Sofia - Bremen:Der neue Traumsturm

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Die Bremer Sturm-Schule dürfte der richtige Ort für die Erziehung des Klose-Partners Aaron Hunt sein.

Christof Kneer

An dieser Stelle zunächst mal ein herzlicher Dank an Aaron Hunt. Das ist nämlich ganz schön nett von ihm, dass er so einen freundlichen Nachnamen hat, mit dem man so freundliche Wortspiele veranstalten kann. Vor anderthalb Jahren hat er zum Beispiel sein erstes Ligator für Werder Bremen geschossen, und eine Zeitung notierte mit feierlichem Ernst, dass der freche Hunt seine Chance genutzt habe.

Sie verstehen sich prächtig: Miroslav Klose und sein Zauberlehrling Aaron Hunt (Foto: Foto: AP)

Eine andere Zeitung vertrat entschieden die Ansicht, Werder sei auf den Hunt gekommen, wovon sich wieder andere Zeitungen inspiriert fühlten, wobei diese erstmals auf die korrekte Aussprache des Namens (sprich: Hand) achteten. Also wurden Hunt-Tore erfunden, und einmal - auch schön - ging der Ball nur um eine Hunt breit vorbei.

Vier Tore, drei Vorlagen

Wie gesagt, man muss ihm dankbar sein, dem Aaron Hunt, Sohn eines Deutschen und einer Engländerin. Hätte er einen langweiligen Namen, dann wäre das ja gar nicht auszuhalten, immerhin hat der Bremer Sturm einen Ruf zu verteidigen. K.-und-k.-Sturm, so hieß er bis vor kurzem, das klang treffsicher und prägnant, aber seit Ivan Klasnic ins Formloch plumpste, ist der arme Klose ganz allein mit seinem K.

Seit einem Monat aber hat er diesen neuen Zauberlehrling an seiner Seite, der ihm, wie beim 6:1 in Mainz, so formvollendet die Bälle vorlegt, dass Klose gar nicht anders kann, als seine Torkrise zu beenden - pünktlich zum Champions-League-Spiel bei Levski Sofia am Dienstag, das die Bremer sehr dringend gewinnen müssen, um in der huntsgemeinen Gruppe mit Barcelona, Chelsea und Sofia noch eine Chance zu haben.

Aaron Hunt, 20, ist ein großartiger Vorbereiter, und wenn Namenswortspiele nicht absolut verboten wären, müsste man glatt darüber nachdenken, ihn Die rechte Hunt Kloses zu nennen. Andererseits wäre das auch wieder eine Falschmeldung, weil Hunt auch ein großartiger Vollstrecker ist. Nach neun Bundesliga-Spieltagen hat er vier Tore und drei Torvorlagen angehäuft, was den Schluss nahe legt, dass hier ein junger Bursche auf dem besten Weg ist, ein kompletter Stürmer zu werden - und dass es womöglich kein Zufall ist, dass dieser kapitale Knabe im Hemd von Werder Bremen steckt.

Bremer Tradition: Passende Paare

In Bremen haben sie ihre Stürmer immer lieb gehabt, und sie hatten immer ein Gespür für das richtige Paar. Unter Otto Rehhagel haben sie Völler und Neubarth gehabt, Riedle und Burgsmüller, Allofs und Rufer. Später, in der Neuzeit, hatten sie Pizarro und Ailton, Ailton und Klasnic, Klasnic und Klose. Praktischerweise haben sie einen der alten Helden in die Gegenwart hinübergerettet und mit der Akquise neuer Helden beauftragt.

Werders Sportchef Klaus Allofs war ein Linksfuß wie Hunt einer ist, und Linksfüße erkennen einander schnell. "Dass Aaron ein Linker ist, gefällt mir natürlich besonders", sagt Allofs. Er hat den Frechdachs in Bremen unter Artenschutz gestellt, er hat schnell gemerkt, was hier für eine Begabung wächst. Er hat ihn partout nicht ausleihen wollen im Sommer, als Hunt und sein Berater wegen mangelnder Spielpraxis unruhig wurden.

"Wir hatten Aaron schon letzte Saison auf der Rechnung", sagt Allofs, "aber dann hat er sich zu Beginn der Rückrunde am Knie verletzt, genau zu der Zeit, als auch Klose ausfiel. Sonst hätte die Liga Aaron schon früher kennen gelernt." Immerhin war er prominent genug für eine ziemliche lange Verehrerschlange: Bochum, Frankfurt und Aachen umgarnten ihn im Sommer, und als Allofs gerade so weit war, ihn leihweise abzutreten, da wollte plötzlich der Spieler nicht mehr.

"Er kam zu mir und hat gesagt, er will's jetzt doch versuchen", sagt Allofs - recht mutig angesichts des Duos Klose/Klasnic und der frisch verpflichteten Hugo Almeida (FC Porto) und Mohamed Zidan (Mainz). "Aber Aaron hat sich das zugetraut, und jetzt kann man sagen, dass beide Seiten alles richtig gemacht haben."

Bestätigung für Bremer Modell

Aaron Hunt ist eine Bestätigung für den Bremer Weg, und eine Herausforderung ist er auch. Eine Bestätigung ist er, weil es den Bremern zum 1001. Mal gelungen ist, sich aus sich selbst zu erneuern. Sie haben von der WM ja nicht nur positiv aufgeladene Klinsmänner zurückbekommen, sondern auch einen an der Seele ramponierten Ivan Klasnic. Flankierend hat der pokerbegabte Kroate nach einer müden WM so lange mit fremden Angeboten kokettiert, bis er sich darüber eine handfeste Formschwäche eingefangen hatte.

"Aber zum Glück legen wir Wert darauf, dass wir genügend Stürmer haben, die man kombinieren kann", sagt Allofs als bekennender Anhänger der Bremer Sturm-Schule. "Wir wollen keine reinen Spezialisten, die nur köpfen oder nur dribbeln können." Also haben erst Zidan und Almeida ein wenig Klasnic gespielt - bis Trainer Schaaf gegen Barcelona den frechen Hunt von der Leine ließ. Seitdem macht sich die Liga vergeblich auf die Suche nach seinen Schwächen, bis auf ein ausbaufähiges Kopfballspiel hat sie noch nicht viel gefunden.

Es haben schon geringere Begabungen den Weg in die A-Nationalmannschaft gefunden, aber Allofs wäre "nicht böse, wenn die Berufung etwas später käme". Eine Herausforderung ist dieser Hunt für Bremen nämlich auch. Er hat sich nächtens schon zweimal in Schlägereien verwickeln lassen, die von der Polizei geschlichtet werden mussten, und nach dem U21-Spiel gegen England wurden ihm rassistische Beschimpfungen seiner Gegenspieler unterstellt.

Man hat ihm nichts nachweisen können, und in Bremen gehen sie sicherheitshalber von der Unschuld ihres Hochbegabten aus. "Ich finde es gefährlich, dass die Engländer das heikle Thema Rassismus so aufgebauscht haben", sagt Allofs, aber natürlich sind sie weiter wachsam im Klub.

Damals, nach den Schlägereien, hat sich der Vereinspsychologe Uwe Harttgen um Hunt gekümmert, inzwischen wähnt Allofs sein einstiges Sorgenkind auf einem stabilen Weg. "Man muss den Beruf des Profifußballers nicht nur auf dem Platz lernen, sondern auch daneben", sagt er, "bei einigen geht das geräuschlos vonstatten, bei anderen ein bisschen lauter."

In Bremen sind sie fest entschlossen, Aaron Hunt zu vertrauen. Sein Vertrag endet im Sommer, aber sie haben sich per Handschlag bereits auf eine weitere Zusammenarbeit verständigt. "Die Unterschrift folgt demnächst", sagt Allofs. Die größte Jugendsünde haben sie ihrem Stürmer ohnehin längst verziehen: Als 14-Jähriger wäre Aaron Hunt fast beim FC Bayern gelandet.

© SZ vom 31. Oktober 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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