Snooker-Weltmeisterschaft:Maso bezwingt Sado

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Das Duell der ewigen Zweiten: Als es schon nach einem deutlichen Sieg aussah, wurde es plötzlich noch einmal spannend im Crucible Theater. Am Ende setzte sich doch der Schotte Grame Dott durch.

Milan Pavlovic

Qual ist ein Gefühl, das nicht nur Sadisten und Masochisten vorbehalten ist. Sie kann auch ganz objektiv zu einer höheren Kunst werden. In Sheffield war dieser Punkt am Montagabend erreicht. Im Finale der Snooker-WM schien weder Graeme Dott noch Peter Ebdon in der Lage zu sein, den Titel zu gewinnen. Der 27. Durchgang des auf maximal 35 Sätze angesetzten Duells dauerte bereits über eine Stunde, und die Unruhe im Saal wurde größer, das Raunen zu einer Mischung aus Mitleid und Verständnislosigkeit. Die beiden Männer, die aussehen wie Cousins, die lange nichts voneinander wussten - hagere Körper, markante Nasen, wenig Haare -, spannten sich und die Zuschauer auf die Folter mit einer Serie von gekonnten Sicherheitsstößen und oft hauchdünn missratenen Offensivaktionen. Während dieser 74 Minuten festigte sich der Eindruck, hier würde niemand gewinnen. Sondern nur einer als erster verlieren.

Neuer Weltmeister: Graeme Dott. (Foto: Foto: AP)

Der Schotte Dott, 28, Profi seit 1994 und Verlierer aller vier Finals, die er bestritten hatte - darunter das WM-Endspiel 2004 gegen Ronnie O'Sullivan -, hatte die ersten drei Abschnitte des in vier Sessions ausgetragenen Finales dominiert. Er spielte nie spektakulär wie etwa sein Landsmann O'Sullivan, den er im Halbfinale ausgeschaltet hatte, obwohl dieser an guten Tagen Sätze in weniger als zehn Minuten beenden kann. Aber dafür agierte Dott souverän: Mit der Eichhörnchen-Taktik, in mehreren Anläufen genug Punkte zu sammeln, war er 15:7 in Führung gegangen. In der Abend-Veranstaltung benötigte er also nur noch drei frames zum ersten Titelgewinn und zur Siegprämie von 200000 Pfund. Nach einem leichtfertig vergebenen Satzball, der ihm das 16:8 gebracht hätte, war allerdings zu beobachten, wie jede Leichtigkeit aus dem Körper des Außenseiters wich: Er wirkte verkrampft, sein Kopf schwer, und mit dem Selbstbewusstsein ging auch die Technik verloren.

Ebdon, der wohl langsamste der guten Snooker-Spieler, kannte diese Situation aus dem Halbfinale, als der Engländer fast noch einen 15:9-Vorsprung gegen Marco Fu (Hongkong) verloren hatte. Die Erfahrung nutzte er. Er profitierte von Dotts Fehlern, wurde selbst immer sicherer und verkürzte: auf 10:15, 11:15, nach weiteren brutalen 74 Minuten - dem bisher längsten Satz in einem live übertragenen Match - auf 12:15 und, nachdem Dott auch den letzten Rest an Ruhe verloren zu haben schien, sogar auf 13:15.

Einem Zwischenhoch folgte das nächste Tief, und bei einem Zwischenstand von 61:1 hatte Ebdon bereits das 15:16 vor Augen. Dott saß während Ebdons Serie zusammengekauert auf seinem grauen Sitz, legte zwei Finger auf seine Augen und begab sich an einen besseren Ort. Dann unterlief seinem Gegner ein winziger Fehler. Das war genug, um diesem Finale seine letzte Wende zu geben: Dott räumte den Tisch mit einer Serie brillanter Stöße ab ("Das war das beste break meiner Karriere - ich weiß nicht, wie ich zu diesem Zeitpunkt dazu fähig war"), gewann den frame 69:61 und jubelte wie ein Fußballer nach einem Tor - eine Geste, wie sie in diesem stillen, von guten Manieren und unterdrückten Gefühlen gekennzeichneten Sport unüblich ist. Doch wer wollte ihm das verdenken? Nach zwei Turnierwochen und den vierzehn Endspiel-Stunden voller innerer Qualen mussten die Emotionen einfach nur raus.

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