Snowboarden bei Olympia:Der Knall bleibt aus

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Stimmungsaufheller vor verblichenen Kühltürmen: Annika Morgan zieht im Big-Air-Wettkampf in ihr zweites Olympia-Finale ein. (Foto: Aleksandra Szmigiel /Reuters)

Die deutschen Snowboarder reisen das erste Mal seit 2010 ohne Medaillen von Winterspielen ab. Für die Zukunft ist der Verband gut aufgestellt - die Sorge, nun Fördergelder zu verlieren, ist trotzdem da.

Annika Morgan trug einiges mit sich. Die Erinnerungen an ihre ersten Winterspiele ("einfach krass"), also an einen achten Platz im Slopestyle-Finale und einen zehnten am Dienstag im Big Air ("ein Traum ist in Erfüllung gegangen"). Die Freude über die Leistungen der Besten war auch wieder groß, allen voran über die Österreicherin Anna Gasser, die als einzige im Feld einen Trick mit dreieinhalb Drehungen zeigte und ihren Titel von 2018 verteidigte. Sie freue sich jedenfalls schon auf die nächsten Winterspiele, sagte Morgan, sie wird dann 24 Jahre alt sein, die besten Tage ihres Sportlerlebens liegen ziemlich sicher noch vor ihr. "Vielleicht", sagte sie, "gibt es heute Abend noch ein paar Bierchen", zur Feier des Tages.

So reich wie bei Morgan war das Rückreisegepäck aber längst nicht bei allen deutschen Snowboard-Hoffnungen gefüllt. Morgans Kollegen aus der Freestyle-Sparte konnten noch zufrieden sein; André Höflich hatte ein spektakuläres Halfpipe-Finale als Achter beendet, Leon Vockensperger wurde von Verletzungssorgen zurückgeworfen. Und die Mitarbeiter der Sparten Boardercross und Race? Die waren noch ambitionierter in ihre Wettkämpfe gezogen - und machten sich ohne die erhofften zwei bis drei Medaillen auf den Weg zurück.

"Andere haben den Fokus klarer gesetzt. Die lassen es einfach knallen", sagte Andreas Scheid, der Sportdirektor von Snowboard Germany nun, ziemlich ernüchtert. Platz fünf für Ramona Hofmeister und das Aus in der Qualifikation für Stefan Baumeister im Parallel-Riesenslalom, Rang neun für Mitfavorit Martin Nörl im Cross-Rennen: Das floss zu einem Ergebnis zusammen, an dessen Ende die ersten Spiele seit 2010 ohne Podestplatz für den Verband stehen. Bis in vier Jahren in Mailand/Cortina d'Ampezzo "müssen wir uns noch mehr auf die Topkandidaten ausrichten und für sie bessere Rahmenbedingungen und eine individuellere Betreuung schaffen", sagte Scheid.

"Wir werden das Fernbleiben der Medaillen zu spüren bekommen", sagt der Sportdirektor

Hofmeister, die Gesamtweltcupsiegerin der vergangenen beiden Winter im Parallel-Weltcup, hatte einen wechselhaften Winter und in Peking dann einen turbulenten Wettkampf erlebt, mit einem Sturz im Achtelfinale, nachträglicher Versetzung in die nächste Runde - und dem unerwarteten Aus. Nörl wiederum, nach drei Weltcupsiegen hintereinander ein Medaillenkandidat im Boardercross, war nach dem "versöhnlichen Abschied" (Scheid) mit Platz fünf im neuen Mixed-Teamwettbewerb etwas ratlos: "Ich habe hier nicht meine besten Läufe gezeigt, alles sehr unkonstant", sagte er im ZDF. Die Rolle des Mitfavoriten hatte er in Peking jedenfalls das erste Mal bekleidet, auf olympischem Geläuf. Sein Sportdirektor hatte das im Anschluss so kommentiert: "Wir bringen es nicht auf den Punkt. Man braucht dieses Selbstverständnis, hier an den Start zu gehen und zu gewinnen."

Die Schwächen von Peking werden sich auch in der Buchhaltung auswirken. "Wir werden das Fernbleiben der Medaillen zu spüren bekommen", sagte Scheid. Um den Zufluss der Fördermittel zu erhalten, müsse man "kämpfen". Hoffnung machen der Altersschnitt von rund 23 Jahren und die neu gewonnene Breite; in der deutschen Sportförderung soll künftig ja vor allem das Potenzial gefördert werden - theoretisch zumindest. "Wir sind in allen Disziplinen konkurrenzfähig", sagte Scheid, vor allem mit Blick auf die Freestyle-Disziplinen, die im Verband lange darbten. Snowboard Germany kann sie gut gebrauchen, die Freude von Annika Morgan und anderen.

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