Sportpolitik:Von Sündern zu Straftätern

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Als erster deutscher Athlet fällt der Saarbrücker Sprinter Rouven Christ unter das neue Anti-Doping-Gesetz. Und im Fall des Ringer-Meisters ASV Nendingen weitet die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aus.

Von Martin Schneider, Saarbrücken

Manchmal liegen Ursache und Wirkung nah beieinander, in diesem Fall sind es ein paar Kilometer Autobahn zwischen Saarbrücken und Saarlouis. Aus Saarlouis kommt Heiko Maas, Bundesjustizminister und Initiator des Anti-Doping-Gesetzes in Deutschland. Aus Saarbrücken kommt Rouven Christ, Sprinter und nun der erste prominentere Fall, der mit den Konsequenzen dieses neuen Gesetzes konfrontiert wird - neben der Affäre um den deutschen Ringer-Meister ASV Nendingen, die sich in diesen Tagen ausweitet.

Christ wurde positiv getestet. Wann und auf welches Mittel, ist noch unklar; fest steht nur, dass es eine positive A-Probe gibt. Das bestätigte die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada). Der Saarländische Leichtathletik-Bund und der Verein suspendierten Christ vorläufig. Vor Inkrafttreten des Anti-Doping-Gesetzes am 1. Januar 2016 wäre Christ wohl für zwei Jahre gesperrt worden. Sie hätten seinen fünften Platz über 200 Meter Ende Februar bei den deutschen Hallenmeisterschaften annulliert, dazu Platz zwei der Staffel des LAZ Saarbrücken, mit Christ als Schlussläufer. Nun steckt mehr dahinter.

Christ ist nun nicht mehr bloß ein mutmaßlicher Dopingsünder, er ist ein mutmaßlicher Straftäter.

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken bestätigte, dass sie gegen Christ ermittelt. Die Polizei durchsuchte seine Wohnung, fand keine verbotenen Medikamente oder Substanzen, konfiszierte Christs Laptop und sein Handy. Deren Auswertung dauert an, teilte die Polizei auf SZ-Anfrage mit.

Im schlimmsten Fall droht Christ eine Haftstrafe von drei Jahren. Das Gesetz stellt Selbstdoping im Rahmen eines Wettkampfes des organisierten Sports unter Strafe, wie auch den Besitz von Dopingmitteln. Sogar bis zu zehn Jahre kann jemand in Haft kommen, wenn er durch Dopingmittel andere schädigt, sie an Minderjährige weitergibt, größere Vermögenswerte anhäuft oder Teil einer Bande ist.

Christ spricht nur noch durch seinen Anwalt. Sein Mandant sei sich "keines aktiven Fehlverhaltens bewusst", sagt Guido Britz auf Anfrage. Er weise den Doping-Vorwurf zurück. Es ist für alle Beteiligten eine neue Situation. Früher hätte die Nada Christ das Ergebnis der A-Probe mitgeteilt, der Sprinter hätte dann wohl beantragt, die B-Probe öffnen zu lassen. Jetzt reicht die Nada das Ergebnis an die Staatsanwaltschaft weiter, und die hat Christ bislang nicht mitgeteilt, welche Substanz in seiner A-Probe gefunden wurde, sagt sein Anwalt. Die Staatsanwaltschaft gibt auf Anfrage keine weiteren Auskünfte, um den "Ermittlungserfolg nicht zu gefährden".

Auch in Baden-Württemberg war neulich die Polizei aktiv. Beamte durchsuchten Wohnungen und Vereinsräume des ASV Nendingen, sie nahmen Medikamente und Unterlagen mit. Zwei Ringer des Vereins waren positiv auf Meldonium getestet worden; das Mittel, mit dem zuletzt diverse Athleten in Osteuropa aufflogen, allen voran Tennisspielerin Maria Scharapowa. Der Klub sagte, es handele sich um "zwei ausländische Ringer". Am Dienstag bestätigte die Staatsanwaltschaft Freiburg der Agentur sid, dass sie gegen weitere Athleten ermittelt. "Bislang ging es nur um Medikamente, nun auch um die Anwendung verbotener Infusionen", sagte Oberstaatsanwalt Michael Mächtel; zu der Zahl und Nationalität der Athleten machte er keine Angaben. Wobei sich nun die Frage stellt, ob die Affäre auch deutsche Athleten erfassen wird.

Christ könnte also nicht der einzige deutsche Athlet bleiben, auf den das neue Gesetz gerade angewendet wird. Und er trainierte, das macht den Fall zusätzlich pikant, Jugendliche, in seinem Verein, beim Verband und an einem Sportgymnasium. In den vergangenen Monaten verbesserte er sich von 21,66 Sekunden über 200 Meter im Freien auf 21,01 Sekunden in der Halle. Eine massive Steigerung, in der Halle ist die Strecke wegen der engeren Kurvenradien schwerer zu laufen als im Stadion. "Wir verlieren so ein bisschen den Glauben an den sauberen Sport", sagte Achim Hachenthal, Chef von Christs Verein, zuletzt dem Saarländischen Rundfunk: "Gerade Rouven Christ hat sich in den letzten Monaten unglaublich im Verein engagiert."

Die Zahl der erwischten deutschen Athleten ist viel geringer als die Zahl derer, die Doping zugeben

Der Fall Christ erinnert die deutsche Leichtathletik auch an ihre eigenen Schwächen im Anti-Doping-Kampf. 2013 gaben in einer Studie der deutschen Sporthilfe bei einer anonymen Befragung von 1150 Sportlerinnen und Sportlern fast sechs Prozent zu, dass sie dopen. 40,7 Prozent der Befragten beantworteten die Frage nach Doping gar nicht. Die Zahl der tatsächlich erwischten Athleten ist also viel geringer als jene sechs Prozent, die Doping zugeben. Im Jahr 2014 führte die Nada in allen Sportarten mehr als 6800 Trainings- und 1375 Wettkampf-Kontrollen durch. Bestraft wurden letztlich 22 Athleten.

Durch das neue Anti-Doping-Gesetz gibt es nun auch in Deutschland neue Möglichkeiten, gegen dopende Sportler vorzugehen. Die großen Dopingskandale der Vergangenheit, seien es das Festina-Team bei der Tour de France oder die Blutkonserven von Eufemiano Fuentes, wurden ja von den Behörden aufgedeckt, aus Spanien und Frankreich.

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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