Schwimmen:Hohn und Koch

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Der Schwimmer-Bundestrainer erntet für seine Kritik, dem Verband fehle es an Geld, umgehend Kritik von dessen Präsidentin. Die Athleten werden derzeit von vier Coaches betreut - und das Reisebudget ist wohl überzogen worden.

Von René Hofmann

Natürlich ließ die Replik nicht lange auf sich warten. In der Nacht zum Donnerstag hatte Henning Lambertz, der Chef-Bundestrainer des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), sich beklagt: "Zu wenig Manpower, zu wenig Geld." Nur ein paar Stunden später widersprach seine Chefin. Christa Thiel, die Präsidentin des DSV, sagte dem sid: "Es ist all das, was der Bundestrainer für die Vorbereitung gefordert hat, umgesetzt worden." Thiels Argumente: Einer Mannschaft, die sogar einen eigenen Koch ins Olympia-Vorbereitungslager nach Brasilien mitnimmt, kann es an nicht allzu viel fehlen. Der Verband habe sein Budget für die Rio- Reisenden auch überzogen; die Rede ist von etwa 80 000 Euro.

Thiel und Lambertz werden demnächst darüber sprechen, ob der Vertrag des Bundestrainers bis zu den Spielen in vier Jahren in Tokio verlängert wird. Bisher wollten beide das. Falls es nun tatsächlich so kommt, hat Lambertz angekündigt, vehement mehr Geld zu fordern. Das zu bekommen, wird nicht leicht. "Der Ruf nach mehr Geld führt derzeit ins Leere", mahnt die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag.

Auch Lambertz muss sich Kritik gefallen lassen. Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz sagte der Main-Post: "Wir waren die einzige Nation, die seit drei Wochen nachts trainierte. Danach gab es Abendessen, die Sportler kamen erst gegen 1.30 Uhr ins Bett. Ich verstehe das nicht. Wieso orientiert sich der DSV an den Finalzeiten in Rio? Unser Höhepunkt sind die Vorläufe, das muss den Verantwortlichen einmal klar werden."

Lurz betreut die Langstrecklerin Leonie Beck. In dieser Funktion ist er aber nicht in Rio - der DSV hat nur ein überschaubares Trainerteam mitgenommen. Die knapp 30 Pool-Schwimmer werden von vier Coaches betreut. Das, so Lambertz, seien zu wenige. Generell seien die Trainer, auch die in den Vereinen und an den Stützpunkten, heillos überfordert, weil ihnen zu viel aufgebürdet werde. Der ehemalige Weltmeister Mark Warnecke sieht das ähnlich: "Die USA haben einen riesigen Trainerstab, dagegen sind wir ein Stümperteam", warf er ein.

Wie oft in Krisenzeiten melden sich viele einstige Schwimm-Größen zu Wort. Franziska van Almsick, die selbst zehn Olympia-Medaillen sammelte, mahnte in der ARD, der DSV müsse nun "einen massiven Kurswechsel" vollziehen. Britta Steffen, die 2000 in Sydney einmal Bronze gewann und 2008 in Peking zweimal Gold, sagte dem sid: "Aus meiner Sicht geht es schon seit den Neunzigerjahren bergab. Ich kenne keine Olympischen Spiele, wo nicht geschimpft wurde, wie schlecht doch alles ist." Geschehen sei danach aber nie wirklich etwas. Steffen: "Ich sehe nicht, was sich zwischen 2000 und 2016 verändert haben soll."

Im Herbst wird das DSV-Präsidium neu gewählt. Seit 2000 steht diesem die Juristin Christa Thiel vor. Vermutet wird, dass die 62-Jährige nun aber keine neue Amtszeit mehr anstreben wird. "Juchuuu, endlich", jubelt Franziska van Almsick höhnisch.

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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