Talent mit dem Zeug zum Weltstar:"Ich bin Nando, der Fußballer"

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Warum sich Herthas Stürmer Rafael gegen sein Geburtsland Angola und für Deutschland entschieden hat.

Javier Cáceres

Manchmal setzt sich Nando Rafael, Stürmer bei Hertha BSC, in seiner Berliner Wohnung aufs Sofa, legt sein Lieblingsvideo ins Abspielgerät und spult in seinem Leben hin und her. Er hat ein Faible für besondere Tore, und unter den beiden Treffern, die auf der VHS-Kassette festgehalten sind, ist das schönste seiner noch jungen Karriere, "ein Kopfball, Superding", sagt er.

Nando Rafael - beim Kopfballduell mit dem Stuttgarter Martin Stranzl - ist ein Wanderer zwischen den Nationen: Die Niederlande wiesen ihm die Tür, Angola trauert ihm nach. Nun spielt er für die deutsche U-21. (Foto: Foto: Reuters)

68 Minuten waren im Pokalhalbfinale der Niederlande gespielt, und die Profis vom FC Utrecht führten 2:0 - standesgemäß, denn die Mannschaft, für die Rafael eingewechselt wurde, war das Amateurteam von Ajax Amsterdam. Siebzehn Jahre alt war Rafael damals, das Alter, in dem im Fußball seit Pelé die Mythen geboren werden.

Und wenn in den folgenden Wochen die Niederlande von Nando Rafael sprachen, dann nicht nur wegen der beiden Tore, die Utrecht in die Verlängerung und ins Elfmeterschießen zwangen, sondern auch, weil ihm das Land wenig später die Türe wies.

Denn Nando Rafael war in Luanda, Angola, geboren worden, und mit der Volljährigkeit hatte er eine Arbeitserlaubnis vorzuweisen, die ihm die niederländischen Behörden nicht ausstellen wollten: "Wir verlieren ein Talent, das das Zeug zum Weltstar hat", sagte damals Ajax-Sportdirektor Arie van Eijden.

2002 war das, der frühere Bayern-Profi Sören Lerby brachte Rafael bei Hertha unter, und aus einer Laune der Biografie ist eine Lebensentscheidung geworden: Rafael stürmt nun für Deutschland, im September nahm er die Staatsbürgerschaft an und wurde von Dieter Eilts in die U21 berufen. Er spielt für die Bundesrepublik gegen die Tschechische Republik um die EM-Qualifikation. In Angola fragt man sich: Warum, Nando, warum?

Neulich, in Berlin, da hat er sich rechtfertigen müssen. Was er davon halte, dass er in Angola als persona non grata gelte, als unerwünschte Person, wurde er gefragt, als eine Gruppe von Sportjournalisten aus Afrika ins Olympiastadion gereist war, darunter ein Reporter von Rádio Cinco Angola aus Luanda.

Angola ist qualifiziert - ohne Nando

Angola hat sich für die WM 2006 qualifiziert, da hätten sie einen Nando Rafael gut gebrauchen können; außer Mantorras von Benfica Lissabon hat Angolas Fußball keine Spieler vorzuweisen, die in Europas Fußball Fuß gefasst haben. "Ich hoffe, dass die Leute meine Entscheidung respektieren", sagt Nando Rafael.

Es war keine einfache, aber eine sehr durchdachte Entscheidung, aus einer Mischung von Gefühl und Verstand heraus, erzählt Rafael. Zwar habe Luis Oliveira Goncalves ihn in Berlin besucht und versucht, ihn umzustimmen, doch nicht einmal Angolas Qualifikation für die WM habe in ihm Reue hervorgerufen.

Die Eltern sind schon lange tot

"Ich wurde immer auf meine Vergangenheit angesprochen, auf meine Eltern, meine Geschichte, mein Land; dabei habe ich doch die wichtigste Zeit meines Lebens in Europa verbracht." Er hat seine Eltern im angolanischen Bürgerkrieg verloren, da war er nicht einmal zehn. "Irgendwann habe ich gesagt: Es reicht jetzt. Ich bin Nando Rafael, ich bin der Fußballspieler, so will ich gesehen werden."

Die Geschichte von Rafael, dem Fußballer, beginnt, nachdem ihn sein Onkel, der damals selbst gerade volljährig geworden war, als 10-Jährigen in die Niederlande geholt hatte. Er kam zuerst in einem Heim unter, und in der Schule tunnelte er seinen Lehrer, Dick Oelen, derart oft, dass dieser Ajax anschrieb. Er durchlief alle Jugendteams, und wenn ihm sein Zimmernachbar bei Hertha, der brasilianische Nationalspieler Gilberto, attestiert, dass er alle Voraussetzungen habe, "ein großer Spieler zu werden", so liegt dies vor allem an seiner Ausbildung.

Er hat eine gute Physis, ist ballsicher und schnell, nur seinen Torinstinkt müsse er noch schulen, "sich im Strafraum noch mehr einbringen", findet Gilberto. "Er braucht 14, 15 Spiele in Serie, dann kommt das schon", sagt Gilberto; und auch Marcelinho befindet, dass Rafael ausschließlich eines fehle: "Erfahrung."

Drei Bundesligatore, zwei Vorlagen

Mittlerweile bekommt Rafael sie vor allem an der Seite von Marko Pantelic, dem serbischen Leihstürmer von Hertha, und in seinem Schatten scheint er besser zu gedeihen als zuvor, als die Last der Erwartung und die Einsamkeit in der Spitze ihn zu ersticken drohten. Drei Tore und zwei Vorlagen hat er im laufenden Spielbetrieb vorzuweisen, auch in der U21 hat er bereits zwei Mal getroffen.

Es sei eine große Ehre, unter den besten U21-Spielern Deutschlands zu sein, sagt er. Doch sein Traum ist es, bald ein entscheidendes Tor zu erzielen, um seine Videothek zu erweitern.

© SZ vom 11.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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