Skispringen:Fortschritt in den Tälern

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Die Zeiten sind so, dass nichts selbstverständlich ist, und deswegen freut sich Martin Schmitt jetzt erstmal. Es gibt keinen Grund zu verweilen, die Saison hat schließlich erst begonnen, und der Weltcup-Tross der Skispringer muss weiterziehen auf seiner Tour durch den olympischen Winter - nach Lillehammer in Norwegen, wohin der Weltskiverband Fis die Springen am nächsten Wochenende verlegt hat, weil der vorgesehene Veranstalter in Trondheim nicht genug Schnee vorweisen kann.

Thomas Hahn

Aber Schmitts Anfang war gut, und das kann eine Hilfe sein auf dem weiteren Weg. Platz 14 und 15 hat er erreicht am Samstag in Kuusamo/Finnland, als die Fis wegen des Wetters zwei Wettkämpfe mit je einem Durchgang ansetzte. Damit hat Martin Schmitt sich schon mal die Qualifikation für Olympia gesichert, und er sagt: "Darauf kann man aufbauen."

Bekanntes Flugobjekt: Martin Schmitt beim Training (Foto: Foto: Reuters)

Vielleicht sollte hier eine ganz andere Geschichte stehen. Die des Breitenberger Polizeiobermeisters Michael Uhrmann zum Beispiel, der in Kuusamo Vierter und Dritter wurde und den deutschen Skispringern damit einen schönen Erfolg einbrachte. Aber es zählt nun einmal zu den Eigenheiten des Geschäfts, dass die Blicke immer wieder auf den früheren Weltmeister und Weltcup-Dominator Schmitt zurückfallen.

Eine gewisse Strahlkraft

Die Anteilnahme an seinem Fortkommen ist groß, was man als Referenz an seine früheren Verdienste verstehen kann oder als Hoffnung, dass Schmitt nach Jahren der kurzen Sprünge eines Tages wieder den schillernden Helden gibt, als der er zwischen 1998 und 2001 eine ungeahnte Skisprungbegeisterung im Land entfachte. Jedenfalls geht von dem Mann weiterhin eine gewisse Strahlkraft aus, was er selbst durchaus zu schätzen weiß, weil er sagt: "Das gibt mir ein gutes Gefühl, dass andere noch ein gewisses Vertrauen in mein Leistungsvermögen haben."

Schmitt also galt als Gewinner des Wochenendes von Kuusamo, was man auch wieder auf zwei Arten deuten konnte: Als Zeichen für seine mäßige Form, weil er schon zweistellige Ergebnisse feierte. Oder als Zeichen des Aufschwungs, nachdem er im Training noch ziemlich traurige Sprünge gezeigt hatte. Er selbst hat es natürlich als Fortschritt gewertet, genauso wie Bundestrainer Peter Rohwein und Rudi Tusch, der Technische Leiter, der wegen Schmitts früher Olympia-Qualifikation sagt: "Er kann sich beruhigt auf die künftigen Aufgaben vorbereiten."

Auch er wird älter

Allerdings durften die Männer auch nicht so tun, als wäre hier jemand schon wieder auf halbem Weg zu altem Ruhm. In den vergangenen Jahren hat Schmitt immer wieder erleben müssen, dass manche Beobachter schon kleine Fortschritte bei ihm als zukunftsweisende Erfolge werteten, was seine Situation nicht einfacher machte.

Vergangene Saison hob schon großer Jubel an, als er mit Windunterstützung Siebter beim Bergiselspringen in Innsbruck geworden war - kurz darauf hatte er wieder gehörigen Rückstand. Bei der WM in Oberstdorf erntete er viel Applaus, als er auf der Normalschanze überzeugte und die Mannschaft zum Silber-Gewinn leitete - wenig später war er wieder Mittelmaß. Und Rohwein wies zuletzt darauf hin, dass man sich keine Illusionen machen dürfe über die Perspektiven des Martin Schmitt, der mittlerweile 27 ist und dessen letzter Weltcupsieg fast vier Jahre zurückliegt.

Rohwein gefällt Schmitts Beharrlichkeit in Zeiten der Krise, er sagt: "Er ist nicht nur ein Ausnahmeathlet in Zeiten, in denen es funktioniert hat, sondern eben auch in Zeiten, in denen es nicht funktioniert." Aber er macht sich nichts vor: "Martin ist jetzt fast das dritte Jahr in der Versenkung. Auch er wird älter, er kriegt Druck aus der eigenen Mannschaft, er macht sich selbst ein bisschen Druck, da lässt sich nicht mehr so befreit aufspringen wie als 17-, 18-Jähriger. Martin Schmitt wird, denke ich, kein Seriensieger mehr werden."

Martin Schmitt hört so was nicht gern. Es passt schlecht zu seiner selbst auferlegten Vorgabe, den Glauben nicht zu verlieren. Er weiß, dass er im vergangenen Jahr athletische Defizite hatte, dass seine Technik nicht funktionierte und dass er bei den Vorbereitungslehrgängen zu dieser Saison nicht den Eindruck hinterließ, als könne er die Skisprungwelt einreißen. Aber er sagt: "Es ist immer schwierig solche Prognosen zu stellen."

Und dann verweist er auf die Springer, die nach langen Krisen große Siege feierten: auf Jakub Janda aus Tschechien, 27, der das Auftaktspringen in Kuusamo gewann, oder auf Roar Ljoekelsoey, 29, den Skiflug-Weltmeister aus Norwegen. Das Skispringen ist unberechenbar, also glaubt Schmitt an seine Chance. "Ich will wieder ganze vorne dabei sein", diesen Ehrgeiz trägt er nun schon seit fast vier Jahren durch die Täler seiner Karriere, aber er fühlt sich im Recht. So tief ist Martin Schmitt noch nicht gesunken, dass er einen guten Anfang als Ziel seiner Bemühungen versteht.

© SZ vom 29.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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