Tennis-French-Open:Wieder aus dem Gleichgewicht

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Perfide treibt Rafael Font de Mora seine einstige Schülerin Anna-Lena Grönefeld in eine Niederlagen-Serie.

Josef Kelnberger

Der Platz Nummer zwei von Roland Garros ist eingebettet in ein kleines, intimes Stadion. Die Spieler erkennen mit einem Blick, wer wo sitzt. Wer für sie ist und wer gegen sie. Also konnte Anna-Lena Grönefeld am Dienstagmittag genau verorten, wo ihre Freunde Platz genommen hatten: Trainer Dirk Dier, dessen Lebensgefährtin, Fed-Cup-Trainerin Barbara Rittner, aus deren Ecke erreichten sie aufmunternde Rufe. ,,Spiel einfach. Aggressiv. Dein Spiel. Come on!'' Einmal rief Dirk Dier: ,,Sei mal böse!''

Der Fluch aus der zweiten Reihe: Wenn ihr früherer Trainer auf der Tribüne sitzt, kann Anna-Lena Grönefeld nicht gewinnen. (Foto: Foto: dpa)

Sie sollte böse zu ihrer Gegnerin sein, zur Französin Mathilde Johansson. Aber Grönefeld war nur böse auf sich selbst. Immer wieder suchte sie den Dialog mit ihrem Trainer. Das blonde Haar streng nach hinten gekämmt, Verzweiflung im Blick.

Denn auf der anderen Seite des Platzes, hinter den Coaches ihrer Gegnerin, saß ,,Er'', wie ihn Grönefeld nennt: ihr ehemaliger Trainer Rafael Font de Mora. Er hatte sich, die pure Provokation, ins feindliche Lager gesetzt, kommentierte dort lachend die Fehler der Deutschen. Als sie ihn erblickte, war Grönefeld klar: Sie konnte nicht gewinnen.

Ausgerechnet in Paris

Es war ein bizarres, demütigendes Schauspiel, das sich da in der ersten Runde der French Open abspielte. Ausgerechnet in Paris, wo Anna-Lena Grönefeld am liebsten Tennis spielt. 2003 hat sie hier das Juniorinnen-Turnier gewonnen. Sie wechselte in jenem Jahr nach Arizona in die Tennis-Akademie Font de Moras und wirkte wild entschlossen, den Weg nach ganz oben anzutreten, koste es, was es wolle.

2006 erreichte sie in Paris das Viertelfinale, erst nach hartem Kampf unterlag sie der späteren Turniersiegerin Justine Henin. Aus dem Teenager aus Nordhorn war eine asketisch wirkende Kampfmaschine geworden, die grimmigen Blickes Punkt für Punkt die Vorgaben ihres Trainers erfüllte. Sie wirkte wie ferngesteuert.

Schon im September ertrug sie ihre Unmündigkeit nicht mehr und trennte sich von Font de Mora. Ein Dreivierteljahr später, wieder in Paris, ist sie nun mit bald 22 Jahren auf dem Tiefpunkt angekommen. Mathilde Johansson, Nummer 126 der Tenniswelt, hatte nicht viel damit zu tun, dass dieses Match 7:5, 6:4 zu ihren Gunsten endete. Gewonnen hat es Grönefelds ehemaliger Coach. Auf erschreckende Weise fühlt sie sich noch von ihm abhängig.

Beim deutschen Fed-Cup-Sieg gegen Kroatien im April, ein halbes Jahr nach ihrer Trennung vom Ihm, schien Grönefeld noch auf einem guten Weg zu sein. In Saarbrücken hatte sie eine neue Heimat gefunden, in Dirk Dier einen einfühlsamen Coach. Sie nahm Rat von einem Psychologen und einem Ernährungsberater an. Sie hatte Gewicht abtrainiert, wirkte nach einer wochenlangen Turnierpause wie befreit.

Doch beim Turnier in Berlin traf sie Font de Mora wieder, jenen Mann, der drei Jahre lang jede Sekunde ihres Lebens kontrolliert hatte. Er setzte sich auf die Tribüne, in Berlin, dann in Rom, jetzt in Paris, und jedes Mal verlor Grönefeld in der ersten Runde.

Font de Mora droht mit Klage

Hartnäckig lässt er zudem verbreiten, er werde Grönefeld verklagen, weil sie ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht einhalte. Schließlich sei er nicht nur ihr Coach sondern auch ihr Manager. Über die Auflösung des Kontraktes wird gerade verhandelt, und Font de Mora kann die Gegenseite einfach erpressen, indem er sich auf die Tribüne setzt, wenn Grönefeld spielt. Er hat sie wieder aus dem Gleichgewicht gebracht.

,,Es geht hier nicht um Tennis'', sagte Trainer Dirk Dier nach dem Match. Die ebenso elegante wie harmlose Französin hätte Grönefeld eigentlich vom Platz fegen müssen, obwohl sie zu viel Gewicht mit sich schleppt. Doch immer, wenn sie das Match in der Hand hielt, brach ihr Spiel völlig auseinander. Grundschläge landeten im Irgendwo, Stops schlugen weit vor dem Netz auf, Doppelfehler reihte sich an Doppelfehler. Er könne seiner Spielerin keinen Vorwurf machen, sagte Dier. ,,Außer, dass sie ein bisschen mehr erzählen könnte.''

Tränen in den Augen

Im entscheidenden Punkt, bei der Abhängigkeit vom vorherigen Coach, kommt auch er nicht an sie heran. Barbara Rittner, die Fed-Cup-Trainerin, schlug unter dem Eindruck der Niederlage vor, Grönefeld solle eine weitere Turnierpause einlegen, bis die Trennung von Font de Mora auch vertraglich geregelt ist.

Anna-Lena Grönefeld selbst wollte davon nach dem Match nichts wissen. ,,Der Berg spitzt sich zu'', sagte sie, auf ihre Krise angesprochen. ,,Viel schlimmer kann es nicht mehr werden.''

Ihre ganze Karriere steht jetzt auf dem Spiel. Den Stolz auf ihre großen Siege in Paris will sie sich nicht nehmen lassen. ,,ICH stand auf dem Platz, nicht ER'', sagt sie. Andererseits wäre sie nicht mehr bereit, noch einmal einen solchen Preis für den Erfolg zu bezahlen. Zu ihrem Begriff von Glück gehört nun die Nähe zur Familie, ein selbstbestimmtes Leben.

Doch ihr ganzer Mut, ihr Selbstwertgefühl sinkt auf Null, sobald sie ihn erblickt. ,,Wenn er sich demonstrativ in die zweite Reihe zu den Gegnern setzt'', sagt sie, ,,dann hilft das nicht.'' Ob das nicht abzuschütteln sei, wird sie gefragt. ,,Nein'', antwortet sie. Und in ihren Augen stehen Tränen.

© SZ vom 30.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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