Ski-WM in Frankreich:"Man muss frei sein im Kopf"

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Maria Riesch ist eng befreundet mit Lindsay Vonn - und die ist ihre größte Konkurrentin bei der WM in Val d'Isère. Im Interview spricht sie über das Verhältnis und ihre WM-Chancen.

Wolfgang Gärner

An diesem Dienstag beginnen mit dem Super-G der Frauen die 40. alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Val d'Isère. Nach ihrem fünften Platz am Sonntag im Super-G in ihrem Heimatort Garmisch-Partenkirchen rechnet sich auch die Deutsche Maria Riesch in dieser Disziplin wieder Chancen aus. Ihrer größten Ambitionen hegt die 24-Jährige aber im Slalom, da sie in dieser Disziplin in diesem Winter vier Weltcup-Rennen gewinnen konnte. Aussichtsreich ist sie auch in der Kombination, die traditionell aus Abfahrt und Slalom besteht.

Ski-Rennfahrerin Maria Riesch (links) und Lindsay Vonn: "Man muss für so ein Ereignis frei sein im Kopf" (Foto: Foto: dpa)

SZ: Frau Riesch, gehen Sie zuweilen auch mal privat Skifahren?

Maria Riesch: Keine Zeit. Manchmal würde es mich schon reizen, bei schönem Wetter, wenn ich die Touristen fahren sehe. Aber ich muss auch mal frei machen.

SZ: Skifahren ist für Sie nur Beruf?

Riesch: Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Skifahren ist die Hauptbeschäftigung, aber es macht immer noch Spaß. Auch andere Leute finden ihren Traumjob - für mich gibt es eben keine schöneren Beruf als Skifahren.

SZ: Sie gelten als eine Frau, die öffentliches Interesse sehr gut handhaben kann. Aber war der Druck schon mal so hoch wie in diesem Winter, speziell nach ihrer Siegesserie im Slalom?

Riesch: Nein, aber ich kam gut damit zurecht. Und es war sicher nicht der öffentliche Druck der Grund, weswegen ich nach meiner Slalomserie ein paar Mal ausschied. Man muss diese Einflüsse ausblenden, im Rennen, wenn es darauf ankommt. Wenn ich im Starthaus stehe, denke ich an nichts anderes als an meinen Lauf. Nicht daran, was die Leute von mir erwarten, oder dass ich punkten muss für den Gesamtweltcup.

SZ: Intern hieß es, für die WM sei es gar nicht schlecht, dass sie in der Gesamtwertung hinter Lindsey Vonn auf Platz zwei zurückgefallen sind - damit habe sich das Thema Weltcup erledigt, und Sie könnten sich auf die WM konzentrieren. Ist das das Gute im Schlechten?

Riesch: Sowieso, zumal die WM-Rennen nicht zählen für den Weltcup. Deshalb konnte ich diesen Komplex endlich mal beiseite schieben und mich komplett neu orientieren auf die WM. Man muss für so ein Ereignis frei sein im Kopf.

SZ: Eine Zeitlang war Ihre Freundschaft mit Ihrer amerikanischen Konkurrentin Lindsey Vonn ein beherrschendes Thema im Weltcup. Wurde Ihnen das nicht mal zu viel?

Riesch: Zuweilen schon, weil sich alles nur noch darum drehte - mehr als 50 Prozent der Interviews gingen darüber. Das ist nett, denn es ist ja auch eine gute Story, aber irgendwann reicht es. Vor allem, weil viele Leute, die einen darüber interviewen, es eigentlich gar nicht glauben. Kürzlich gaben Lindsey und ich ein Doppelinterview, und der Mann, der uns interviewte, schaute uns an, als denke er: Das kann doch nicht euer Ernst sein! Es klingt ja auch ein bisschen wie ein Märchen. Das konnte man nicht bremsen, weil es zumindest im ersten Teil der Saison so aussah, als ob es zwischen uns das große Duell werden würde. Das war das i-Tüpfelchen auf der Geschichte: dass wir beide im Weltcup vorne dabei sind, und beide in allen Disziplinen recht gut. Da wird drauf herumgeritten. Lindsey und ich lassen uns dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Unser Verhältnis hat sich auch nicht geändert durch die verschärfte Situation im Weltcup.

Auf der nächsten Seite: Maria Riesch über ihre erste Weltmeisterschaft, die Eigendynamik einer Siegesserie und den Wurm, der im Super-G steckt.

SZ: Sie treten zum dritten Mal bei einer WM an, aber Val d'Isère ist das erste Großereignis, das für Sie zur rechten Zeit zu kommen scheint.

Riesch: Beim ersten Mal, 2003 in St. Moritz, war ich gerade 18, jene WM war nur zum Kennenlernen. In Åre 2007 kam ich nach meinem zweiten Kreuzbandriss erst wieder zurück, da war ich auch nicht unbedingt die Medaillenhoffnung. Obwohl es in der Abfahrt hätte funktionieren können, ich war nicht weit weg vom Podium (als Neunte, eine halbe Sekunde zurück, Anm. d. Red.). Trotzdem wäre es die Sensation gewesen. Jetzt, in Val d'Isère, wäre es fast das Erwartete, wenn ich eine Medaille hole. Meine Situation ist dadurch schwieriger, weil auch ich viel von mir erwarte. Da darf man nicht verkrampfen, die Medaille nicht erzwingen wollen. Aber wenn es anders kommt als erhofft, habe ich 2011 bei der WM in Garmisch die nächste Chance und 2013 in Schladming noch eine.

SZ: Ist es für Sie eine Beruhigung, so viele Großereignisse vor sich zu haben?

Riesch: In unserem Sport kann man nichts weit im voraus planen. Jetzt denken alle, ich muss eine Medaille holen. Möglicherweise gewinne ich aber in zwei Jahren eine Medaille, ohne zuvor im Weltcup was zerrissen zu haben. Es gab schon einige, die über Jahre im Weltcup vorn dabei waren und nie eine Medaille holten. Ich hoffe, dass mir das nicht passiert.

SZ: Entwickelt sich in einer Siegesserie eine Art beflügelnder Euphorie?

Riesch: In gewisser Weise schon. Das bekam von Sieg zu Sieg eine stärkere Eigendynamik. Zwar dachte ich mir am Start immer: Irgendwann ist es vorbei. Aber dann gewann ich wieder und wieder, irgendwie kann man es sich selbst nicht erklären - es passiert einfach, so wie Ausfälle und Misserfolge auch.

SZ: Es geht alles wie von selbst, wenn man die Welle reitet?

Riesch: Zu überheblich darf man nicht werden, aber es ist schon so, dass man in solchen Phasen lockerer ist, ruhiger wird am Start. Man macht sich keine Gedanken mehr darüber, wie es geht, man stellt sich auf die Ski, fährt - und es klappt.

SZ: Wie empfanden Sie Ihren ersten Ausfall nach der Siegesserie?

Riesch: Das war in Zauchensee, wirklich schmerzhaft. Denn ausgerechnet dort, wo ich noch nie besonders geglänzt hatte, war mir zuvor so eine gute Kombinationsabfahrt gelungen, und dann kommt das Aus gerade in der Disziplin, in der ich bis dahin so gar kein Problem hatte.

SZ: Nachdem am vergangenen Freitag in Garmisch Lindsey Vonn vor Ihnen gewonnen hatte, erklärte Ihre Freundin Sie zur schärfsten Konkurrentin in den meisten Disziplinen bei der WM. Sie prophezeite: Maria Riesch gewinnt den Slalom! Verstehen Sie sich in Val d'Isère in erster Linie als Slalomfahrerin?

Riesch: Immer noch als Allrounderin. Das war mein Ziel und bleibt es für die nächsten Jahre: Konstanter zu werden in allen Disziplinen, so wie es Lindsey heute meist schon gelingt. Bei der Weltmeisterschaft ist mein Fokus natürlich auf Slalom und Super-Kombination - logisch, bei meinen Vorleistungen. Aber ich wäre auch in der Abfahrt gut drauf, und im Super-G ist zwar zurzeit ein bisschen der Wurm drin, aber da fehlt es auch nicht skifahrerisch. Nachdem ich bis Garmisch erst ein Ergebnis stehen hatte, und kein sehr gutes - Platz 24 in Lake Louise -, war es eine große Erleichterung, dass ich dort Fünfte wurde.

SZ: Die Schwedin Anja Pärson, die in diesem Rennen den zweiten Platz belegte, scheint sich für Großereignisse stets speziell in Form bringen zu können. Kann man das planen?

Riesch: Nicht generell. Anja ist da wirklich ein Phänomen, ähnlich wie früher die Amerikaner, die immer in Richtung WM oder Olympia stark wurden. Die hatten die Mentalität, zulegen zu können, wenn es um Medaillen geht. Das will jeder, aber nicht jedem gelingt es.

© SZ vom 03.02.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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