Spionage-Affäre:Freispruch für McLaren-Mercedes

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Der Automobilverband FIA hat den Rennstall von den Spionage-Vorwürfen freigesprochen. Im schlimmsten Fall hätte McLaren-Mercedes ein massiver Punktabzug in der Team- und Fahrer-WM gedroht.

René Hofmann

Es ist ein netter Zufall, dass das Hauptquartier des Automobilweltverbandes FIA in Paris am Place de la Concorde liegt. Zu Deutsch heißt das Platz der Eintracht. An diesem Donnerstag wurde dort wieder einmal heftig gestritten. Das World Motor Sport Council traf sich zu einer außerplanmäßigen Sitzung, um über die Spionagevorwürfe gegen das McLaren-Mercedes-Team zu befinden. Um kurz nach neun Uhr marschierten die 26 Mitglieder des Gremiums auf. Alle im feinen Zwirn. Sie tagten lange.

Grünes Licht für McLaren-Mercedes. (Foto: Foto: dpa)

Erst gegen 16 Uhr drang die Nachricht durch: Das Team, das nach zehn von 17 Saisonrennen sowohl die Fahrer- als auch die Konstrukteurswertung anführt, muss keine Konsequenzen hinnehmen. Es war zwar im Besitz verbotener Informationen; dass die Equipe daraus einen Nutzen zog, ist ihr aber nicht nachzuweisen. An das Urteil ist zudem eine Warnung geknüpft: Sollte sich herausstellen, dass sich McLaren mit Ferrari-Dokumenten doch einen Vorteil verschafft hat, droht der WM-Ausschluss für dieses und das kommende Jahr.

"Das einzige, woran wir interessiert sind, ist die Wahrheit", hatte McLaren-Chef Ron Dennis schon beim Einzug gesagt. Ferrari-Chef Jean Todt, der als Vertreter der Formel-1-Teams an der Sitzung teilnahm, sich als Betroffener der Affäre aber der Stimme enthielt, schwieg. Zuvor hatte sich aber schon sein Chef, Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo, geäußert - in der ihm eigenen, pathetischen Art. "Mit dem Körper bin ich in Maranello, mit den Gedanken aber bin ich in Paris", hatte Montezemolo der Gazzetta dello Sport gesagt und gefordert: "Man muss unloyales Verhalten in der Formel 1 unbedingt entlarven." Weitaus pragmatischer hatte sich da Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone geäußert, der ebenfalls einen Sitz und eine Stimme in diesem Disziplinargremium hat. "Hoffentlich ist da nichts Verbotenes gelaufen und das ist alles nur ein Haufen Nonsens", hatte er der in London erscheinenden Times gesagt: "Über den ganzen Spionage-Unsinn wird so viel geredet, dass es von dem ablenkt, was auf der Strecke passiert."

Auf der Strecke ist in diesem Jahr bisher vor allem eines passiert: Die silbernen Autos von McLaren-Mercedes wetteifern mit den roten von Ferrari. Beide Teams haben bisher fünf Rennen gewonnen. Bei acht Gelegenheiten stellten sie die drei Protagonisten, die zur Siegerehrung durften. In der Konstrukteurswertung, nach der am Jahresende die Prämien verteilt werden, ist McLaren um 27 Punkte voraus. Einen ähnlich ausgewogenen Zweikampf hat es schon lange nicht mehr gegeben - und einen ähnlich erbittert geführten erst recht nicht.

5,5 Millionen Verlust für Ferrari

Weder McLaren-Chef Ron Dennis noch Ferrari-Direktor Jean Todt nehmen den Namen des Konkurrenz-Teams gerne in den Mund. Der 60 Jahre alte Dennis umschreibt die italienische Marke, die so alt wie er selbst ist, gerne als "ein anderes Grand-Prix-Team". Todt, der seine Karriere im Motorsport als Rallye-Beifahrer begann, revanchiert sich ungefähr auf die gleiche Art und Weise. Er bekam es sogar hin, dass sein Musterschüler Michael Schumacher den Namen McLaren auch so gut wie nie aussprach.

Das Verhältnis zwischen den beiden Rennställen ist schon lange nicht das beste. 1999 waren die Ferrari-Piloten Eddie Irvine und Michael Schumacher wegen zehn Millimeter zu breiter Windabweiser disqualifiziert worden, nachdem sie beim Rennen in Malaysia die Plätze eins und zwei belegt hatten. Nutznießer wäre McLaren-Pilot Mika Häkkinen gewesen- wenn der Automobilweltverband FIA nicht doch eingeknickt wäre und der Ferrari-Berufung stattgegeben hätte.

Auch bei anderer Gelegenheit - etwa dem Verbot des von seiner Firma mit großem Aufwand erforschten Werkstoffs Beryllium für den Motorenbau - witterte Dennis nicht nur phonetisch eine verdächtige Nähe der FIA zur Ferrari-Mutter Fiat. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, wieso er hinter jedem Detail, das über den Spionagefall bekannt wurde, italienische Propaganda witterte. Schon vor dem Freispruch hatte Dennis angekündigt, er werde sich genau merken, wer in der Affäre seiner Reputation mit welchen Mitteln geschadet habe.

Im Mittelpunkt der Sitzung am Donnerstag stand die Frage, ob McLaren-Chefdesigner Mike Coughlan in diesem Frühjahr auf eigene Faust handelte, als er geheime Informationen von Ferrari entgegennahm und ob er das verbotene Wissen für sich behielt - oder ob er es weitertrug und dem Team somit einen unlauteren Vorteil verschaffte. Die zweite Version der Geschichte hatten am Donnerstag noch einmal der britische Guardian und der in Mailand erscheinende Corriere della Sera gestützt.

Beide Zeitungen zitierten aus Dokumenten, die Ferrari in der vergangenen Woche bei einem Gericht in London gegen Coughlan eingereicht haben soll. In ihnen wird angeblich beschrieben, wann Coughlan welche Details erfahren, und wie und wann er diese an Geschäftsführer Martin Whitmarsh und Technikchef Paddy Lowe weitergetragen haben soll. Nach Darstellung von Ferrari habe sich McLaren so einen Vorteil verschafft, der die Italiener bis zum Saisonende um 5,5 Millionen Euro bringen könnte.

© SZ vom 27.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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