Sportpolitik:Unter Druck

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Obwohl zwei zentrale Forderungen nicht erfüllt wurden, entscheidet sich die Welt-Anti-Doping-Agentur wahrscheinlich für eine Wiederaufnahme Russlands.

Es ist eine breite Allianz, die sich inzwischen gebildet hat. Diverse Athletenvertreter gehören dazu, ebenso viele nationale Anti-Doping-Agenturen, insbesondere aus Westeuropa und Nordamerika; auch der russische Staatsdoping-Kronzeuge Grigorij Rodtschenkow, verschiedene Politiker bis hin zum deutschen Bundesinnenminister Horst Seehofer und sogar die Norwegerin Linda Helleland, aktuell Vize-Präsidentin der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Sie alle haben ein klares Credo: Es könne nicht sein, dass die Wada die russische Anti-Doping-Agentur (Rusada) nach fast dreijähriger Suspendierung nun wieder aufnimmt.

Vize-Präsidentin Helleland will gegen die Rückkehr stimmen

An diesem Donnerstag kommt die Wada-Exekutive auf den Seychellen zusammen, um über diese Frage zu entscheiden. Vor knapp einer Woche hatte ihre Prüfkommission CRC überraschend die Empfehlung ausgesprochen, die Rusada wieder in die Wada aufzunehmen. Dabei waren in den vergangenen Jahren von Seiten der Wada stets zwei klare Kriterien formuliert worden, die Russland vor einer Rückkehr seiner Anti-Doping-Agentur zu erfüllen habe. Dies war zum einen die vollständige Anerkennung des sogenannten McLaren-Reports, in dem der kanadische Sonderermittler Richard McLaren ein staatlich orchestriertes Dopingsystem unter Leitung des russischen Sportministeriums festgehalten hatte. Und dies war zum anderen der vollständige Zugang zu allen Proben und Daten des Moskauer Labors. Beide Kriterien hat Russland bisher nicht erfüllt. Aber die Wada veröffentlichte schon ein Statement, in dem es heißt, dass Führung Flexibilität verlange.

Alles deutet also darauf hin, dass die zwölfköpfige Exekutive der Empfehlung ihrer Prüfkommission folgen wird. Die Frage ist nur, warum die Wada diese Kehrtwende vollzieht. Kein Geheimnis ist es, dass es in den vergangenen Monaten erheblichen Druck aus der Sportgemeinschaft auf die Wada gab. Russland hat in vielen Fachverbänden großen Einfluss. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) verhängte nach der Enttarnung des Staatsdoping-Systems auch nur überschaubare Sanktionen. Wada-Chef Craig Reedie ist zugleich seit vielen Jahren IOC-Mitglied. Neben ihm sitzen fünf weitere Vertreter des organisierten Sports in diesem Gremium.

Reedies Stellvertreterin Linda Helleland aber, in Norwegen Ministerin für Jugend und Gleichstellung, will den Kurs nicht mittragen. Sie kündigte schon an, gegen eine Wiederaufnahme zu stimmen. "Dies ist der Moment, der für immer über die Glaubwürdigkeit der Wada als unabhängiger und starker Vorreiter für sauberen Sport bestimmt", sagte sie: "Ich befürchte, dass es der Wada in der Zukunft schaden wird, wenn sie sich für den einfachsten Ausweg entscheidet."

© SZ vom 20.09.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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