Ski-WM: Interview mit Bode Miller:"Ich werde den perfekten Schwung nie hinkriegen"

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Der amerikanische Skirennläufer Bode Miller über Uniformität der Fahrer, Ausdrucksmöglichkeiten auf der Piste und unerreichbare Ziele.

W. Gärner

SZ: Schade um Ihre Superkombination, in der sie im Slalom ausschieden. Aber es war wohl nicht zu erwarten, dass Sie einen Vorsprung von drei Sekunden verwalten würden?

Bode Miller bezeichnet sich selbst gerne als "Maverick", als Einzelgänger. (Foto: Foto: AFP)

Bode Miller: Nein, ich kann das nicht, und ich finde, das würde auch nicht gut ausschauen. Rennen sollten gefahren werden, nicht gebremst. Das ist nicht nur wichtig für mich selbst, sondern für den Sport. In einem WM-Rennen ins Ziel zu bremsen, wäre ein schlechtes Beispiel.

SZ: Wie gefällt Ihnen Val d'Isère - ist es hier besser zum Skifahren oder zum Party machen?

Miller: Es ist gut für beides. Bei der WM ist es zwar ein bisschen anders, aber grundsätzlich ist Val d'Isère ein cooler Ort - alle Leute kommen aus demselben Grund: Um Spaß zu haben, Party zu machen und Ski zu fahren. Woanders gibt es das vielleicht auch, aber nicht so wie hier - in Val d'Isère ist das Skifahren phänomenal.

SZ: Vor einem Jahr gewannen sie auf dem Bellevarde die Weltcup-Kombination, jetzt bei der WM waren sie im Super-G Zwölfter, in der Abfahrt Achter, in der Kombination schieden Sie aus. Ist dieser Berg noch ihr Freund?

Miller: Der Bellevarde ist ein schwieriger Berg, aber Weltmeisterschaften sollten auf schwierigen Bergen entschieden werden, der Herausforderung wegen. Es lief nicht sehr gut für mich, aber ich denke, dass ich meine Fähigkeiten zeigen konnte. Wenn ich hier keine Medaille gewinnen sollte, wäre das an diesem Punkt meiner Karriere nicht so wichtig. Natürlich würde ich gerne eine holen, aber wichtiger ist das Gefühl, gut Ski gefahren zu sein.

SZ: Sie sagten mal, die Olympischen Spiele würden sich zu sehr um Ergebnisse drehen. Gilt das auch für Weltmeisterschaften?

Miller: Wie ich vorhin schon sagte - es ist verwirrend, wenn man bei einer WM Leute sieht, denen es nur darum geht, es ins Ziel zu schaffen, und dabei weiß man, dass sie viel mehr könnten. Die Kinder können das sehen, die Medien können es sehen, alle. Auf diese Art eine Medaille zu gewinnen, ist eine Versuchung, denn dafür gibt es Geld und Ruhm. Diese Versuchung existiert auch in normalen Berufen, im ganzen Leben. Aber bei Skirennen ist sie größer, denn hier ist das Risiko hoch und der Spielraum gering.

SZ: Sind Sie als Skifahrer immer noch auf der Suche nach dem perfekten Schwung?

Miller: Natürlich - aber es passiert nicht. Ich versuche es weiter, das Problem ist: Es wird nie passieren, es ist unmöglich. Ich werde den perfekten Schwung nie hinkriegen, aber ich muss es weiter versuchen. Das Wichtige ist, dass man dabei bleibt.

SZ: Wie würden Sie den perfekten Schwung beschreiben?

Miller: Das kann ich nicht, weil ich denke, dass der perfekte Schwung gar nicht existiert.

SZ: Als was würden Sie sich selbst bezeichnen: Außenseiter, einsamer Wolf, Einzelgänger?

Miller: Als Maverick - Einzelgänger, vielleicht. Aber eigentlich brauche ich kein Label für mich selbst.

SZ: Ist die Art, wie Sie den Winter zubringen - ungezwungen, frei im Wohnmobil von einem Rennen zum anderen - für Sie das perfekte Leben?

Miller: Auch das perfekte Leben gibt es nicht. Aber ich versuche die ganze Zeit, es hinzukriegen.

SZ: Ganz frei sind Sie schon nicht wegen der Verpflichtungen gegenüber ihren Partnern, Ausrüstern, Sponsoren. Wie bekommen Sie das hin, wie deckt sich das mit Ihrer ungezwungenen Lebensweise?

Miller: Es gibt in dieser Hinsicht eine Menge zu tun - auch das ist eine andauernde Herausforderung: Man muss dazu von einem Extrem ins andere wechseln. Ich versuche, diese Verpflichtungen ordentlich zu erledigen, meine Sponsoren glücklich zu machen, aber ich muss gleichzeitig auch meine Prioritäten einhalten. Ich kann nicht mein Glück für diese Sachen opfern, auch wenn das die Leute von mir wollen.

SZ: Sie sind stets sehr kontrovers in Ihren Aussagen über den Ski-Weltverband Fis, aber haben sich von Fis-Renndirektor Hujara in sein Athletengremium holen lassen. Glauben Sie, dass Sie da wirklich gehört werden, Ihre Meinung geschätzt wird und in Entscheidungsprozesse einfließt?

Miller: Ich weiß, dass sie mich hören, denn ich mache ja genug Lärm. Aber ich denke nicht, dass sie wirklich auf meine Meinung Wert legen. Wenn dasselbe, was ich sage, von einem anderen Fahrer käme, würde es anders aufgenommen, glaube ich. Manchmal versuche ich, meine Kritik so einzubringen, dass sie es akzeptieren können. Aber es ist eine ziemlich stagnierende Angelegenheit - sie ändern ihre Ansichten nicht sehr schnell.

SZ: Was würden Sie am alpinen Skirennsport ändern, wenn sie könnten?

Miller: Eine Menge - ich denke, man müsste zu dem zurückkehren, was Skirennen einmal waren. Damals sah man Unterschiede zwischen den Fahrern, ihre Persönlichkeit kam durch, drückte sich aus in der Art, wie sie fuhren. Man konnte es sehen - jetzt sieht man es nicht mehr, alle fahren gleich. Das nimmt dem Sport Reiz und Charakter.

SZ: Geht es nicht auch um Sicherheit?

Miller: Schon, aber anders, als Sie erwarten. Ich denke, eine Abfahrt sollte nicht mehr als zehn Tore haben. Es sollte nicht so sein wie hier, mit so vielen Toren, die dem Downhill seine Würze nehmen. Meist geht es nur noch darum, alle Tore zu erwischen. Es ist zu technisch, kein wirklicher Test, um herauszufinden, wer wirklich schneller sein will. Alle fahren den Berg innerhalb einer Trasse herunter, die nicht breiter ist als einen Meter. So sollten Skirennen nicht sein. Es bräuchte ein paar Kontrolltore aus Sicherheitsgründen, ansonsten sollte der Athlet mehr Ausdrucksmöglichkeiten haben beim Bewältigen einer Abfahrt, sollte da fahren können, wo er will, um zu zeigen, was er für ein Skirennfahrer ist.

SZ: Hielten Sie das auch auf der Face de Bellevarde für möglich?

Miller: Natürlich - bis zum ersten Sprung brauchte man überhaupt kein Tor, auf der ersten halben Fahrminute würden Sicherheitszäune reichen. Jeder würde eine andere Linie wählen, das würde die Rennfahrer unterscheidbar machen. So begann es mit den Skirennen, dieses Element gehört wieder rein, sonst wird es irgendwann zu langweilig.

SZ: Teilen Sie die Befürchtung, aufgrund des Klimawandels könnte Skifahren in ein paar Jahrzehnten nicht mehr möglich sein?

Miller: Die globale Erwärmung ist ja schon Realität, und ich gehöre nicht zu der George-Bush-Mehrheit, die das ignoriert. Ich denke aber, dass es Skifahren dennoch weiter geben wird. Es wird nicht der ganze Schnee auf der ganzen Welt wegschmelzen. Aber Skifahren wird anders werden.

SZ: Sind Sie noch nicht müde, nach elf Jahren im Ski-Weltcup?

Miller: Manchmal schon - es ist ermüdend, Bode Miller zu sein!

SZ: Welche Ziele bleiben Ihnen noch als Skirennfahrer?

Miller: Dieselben wie vor zehn Jahren: Es geht nicht darum, dass ich Ziele erreiche, sondern dass ich sie verfolge. Normal setzen sich die Leute ein Ziel, und wenn sie es geschafft haben, setzen sich das nächste und so weiter. Das war nie mein Fall, das brauche ich nicht. Mir reicht es, einem Ziel hinterher zu jagen, von dem ich weiß, dass ich es nie erreichen werde. Es macht nichts, dass ich das weiß, und ich muss mir auch nicht vormachen, dass ich's erreichen könnte - ich bin glücklich damit.

© SZ vom 12.02.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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