Stefan Effenberg:Über New York in den Paderborner Schnee

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Ein Weltbürger in der Provinz: Stefan Effenberg stellt sich heiter als Zweitliga-Trainer vor, "I am The New One!" Seine Vorstellung in Ostwestfalen begann er mit den Worten: "Ich bin es wirklich."

Von Philipp Selldorf, Paderborn

Natürlich war der Raum, in dem sich der neue Trainer des SC Paderborn der Öffentlichkeit präsentierte, viel zu klein, um all die Neugierigen aufzunehmen. Die Reporter drängelten und quetschten sich, es herrschte Sauerstoffnot, und das Getümmel war erheblich - es war also alles so, wie es Stefan Effenberg gefällt. Amüsiert blickte der 47 Jahre alte ehemalige FC-Bayern-Held vom Podium auf das durchaus ehrfürchtig gestimmte Volk. Zumindest am Mittwochmittag genügte die Bühne in Paderborn seinem Renommee und der hohen Meinung, die er seit jeher von sich selbst hat: "Ich bin es wirklich", sprach er, als er das Wort ergriff.

Paderborn ist ein Ort, dessen Hauptbahnhof über fünf Bahnsteige verfügt (insgesamt) und dessen Bewohner ein wenig daran leiden, dass die benachbarte Stadt Bielefeld ein Stück größer ist und meistens mehr Beachtung findet. Im Fußball spielen die beiden ostwestfälischen Ortschaften zwar in derselben Liga, aber im deutschen Profigeschäft sei "kaum mehr Provinz anzutreffen" als in Paderborn, stellte jetzt die lokale Ausgabe der Neuen Westfälischen fest, wobei sie das nicht so erbarmungslos meinte, wie es sich anhört. Sie bezog sich lediglich auf die Außenseiter-Rhetorik, die im vorigen Jahr zum Repertoire des Vereins gehörte, als der seinen Platz in der Bundesliga zu behaupten versuchte.

Der frühere BVB-Manager Meier spielte den Vermittler

Nun ist der kleine SC 07 nach miserablem Saisonstart auf Platz 15 der zweiten Liga gestürzt - und nimmt den Fußball-Weltbürger Stefan Effenberg unter Vertrag, der vor vier Jahren zu Beginn seines Trainerkurses an der Hennes-Weisweiler-Akademie erklärte hatte, auch im nächsten Fußballjob "ganz nach oben" zu wollen.

Vermutlich wären weder die Führungskräfte des Vereins noch Effenberg selbst auf die Idee gekommen, dass sich diese Gegensätze mal anziehen könnten - hätte nicht Michael Meier eingegriffen. Meier, ehedem Manager in Dortmund und Köln, betätigt sich inzwischen als Personalberater und Headhunter. Dem Hamburger SV hat der 65-Jährige geholfen, Bert van Marwijk zu engagieren, und nun brachte er Paderborn und Effenberg zusammen. Lange bevor sich die beiden Parteien zusammensetzten, hat Meier seinen Mandanten auf den Job eingestimmt: "Mach dir Gedanken" habe ihm Meier schon vor sechs Wochen empfohlen, erzählte Effenberg: "Er hat eine gewisse Tendenz gesehen und gesagt: Tu mir einen Gefallen und beschäftige dich mit Paderborn!" Als der Klub nach dem 0:1 in Duisburg den Trainer Markus Gellhaus entließ, wurde Meier in Paderborn vorstellig: "Wir haben einen Tipp bekommen", berichtete Präsident Wilfried Finke. Zunächst hatte sich Manager Born mit anderen Anwärtern beschäftigt.

Effenberg hatte erkannt, dass die Zeit drängte, um es noch ins Trainergewerbe zu schaffen. Als er - unter anderem an der Seite von Mehmet Scholl - in Köln und Hennef zur Schule ging, orientierte er sich noch an den Maßstäben, die seine Fußballerkarriere prägten und seinem Selbstverständnis entsprachen. Das obligatorische Praktikum gedachte er bei Real Madrid zu absolvieren, auch José Mourinho wollte er als Lehrmeister aufsuchen ("für viele gilt er als der Beste - mein Anspruch muss es sein, mich mit den Besten zu umgeben"). Aber nach Erhalt des Diploms im April 2012 blieben gute Angebote aus; "es hat nicht gepasst", beschied er entsprechende Fragen am Mittwoch auffallend knapp. Manchmal kann der große Name von früher zum Hindernis im Heute werden. Aber darüber mochte er nicht sprechen.

Momente von Kleinmut sind ohnehin nicht vorgekommen in Effenbergs Einsteiger-Auftritt: "Unsere Aufgabe ist es, die Jungs wieder zu Helden zu machen", proklamierte er, das Vereinsmotto aufgreifend ("Helden geben nie auf"). Am Morgen war der neue Trainer bei Schneetreiben auf dem lokalen Flughafen eingetroffen, er schulterte zwei Taschen und rollte einen Koffer vor sich her. Nach allen gängigen Vorurteilen sah er aus wie ein Mann auf einer seltsamen Mission, aber es ist Effenberg im überfüllten Medienraum spielend leicht gelungen, die stereotypen Bedenken zu vertreiben: "Ich hatte nach ein, zwei Minuten sofort das Gefühl, dass ich hier total willkommen bin, es war echt ein schönes Gefühl", übertrieb er charmant und stellte seinen Einstieg als Herzenssache dar: "Ich habe festgestellt: Ich möchte das, ich will das. Ich habe mit voller Überzeugung den Vertrag unterschrieben."

Ohne Ausstiegsklausel übrigens. Präsident Finke, Möbelhändler und Vereinspatron der alten Schule, erzählte, er sei "nahezu euphorisiert" gewesen, als sich die Kontakte konkretisierten. Nach dem ersten Gespräch, das er vorigen Donnerstag mit Manager Born am Münchner Flughafen geführt hatte, war Effenberg nach Amerika geflogen, um seine Tochter in Florida zu besuchen. Gleich nach der Zwischenlandung in New York meldete sich Born wieder bei ihm: "Da hieß es: Würdest du dann bitte zurückkommen", und so habe er "kurz Hallo und Tschüss" zur Tochter in Tampa gesagt und sei gleich wieder zurückgereist. Währenddessen kappten Born und Finke alle Verbindungen zu anderen Kandidaten, das Bündnis schien schon vor den finalen Verhandlungen abgemacht zu sein. "Es hätte schon noch etwas ganz Schlimmes passieren müssen", sagte Finke und führte dazu ein kurioses Beispiel an: "Ich hätte meinem Hund auf den Fuß treten müssen."

Freundliche Scherze wie dieser prägten die Präsentation, es ging heiter zu. Öde Fragen nach seinen methodischen Vorstellungen ("die Mischung muss stimmen") und taktischen Prinzipien ("da gebe ich nichts raus") wischte Effenberg leichthin beiseite; mehr Spaß machten dem seit einem Oktoberfest-Besuch führerscheinlosen Sportwagenfahrer die Erkundungen nach seiner Fortbewegung: "Ich bin gut zu Fuß, Fahrrad fahren kann ich auch - ohne Stützräder." Schöne Vorstellung: Effenberg radelt zum Training in der Pader-Kampfbahn. Den passenden Slogan hat er gleich mitgebracht: "Der eine ist The Special One" - Mourinho -, "der andere The Normal One" - Jürgen Klopp in Liverpool -, "und ich bin The New One", sagte Effenberg, "das können wir jetzt auf T-Shirts drucken."

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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