Sport: Hall of Fame:Braune Flecken in der Ruhmeshalle

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Wer gehört in eine "Hall of Fame des deutschen Sports"? Im Mai soll sie entstehen, mit historischen Persönlichkeiten aus allen Disziplinen. Auf der Liste der 40 Auserwählten stehen auch fünf NSDAP-Mitglieder - und das sorgt für Debatten.

Johannes Aumüller

So wie Albert Richter müssten sie alle sein. Ein großartiger Sportler war er, ein erfolgreicher Radsportler. 1932 Sprintweltmeister. Zudem mehrfacher Deutscher Meister im Sprint.

Auch außerhalb des Sports taugte er als Vorbild: Richter verweigerte in den Zeiten des "Dritten Reichs" bei Siegerehrungen den Hitlergruß, startete bei Rennen im Ausland nicht im Hakenkreuz-Trikot und behielt seinen jüdischen Manager. So sollte jemand sein, um den Aufnahmekriterien der neuen "Hall of Fame des deutschen Sports" der Deutschen Sporthilfe zu entsprechen - nach denen sich ein Sportler sowohl sportlich als auch gesellschaftlich ausgezeichnet haben müsse.

Anfang Mai werden bei der offiziellen Gründungsfeier im Deutschen Historischen Museum in Bonn in dieser - vorerst nur virtuellen - "Hall of Fame des deutschen Sports" zunächst 40 verdiente Sportpersönlichkeiten aus den vergangenen beiden Jahrhunderten aufgenommen.

Albert Richter ist unter den großen 40 - doch so gradlinig verhielten sich zur NS-Zeit nicht alle der Geehrten. Auf der Liste befinden sich fünf ehemalige NSDAP-Mitglieder: Dressurreiter Josef Neckermann, der 1937 in die Hitler-Partei eintrat und von jüdischen Zwangsverkäufen profitierte; der Mittelstreckenläufer Rudolf Harbig, der nach Angaben des Munzinger-Archivs im selben Jahr folgte; der Fußball-Nationaltrainer Sepp Herberger; der Basketballer und Sportfunktionär Willi Daume; der Radsportler Gustav Kilian. Die Publizisten Thomas Veszelits und Renate Franz haben bei ihren Recherchen die Parteineintrittsschreiben von Daume und Kilian im Bundesarchiv in Berlin gefunden.

Vier der fünf einstigen NS-Parteimitglieder haben nach dem Krieg Karrieren gemacht und sich dann auch äußerst verdienstvoll für den deutschen Sport eingesetzt. Neckermann gründete die Deutsche Sporthilfe, Daume war ein bedeutender Mann der Sportpolitik, Herberger führte Deutschland zum WM-Titel, und Kilian trainierte etliche Olympiasieger und Weltmeister. Harbig fiel 1944 an der Ostfront.

Doch können das Verhalten zur NS-Zeit und die bundesrepublikanische Biographie für eine Aufnahme in die "Hall of Fame" gegeneinander aufgerechnet werden? Es ist zweifelsohne eine schwierige Abwägung.

"Neckermann ist rehabilitiert worden. Er hat unter anderem das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse bekommen. Die Jury wollte sich nicht über dieses Urteil stellen", sagt Sporthilfe-Kommunikationsreferentin Heike Schönharting auf Nachfrage von sueddeutsche.de. Bei Daume sei es ähnlich. Kilians NS-Zugehörigkeit wiederum war, so Schönharting, nicht bekannt.

Die Schatten der Vergangenheit lasten ja nicht nur auf dem Sport. Die Politiker Hans Globke und Kurt Georg Kiesinger sowie etliche andere haben ähnliche Biographien und galten zum Teil sehr, sehr bald nach dem Krieg schon als rehabilitiert. Auch sind beispielsweise Kasernen nach umstrittenen Personen der damaligen Zeit benannt. Warum sollte es im Sport nicht vergleichbare Fälle geben?

Und doch stößt die Auswahl für die "Hall of Fame" auch auf Unverständnis. "Ich habe in einem Brief an die Deutsche Sporthilfe auf die problematische Rolle Kilians hingewiesen", sagt die Radsport-Expertin Renate Franz, die ein Buch über Albert Richter ("Der vergessene Weltmeister") geschrieben hat. "Ich hätte mir gewünscht, dass die Liste von Sporthistorikern geprüft worden wäre." Eine Antwort auf ihren Brief erhielt sie nach eigener Aussage nicht.

Die Deutsche Sporthilfe erklärt, die Liste der 40 sei von einer Expertengruppe aus Historikern und Sportjournalisten sowie vom Bundesinnenministerium geprüft worden. In diesem Prozess wurde beispielsweise der Name von Carl Diem, Olympia-Organisator von 1936, von der Liste genommen. Auch umstrittene DDR-Sportler wie "Täve" Schur oder Kristin Otto waren ursprünglich in der Diskussion - sie wurden nicht aufgenommen. Bei den verbliebenen Persönlichkeiten überwog im Zweifel offenbar der Verdienst um den Sport oder aber die Vergangenheit war erst gar nicht bekannt.

Der deutsche Sport manövriert sich damit in eine unangenehme Lage. Denn manch einen muss es davor grauen, dass nun ehemalige NSDAP-Leute in eine Ehrenreihe aufgenommen werden. Deren Mitglieder sollen nach Angaben der Sporthilfe-Chefin Ann Kathrin Linsenhoff "über die Generationen hinweg durch Leistung und Haltung im Sport Vorbild geworden sein". Plausible Begründungen hierfür sind sicher nicht immer leicht zu formulieren - und vermutlich haben diejenigen, die sagen, nur Zeitgenossen könnten das Verhalten in der damaligen Situation komplett beurteilen, gar nicht so Unrecht.

In der "Hall of Fame" wird nun der Name von Gustav Kilian neben dem von Albert Richter stehen. Das Parteimitglied der NSDAP, der bei Adolf Hitlers brauner Horde mitmachte, gehört also genauso in die Ruhmeshalle wie der Radsportkollege, der auf seine Art gegen die Nazis handelte. Richter starb am 2. Januar 1940 im Polizeigewahrsam auf rätselhafte Weise. Er war an der deutsch-schweizerischen Grenze bei Weil am Rhein wegen angeblichen Devisenschmuggels verhaftet worden. In den Reifen seines Fahrrads hatten die Beamten 12.700 Reichsmark gefunden - Geld, das einem geflohenen Kölner Juden gehörte. Richter wollte ihm das Geld bringen.

Irgendwie ist das alles für den deutschen Sport kein Ruhmesblatt.

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