Sportpolitik:Neue Studie zum Doping in der DDR

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Doping ging in der ehemaligen DDR weit über den Spitzensport hinaus und war meist mit politischer Repression verbunden. Das soll eine am Dienstag veröffentlichte Untersuchung belegen, die auf Akten der nach der Wiedervereinigung angestrengten Dopingprozesse basiert. "Das Thema Sport war kein freier Raum, sondern einer von Staatssicherheit und staatlichem Zwang - mehr oder weniger dem Erfolg geschuldet, aber immer in Unkenntnis, ob die Grenze überschritten wird", sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) bei der Vorstellung der von der Thüringer Staatskanzlei und dem Landessportbund in Auftrag gegebenen Studie in Erfurt.

Ein Historikerteam des Zentrums deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg untersuchte beteiligte Personen, Mechanismen und gesamtgesellschaftliche Umstände. Den von Jutta Braun und René Wiese angeleiteten Forscherinnen und Forschern ging es weniger um die Frage, ob die betroffenen Sportler und Sportlerinnen wissentlich gedopt haben, sondern vielmehr um den gesamten gesellschaftspolitischen Kontext. Die Fokussierung auf die Doping-Frage werde "nicht der Komplexität des historischen Geschehens gerecht", sagte Braun und ergänzte: "Die Verantwortlichen wussten, dass sie gegen das Arzneimittelgesetz verstießen. Sie wussten, dass sie mit Leben spielten. Das macht das mögliche Mitwissen der Sportler*innen völlig irrelevant, da es ohnehin nicht hätte passieren dürfen."

Wichtig sei ebenso, dass der Kreis der Betroffenen, die heute teilweise immer noch an den physischen und psychischen Nachwirkungen leiden würden, wesentlich höher sei, als oft angenommen. Gerade der Anschlusskader sei bevorzugt als "Testkaninchen" genutzt worden - seit 1984 sogar nach staatlicher Anweisung. "Sie mussten herhalten, damit keine wertvollen Olympioniken im Rahmen von riskanten Medikamententests geschädigt werden", sagte Braun, die immer wieder betonte, "dass offenbar alle Beteiligten einen Systemdruck verspürten".

Die DDR habe dabei "eingebunden in ein internationales System des Sportbetrugs" gehandelt, erklärte Braun. Eine "Verinselung" habe es nicht gegeben, sondern vielmehr eine aus Druck entstandene Zusammenarbeit der Sowjetunion und ihren Satelliten sowie dem Kalten Krieg entgegenstehende, "klandestine Kumpeleien" der beiden deutschen Staaten. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nicht nur als wissenschaftliche Abhandlung publiziert werden, sondern darüber hinaus künftig als Leitfaden und juristischer Beistand dienen. Zudem werden die Ergebnisse im Rahmen der am Mittwoch eröffneten Kunstausstellung "Mein Sport. Meine Seele. Meine Kunst." im Thüringer Landtag gezeigt.

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