Skiflug-WM:Freitag fliegt der Ungewissheit davon

Lesezeit: 2 min

Richard Freitag fliegt in der Nacht von Oberstdorf. (Foto: Adam Pretty)
  • Richard Freitag landet bei der Skiflug-WM auf dem dritten Platz.
  • Er zeigt, dass er seinen Sturz bei der Vierschanzentournee gut verkraftet hat.
  • Das verlangt seinem Trainer und auch seinem Vater großen Respekt ab.

Von Matthias Schmid, Oberstdorf

Es waren Bilder, die Skispringer überhaupt nicht mögen. Im Aufenthaltsraum der umgebauten Oberstdorfer Heini-Klopfer-Schanze mussten sie vor dem letzten und vierten Durchgang am Monitor tatenlos ansehen, wie die Windfähnchen schönste Purzelbäume schlugen und Männer mit mächtigen Bläsern vergeblich versuchten, die Anlaufspur vom Schnee zu befreien. Die Springer hatten alle bis zuletzt gehofft, dass sie noch mal auf den Bakken durften bei der Skiflug-Weltmeisterschaft in Oberstdorf. Doch Walter Hofer, Renndirektor der Skispringer, war das Risiko zu groß. Starke Windböen und der dichter werdende Schneefall waren "nicht mehr zu handeln", wie der Österreicher bestätigte. Also entschied die Jury, den Wettkampf abzubrechen und nur drei Durchgänge zählen zu lassen: Mit einem aus deutscher Sicht ganz erfreulichen Resultat: Richard Freitag gewann die Bronzemedaille, hinter dem Norweger Daniel-André Tande und dem Polen Kamil Stoch.

"Ich muss das erst einmal verarbeiten", sagte Freitag. Er schien im ersten Moment gar nicht zu begreifen, dass er seine erste Einzelmedaille bei einem großen Wettbewerb gewonnen hat. "Komisch" waren seine weiteren Wörter. "Unglaublich". Und: "Ich kann gar nicht mehr richtig denken." Man muss dem 26-Jährigen seine Orientierungslosigkeit nachsehen. Hinter ihm liegen aufregende Tage und Wochen. Nach seinem Sturz bei der Vierschanzentournee in Innsbruck hatte er zwei Wochen pausieren müssen. Ihn plagt vor allem die Hüfte, die Schmerzen, die Folgen des Aufpralls, sind noch immer nicht verschwunden. Trotzdem entschied er sich bei der Skiflug-WM zu starten, in Oberstdorf, an dem Ort, in dem er seit dem vergangenen Sommer lebt und trainiert.

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Wie viel Freitag die Medaille bedeutet, konnte daher Werner Schuster, der deutsche Bundestrainer, sehr gut einordnen. Freitag habe viele Hoch und Tiefs in seiner Karriere erlebt. "Er hat sie verdient und sollte sie auch genießen, wie wir sie alle genießen sollten." Der letzte deutsche Springer, der bei einer Skiflug-WM auf dem Podium stand, war Severin Freund, vier Jahre liegt sein Sieg schon zurück.

Oberstdorf war auch der Stresstest für sein Sprunggefühl

Für Schuster war der dritte Platz seines Vorspringers auch eine Bestätigung für die vergangenen Tage, mit den Physiotherapeuten hatte Freitag intensiv gearbeitet. Körperlich hatte er schon wieder gut ausgesehen, auch wenn nicht alle Schmerzen wegbehandelt werden konnten. Was blieb war vor allem die Ungewissheit, wie Freitag den Sturz im Kopf verarbeitet hatte. Er war zur Vierschanzentournee als Favorit angereist, hatte bis dahin den Weltcup dominiert, drei Springen gewonnen. Er war in der Form seines Lebens, der einzige, der mit zwei zweiten Plätzen bei der Tournee mit dem famosen Sieger Kamil Stoch mithalten konnte. Doch dann stürzte Freitag in Innsbruck bei der Landung und musste den Wettbewerb vorzeitig beenden.

Die WM in Oberstdorf war nun also der erste Wettkampf nach dem Unfall, gleichzeitig der bestmögliche Stresstest, um zu sehen, wie viel Freitag von seinem Sprunggefühl eingebüßt hat. Schusters Antwort fällt positiv aus: "Richard hat das sehr gut gemacht", fand er: "Die Medaille ist sehr wertvoll für ihn."

Richard Freitag hatte sich schnell wieder zurechtgefunden auf der Schanze in Oberstdorf. "Dass es so gut läuft, hatte ich gehofft - selbstverständlich war es nicht", sagte er nach den ersten beiden Durchgängen. In diesen war nur Tande besser und stabiler gesprungen. Freitag flog mit Weiten auf 228 und 225 Meter sogar weiter als Stoch, was auch Freitags Vater imponierte, einem ehemaligen Weltklassespringer. "Das ist ganz großer Sport nach dem Sturz", befand Holger Freitag. Doch am Samstag hatte sein Sohn dann Pech mit dem Wind, er hatte die schlechtesten Bedingungen und landete vor den 25 000 Zuschauern schon nach 190,5 Metern, er fiel auf den dritten Rang zurück. Die Medaille konnte ihm nach dem Abbruch aber niemand mehr nehmen. "Wahnsinn, was in den paar Flügen hier alles passiert ist", stellte Richard Freitag noch fest. An diesem Sonntag ist sogar eine weitere für ihn drin, im Teamfliegen. Sofern die Windfähnchen nicht wieder Purzelbäume schlagen.

© SZ vom 21.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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