab 12 Uhr MESZ/live auf DAZN) hat Jan-Lennard Struff im Duell der Top-Spieler die Chance, den Verbleib in der Weltgruppe der besten 16 Nationen zu sichern.