Fürth gegen Ingolstadt:Zusammenbruch statt Aufbruch

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Mangel an Alternativen: In der Abwehr musste Janos Radoki experimentieren, sein Vertrauen in das Personal hält sich offenkundig in Grenzen. Foto: (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Nach dem 0:1 bangen sowohl Fürths Trainer Radoki als auch Ingolstadts Interimscoach Leitl um ihre Posten.

Von Thomas Gröbner

Es hätte eigentlich der größte Tag in der an Höhepunkten nicht allzu reichen Karriere von Matti Langer werden sollen. Matti wer? Das dürften sich viele im Fürther Stadion gefragt haben. Schließlich war der 27-jährige Verteidiger am Freitagabend zum ersten Mal im Profifußball aufgetaucht. Ausgerechnet in einem Spiel, in dem sowohl Fürths Trainer Janos Radoki als auch sein Ingolstadt und Interimstrainer Stefan Leitl um ihre Zukunft spielten, in dem zwei im Innersten erschütterte Zweitligaklubs aufeinanderprallten, da warf ihn Radoki ihn aufs Feld. Das sollte sich rächen.

Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt. In der ersten Hälfte der Partie gab es keine einzige erwähnenswerte Torszene zu sehen. In der zweiten Halbzeit lud Fürth dann Sonny Kittel in den Strafraum ein. Seinen wuchtigen Schuss ließ Torwart Balazs Megyeri passieren (55. Minute), es war nicht der erste Fehler des neuen Kapitäns in dieser Saison. Damit nicht genug, kassierte Matti Langer auch noch die gelb-rote Karte - binnen neun Minuten.

Erst in Unterzahl bäumte sich Fürth auf, Ingolstadt zitterte und vergab kläglich die sich bietenden Kontergelegenheiten. Doch weil der Wille der dezimierten Fürther allein nicht reichte und die Ingolstädter Verunsicherung das Talent der FC-Angreifer erstickte, blieb es beim knappen 1:0-Sieg und den ersten drei Punkten für den Bundesliga-Absteiger, während die SpVgg Greuther Fürth über die Länderspielpause punktlos am Tabellenende bleibt. An jenem bedauernswerten Matti Langer lässt sich gut ablesen, warum Fürth so in Not ist. Denn während Manager Ramazan Yildirim Langers Aufstellung als "mutig" bezeichnete, nannte Trainer Radoki sie "alternativlos". Was vor allem dokumentiert, wie wenig Vertrauen Radoki dem Personal im Kader entgegenbringt. Lukas Gugganig wurde wegen schwacher Leistung in die U23 versetzt, Stephen Sama wartet seit Januar auf eine zweite Chance - nachdem er bei seinem Debüt nach 48 Minuten Rot gesehen hatte. Radokis Vertrauensvorschuss konnten weder Sama noch Langer zurückzahlen. Nur ein Spiel hatte Langer vorher in Fürths U23 gemacht, seit er vor vier Wochen von Freiburgs zweiter Mannschaft geholt worden war. Auch in der Regionalliga hatte er nach 56 Minuten Gelb-Rot gesehen. Radoki legt seine Hoffnung nun auf die Rückkehr des verletzten schwedischen Verteidigers Richard Magyar.

Radoki war danach "stolz", dass sich sein Team nicht aufgegeben hatte, mehr gute Nachrichten gab es auch nicht. Fürth wartet nun saisonübergreifend seit neun Ligaspielen auf einen Sieg. Aus dem ausgerufenen Aufbruch ist ein Zusammenbruch geworden, ein Sturz ans Tabellenende. Nach dem Spiel verzichtete Yildirim auf Treueschwüre und auf ein klares Bekenntnis zum Trainer: "Wir sprechen erst mal miteinander, bevor wir irgendwelche Dinge machen." Man müsse jetzt nichts entscheiden, sagte er nach dem Spiel.

Auf der anderen Seite durfte Stefan Leitl erleichtert sein, Argumente für seine Weiterbeschäftigung als Cheftrainer in Ingolstadt geliefert zu haben - auch wenn er die Mannschaft noch nicht wiedererwecken konnte. Er hat gezeigt, dass die Mannschaft unter seiner Führung nicht schlechter spielt als unter Walpurgis - wenn auch noch nicht viel besser. Bei Leitl wirkt es ja immer ein wenig so, wären dem Ingolstädter Zeugwart die Trikots ausgegangen, und Leitl stehe nur deshalb im weißen Poloshirt am Rand und nicht auf dem Platz. Sein Verwandlung von der Ingolstädter Sturmspitze zum Cheftrainer vollzog sich innerhalb von vier Jahren, seit am Dienstagabend sein Telefon klingelte und er für den gefeuerten Maik Walpurgis einsprang. "Wir haben wieder auf Altbewährtes gesetzt", erklärt er sein erfolgreiches Rezept. Das heißt: zurück zu einer Viererkette. Das heißt aber auch: Rückkehr von Tobias Levels. Denn als eine seiner ersten Maßnahmen begnadigt er den 30-jährigen Abwehrmann. Der hatte sich zuletzt bei seinem Ex-Klub Borussia Mönchengladbach fit gehalten, seit er im März vom entlassenen Trainer Maik Walpurgis suspendiert worden war. Levels soll sich gegenüber Walpurgis deutlich in der Wortwahl vergriffen haben.

In der zweiwöchigen Länderspielpause wird sich entscheiden, ob Ingolstadt weiter auf Leitl setzt. Vorstandschef Jackwerth zumindest hielt nach der Partie gleich ein Plädoyer für die vermeintliche Notlösung: "Für mich gibt es keine andere Lösung als Leitl." Allerdings haben auch der Aufsichtsrat und der neue Sportdirektor Angelo Vier mitzureden. Der wolle jetzt erst mal "alles aufsaugen, Leute kennenlernen", sagte er. Im Stadion saß er neben dem vereinslosen ehemaligen Nürnberg-Trainer Alois Schwartz.

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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