Schwimmen:Projekt Weltspitze

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Breite Brust: Lagenschwimmer Jacob Heidtmann meistert in Berlin seine erste Hürde vor Olympia. (Foto: Rainer Jensen/dpa)

Mit seinem Perspektiv-Team will der Deutsche Schwimm-Verband aus der Krise kommen. Schon der erste Tag der deutschen Meisterschaften in Berlin zeigt: Der Plan könnte aufgehen.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Als Jacob Heidtmann in Berlin ankam, war alles noch ein großes Rätselraten. Zu Wochenbeginn hatte sich der 21-Jährige einen Magen-Darm-Infekt eingehandelt, zum ungünstigsten Zeitpunkt dieses Frühjahrs: Wie schnell würde er bei den Deutschen Meisterschaften nun schwimmen können? Schnell genug, um die erste Teilnorm für Olympia zu erfüllen? "Ich wusste nicht, was ich erreichen kann", sagte Heidtmann. Aber schon im Vorlauf beendete Jacob Heidtmann das Rätselraten: Über die 400 Meter Lagen knackte er sogleich die Zeit, die der Deutsche Schwimmverband vorgegeben hatte. "Mir ist schon ein Riesenstein vom Herzen gefallen", sagte Heidtmann. Im Finallauf klappte es dann auch mit dem Titel und einer weiteren Steigerung, die geforderte Zeit von 4:16,37 Minuten unterbot er locker (4:13,25). Mit ihm atmete auch Bundestrainer Henning Lambertz auf, denn den Namen Heidtmann sollte man sich schon merken für die Zukunft: Er steht für die Generation der jungen Schwimmer, die den Sport in Deutschland wieder groß machen soll.

Noch prangt Brustschwimmer Marco Koch, 26, auf dem Veranstaltungsheft, noch steht Weltrekordler Paul Biedermann, 29, bei seinen letzten Meisterschaften am Wochenende im Fokus - doch in Berlin präsentiert sich derzeit auch eine neue Generation an Athleten, die sich Hoffnung auf das Danach macht. Und die Lambertz seit seinem Amtsantritt Anfang 2013 besonders im Blick hat. Der 45-Jährige hatte die Schwimmer am Tiefpunkt übernommen, zum ersten Mal seit 80 Jahren waren sie bei Olympischen Spielen ohne Beckenmedaille geblieben. Lambertz stürzte sich zügig auf sein Projekt, das er "Perspektivteam" nennt, bis 2020 will er das deutsche Schwimmen zurück in die Weltspitze heben, und wieder eines sein: die Nummer eins in Europa. Nachwuchsschwimmer, die Lambertz vielversprechend findet, lädt er in sein Team ein. Die Jugendlichen und Neu-Erwachsenen bekommen Lehrgänge, Trainingslager und die Chance, sich in Wettbewerben zu messen, auch umfassende Diagnostiktermine begleiten sie auf ihrem Weg in die anvisierte Weltspitze.

Jacob Heidtmann gehört zu den Ersten, die Lambertz berufen hatte. Mit Platz sechs bei der EM 2014 in Berlin und Rang fünf im vergangenen Herbst in Kasan/Russland und dem damit verbundenen deutschen Rekord pirschte sich der Hamburger an die Weltklasseleistungen über 400 Meter Lagen heran. In einer Disziplin, die noch zu den Problemfeldern gehörte, als Lambertz übernahm. Mittlerweile ist er ins Olympiateam aufgerückt und gehört damit zu den Athleten, die Lambertz in seine Prognose von 30 Startern für Rio mit einberechnet. In Berlin wollen sich nun noch weitere Talente aus seinem Perspektivteam beweisen: Etwa der Essener Damian Wierling, 20, der über 50 und 100 Meter Freistil in dieser Saison schon starke Leistungen zeigte, aber auch die 16-jährige Freistil-Schwimmerin Leonie Kullmann aus Berlin oder Rückenschwimmerin Maxine Wolters, 16, aus Hamburg. Doch Lambertz stößt auch an Grenzen, wie der Fall Johannes Hintze zeigt: Der 16- Jährige gilt als großes Talent, er war mit 14 so schnell wie Michael Phelps im gleichen Alter. Auch ihn lud Lambertz ein, doch Hintzes Heimtrainer Norbert Warnatzsch und Thomas Luckau trainieren ihn in Potsdam lieber nach ihren Vorstellungen. Warnatzsch, der schon Franziska van Almsick und Britta Steffen betreute, lehnt "das Perspektivteam nicht ab, auf keinen Fall", sagt er. Die Zusammenarbeit scheiterte an einem Höhentrainingslager, das der Bundestrainer für verfrüht hält. In Berlin schwamm nun auch Johannes Hintze: Im Finale schlug er als Zweiter hinter Heidtmann an, ebenfalls mit der geforderten Norm.

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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