Ski Alpin:Irre schnell reicht nicht

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Der Schnellste in Adelboden: Alexis Pinturault. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Marcel Hirscher und Alexis Pinturault liefern sich beim Riesenslalom von Adelboden ein Duell, das dieser traditionsreiche Sport noch eine Weile im Gedächtnis behalten wird. Und die Deutschen? Tja.

Von Johannes Knuth, Adelboden

Gewinner oder Verlierer? So richtig konnte man das nicht aus seiner Reaktion lesen. Aber für einen Moment wirkte der Skirennfahrer Marcel Hirscher eher wie Letzterer.

Hirscher hatte auf dem Chuenisbärgli gerade eine Fahrt aufgeführt, die sie in Adelboden wohl noch eine Weile lang im Gedächtnis tragen werden. Was einiges heißen will bei all der Alpintradition, die hier tief im Berner Oberland wurzelt. Hirscher war den spiegelglatten, tückisch ausgeflaggten Kurs jedenfalls hinuntergerast wie ein Intercity-Express auf Schienen, der Österreicher hatte 1,99 Sekunden zwischen sich und Henrik Kristoffersen gelegt, den ersten Verfolger. Irre. Reichte aber nicht für den Sieg. Weil der Franzose Alexis Pinturault an seine Edelfahrt vom Vormittag später noch eine zweite knüpfte, seinen Vorsprung wahrte, um vier Hundertstelsekunden.

Hirscher knipste im Ziel ein schiefes Lächeln an, er schaute auf die Anzeigetafel, er zuckte mit den Schultern. Und das erzählte schon einiges über die Dominanz der beiden Klassenbesten am Samstag, die selbst in der scheinbaren Perfektion noch nach Verbesserungswürdigem suchten.

Die Riesenslalom-Welt bricht gerade mächtig auseinander: Hier Hirscher und Pinturault, dort der Rest, der in Adelboden von Hirschers Teamkollege Philipp Schörghofer angeführt wurde (+1,94 Sekunden). Hirscher überschrieb nebenbei noch die Geschichtsbücher, in Adelboden wurde er zum 100. Mal auf einem Weltcup-Podium vorstellig, wie Marc Girardelli, nur Ingemar Stenmark (155) ist jetzt noch besser.

Der Konkurrenz bleibt nur die Rolle des Laudators

"Heute zählt der momentane Erfolg", sagte Hirscher, "aber die Marke wird sicherlich noch wertvoller, wenn ich mit Skifahren aufgehört habe und sich jüngere Fahrer daran messen." Der Konkurrenz blieb schon am Samstag nur die Rolle des Laudators. Hirscher und Pinturault würden derzeit "in einer eigenen Liga" fahren, befand Felix Neureuther stellvertretend, "sie schaffen es zu attackieren, an den entscheidenden Stellen aber auch mal was wegzulassen." Attacke, aber in der richtigen Dosis eben.

Und die Deutschen? Tja.

Die vergangenen Weltcups hatten es nicht schlecht gemeint mit der ambitionierten Techniksparte des Deutschen Skiverbands (DSV), aber am Samstag überwogen in Adelboden dann doch wieder die Konjunktive. Wäre Dominik Schwaiger nicht so knapp im ersten Durchgang gescheitert, als 31 ... Wäre Stefan Luitz im fiesen Steilhang vor dem Ziel nicht ausgerutscht und ausgeschieden, mit passabler Zwischenzeit ... Und wenn Felix Neureuther im ersten Durchgang nicht dreimal nach innen gekippt wäre, ehe er sich im zweiten Lauf noch auf Rang acht schob ...

"Ich habe heute ein absolutes Spitzenresultat im ersten Durchgang aus der Hand gegeben. Das ist so schade, denn es ist so eng", sagte Neureuther. Immerhin, er habe zwischen Weihnachten und Neujahr gewissenhaft am Gudiberg trainiert, das war in den schmerzgeplagten Vorjahren selten möglich gewesen. Doch, ihm gehe es gut, beteuerte Neureuther, den Bluterguss ausgenommen - die Folge eines Ausrutschers im ersten Lauf. Überhaupt stelle er nach seinem zweiten Platz im Slalom von Zagreb unter der Woche immer öfter fest, "dass ich doch funktioniere, wenn es um die Wurscht geht". Zum Beispiel an diesem Sonntag, im Slalom.

Adelboden schafft nur wenige Gewinner und viele Verlierer

Bei den Kollegen hielt sich diese Funktionstüchtigkeit am Samstag noch in Grenzen, und so schleppen sie beim DSV neben zarter Zuversicht auch einige Sorgen in die kommenden Tage und Wochen der Januarklassiker. Luitz zum Beispiel kommt nicht so recht auf dem Weg in die Spitze voran, "mein Unvollendeter", sagte Alpindirektor Wolfgang Maier, "schon seit Jahren."

Luitz ist einer der schnellsten Piloten im Riesenslalom-Weltcup, er verheddert sich aber auch immer wieder in Fehlern - vor allem in einem, den er sich in seinen Lehrjahren als Jugendlicher eingefangen hat: wenn er zu direkt auf ein Tor zusteuert. Dann reagiere Luitz oft falsch, "das sitzt so tief drin, das ist wahnsinnig schwer rauszubekommen", sagt Mathias Berthold, Cheftrainer der Männer. Technische Pannen treten im Skisport vor allem dann auf, wenn der Fahrer schon leicht verunsichert ist, oder wenn er vom Lärm umtost wird und ihm die Konzentration entgleitet, ganz kurz, wie am Zielhang in Adelboden. "Das darf einfach nicht passieren", sagte Luitz zerknirscht.

Die Deutschen badeten am Samstag nicht allein im Frust, es war ein schwacher Trost, aber Adelboden schafft eben nur wenige Gewinner und viele Verlierer. Das Schweizer Publikum feierte deshalb vor allem sich selbst, von den Schweizern hatte sich ja niemand unter den besten Zehn eingefunden, mal wieder. Die Lokalzeitung hatten den traditionsreichen Hang schon vor dem Wochenende vorsichtshalber umgetauft, von Chuerisbärgli zu Kummerisbärgli.

© SZ vom 08.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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