Tennis:Den Mentor verzaubert

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Zu Boden gerissen ob des Erreichten: Alexander Zverev gewinnt sein Halbfinale von Halle gegen den Rasen-Altmeister Roger Federer. (Foto: Thomas Starke/Getty Images)

Alexander Zverev bezwingt in Halle sein Kindheitsidol Roger Federer auf Rasen. Im Finale trifft der 19-Jährige im deutschen Duell auf den Routinier Florian Mayer.

Von Matthias Schmid, Halle/München

Nach dem größten Sieg seiner jungen Karriere blieb Alexander Zverev einfach stehen, aufrecht, irgendwie auch erhaben. Natürlich lächelte er. Mehr aber auch nicht. Dabei hätte jeder im Stadion verstanden, wenn der 19-Jährige in diesem Moment ein paar ausgelassene Mätzchen aufgeführt hätte, vielleicht sogar zu seinem Anhang auf die Tribüne gerannt wäre, um jeden einzelnen zu umarmen. Zverev hatte ja am Samstag beim Rasenturnier nicht irgendjemand im Halbfinale bezwungen, er hatte erstmals Roger Federer mit 7:6 (4), 5:7, 6:3 besiegt, den siebenmaligen Wimbledonsieger, den vielleicht besten Tennisspieler der Geschichte, sein Kindheitsidol.

Zverev ließ aber nur seinen Schläger fallen und blickte mit ausgestreckten Armen zum Himmel, es war die einzige Extravaganz, die er sich im Augenblick größtmöglicher Glückseligkeit gestattete. "Ich brauche jetzt nicht auf den Boden zu fallen und mich für fünf Stunden bejubeln zu lassen", erklärte der Hamburger nur wenige Minuten nach seinem ersten Sieg gegen einen Top-Ten-Spieler. "Natürlich ist der Respekt dabei ein großer Faktor. Es passiert nicht jeden Tag, dass man gegen Roger Federer gewinnt."

Dass Zverev bewusst oder unbewusst auf große Jubelgesten verzichtete, erzählt einiges über seine Persönlichkeit und seinen Ehrgeiz. Es genügt ihm schon lange nicht mehr, die Großen der Branche zu besiegen - er will Titel gewinnen, das Welttennis irgendwann dominieren. An diesem Sonntag kann er im Endspiel damit anfangen, wenn er auf den Bayreuther Florian Mayer trifft, der überraschend 6:3, 6:4 gegen den Weltranglistensiebten Dominic Thiem aus Österreich gewann. Es ist das zweite deutsche Finale in Halle seit 2011 (als Philipp Kohlschreiber Philipp Petzschner besiegte).

Ab Montag zählt er zu den Top 30 der Welt. Tendenz weiter stark steigend

Es wird nicht das letzte Endspiel für Zverev sein, der sein erstes vor ein paar Wochen in Nizza gegen Thiem verlor. Darin sind sich alle Experten im Welttennis einig. Zverev ist in diesen Tagen sogar der beste Nachwuchsspieler auf der Tour. Die Spielerorganisation ATP hat dafür eine eigene Wertung geschaffen, die sie mit "Next Generation" überschrieben hat. Gezählt werden dabei die Siege aller Spieler im laufenden Kalenderjahr, die unter den besten 200 der Weltrangliste zu finden sind und nach 1994 auf die Welt kamen. Zverev führt die Rangliste mit nun 27 Siegen vor dem Australier Nick Kyrgios an. Unabhängig davon, wie das Endspiel ausgeht, wird er am Montag in der neuen Weltrangliste erstmals unter den besten 30 gelistet sein. Tendenz weiter stark steigend. In Wimbledon dürfte er erstmals bei einem Grand-Slam-Turnier zu den Gesetzten zählen.

"Er ist ein Supertalent. In Deutschland und weltweit", hatte Federer in den Tagen von Halle seinen jungen Bezwinger gelobt. Als der Schweizer begann, seine ersten Profimatches zu spielen, war Zverev gerade ein Jahr alt. Mit 19 hat er den inzwischen 34-jährigen Federer nun zum ersten Mal geschlagen. "Es ist einfach unglaublich, gegen Roger zu gewinnen, vor allem auf Gras", befand Zverev. Aber eine große Überraschung, eine Breaking News ist das inzwischen nicht mehr. Zverev bewies vom ersten Ballwechsel an eindrucksvoll, dass er jede Woche besser wird, selbstbewusster, ruhiger in den entscheidenden Momenten. Von der Grundlinie aus drängte er mit seinen wuchtigen und präzisen Grundschlägen Federer immer wieder so zurück, dass der Schweizer nur noch reagieren konnte. Zverev spielt für sein Alter schon ein ziemlich abgeklärtes Tennis, sein Service und sein Return gehören schon zu den besten Schlägen auf der Tour. "Er hat die Technik, die Leidenschaft und die Schläge für die Top Ten", sagt der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic. Und Günter Bresnik, Trainer von Thiem, glaubt sogar, dass Zverev in den nächsten fünf Jahren zur Nummer eins aufsteigen wird.

Auch der verlorene zweite Satz verunsichert ihn nicht

In jedem Fall nehmen seine Macken, darunter seine Wutausbrüche, mit zunehmenden Siegen weiter ab. Gegen Federer gewann er den ersten Satz im Tiebreak mit 7:4, weil er entschlossener aufspielte als der 17-malige Grand-Slam-Turniersieger. Wie selbstverständlich er sich auf diesem Niveau der Allerbesten schon zurechtfindet, zeigte er auch im zweiten Satz, den er mit 5:7 abgeben musste, obwohl er selbst zwei Breakbälle zum 5:3 vergab. Das brachte ihn zwar kurz aus dem Konzept. Aber kaum hatte der entscheidende Durchgang begonnen, agierte er mutig und konzentriert. Einmal lockte er Federer sogar mit einem Stoppball ans Netz vor, um ihn anschließend gefühlvoll zu überlobben. Federer schüttelte angesichts von so viel Chuzpe den Kopf. Normalerweise ist er es, der seine Gegenüber auf diese gemeine und gleichzeitig raffinierte Art vorführt.

Zverev hat sich viel von seinem Vorbild abgeschaut, Federer und er haben in den vergangenen Wochen und Monaten häufig miteinander trainiert. Der Maestro ist eine Art Mentor geworden, den er für seinen Fleiß, seinen Erfolg und seinen Arbeitsethos bewundert. "Mich hat überrascht, wie extrem sie ihr Training gestalten, damit sie es im Match möglichst einfach haben", hat Zverev beim Turnier in München erzählt.

Einfach dürfte es für ihn nach dem Erfolg über seine Leitfigur im Endspiel gegen Florian Mayer trotzdem nicht werden. Der 32-jährige Bayreuther spielt ein unorthodoxes, unangenehmes Tennis: mit beidhändigem Slice, vielen Winkel- und Stoppbällen hebt er sich vom Rest der Profis ab. Es wird die Herausforderung werden, die Alexander Zverev so liebt und an der er weiter wachsen kann.

© SZ vom 19.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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