Schwimmen:Amerikanisches Modell

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Nach dem Rücktritt von Chef-bundestrainer Henning Lambertz planen die Deutschen, mit einem "Team Tokio 2020" zu Olympia zu fahren.

Von Sebastian Winter, München

Nach dem Rücktritt von Chef-bundestrainer Henning Lambertz und der Führungskrise im Verband planen die deutschen Schwimmer, mit einem "Team Tokio 2020" in die nächsten Olympischen Spiele zu gehen. Lambertz' Arbeit sollen künftig die Bundesstützpunkttrainer und die persönlichen Trainer der Top-Schwimmer unter sich aufteilen und auch einen neuen Chefcoach aus ihren Reihen bestimmen. Experten aus den Bereichen Gesundheitsmanagement, Trainings- und Ernährungswissenschaft sollen dem Team ebenfalls angehören, wie Thomas Kurschilgen, Direktor Leistungssport im Deutschen Schwimm-Verband (DSV), in einer Mitteilung vom Freitag ausführt. Weitere Experten sollen die Athleten ärztlich und physiotherapeutisch unterstützen. Das neue synergetische Konzept ist stark an das erfolgreiche US-amerikanische Modell angelehnt, in dem das Schwimm-Nationalteam wie eine Art Unternehmen mit straffem Management geführt wird.

Zugleich prognostizieren einstige Spitzenschwimmer wie Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen ihrem Sport eine düstere Zukunft: "Der DSV ist nun ein verlassenes Waisenkind. Ich hoffe, es gibt einen Neustart, der anders ist als das, was bisher als ,neu' galt", sagte Steffen der Deutschen Presse-Agentur.

Am Donnerstag war Lambertz nach sechs Jahren als Bundestrainer zurückgetreten. Der 48-Jährige hatte familiäre Gründe für seine Entscheidung angeführt, tags darauf im Deutschlandfunk aber auch die Installation des "Team Tokio" durch Kurschilgen kritisiert, das faktisch zu seiner Entmachtung geführt habe: "Der neue Sportdirektor hat andere Ideen und Strategien, als ich sie hatte, wie er mit dem Verband erfolgreich sein möchte. Diese Ansätze waren nicht mit mir kompatibel." Der Auslöser für seine Entscheidung sei dann der Rückzug von DSV-Präsidentin Gabi Dörries vor knapp zwei Wochen gewesen. Seine Mentorin und Fürsprecherin hatte beim Verbandstag ihr Amt niedergelegt, nachdem die Entscheidung über die Erhöhung des Mitgliederbeitrags vertagt worden war. Das deutsche Schwimmen steckt seit Jahren in einer Strukturkrise, erst recht nach den Rücktritten seiner Leuchttürme Paul Biedermann und Britta Steffen. Bei den Olympischen Spielen 2012 in London und 2016 in Rio gewannen die Beckenschwimmer keine Medaille, Lambertz wurde zuletzt immer häufiger kritisiert. Ihm warfen auch Spitzenathleten wie Biedermann vor, sich zu sehr in ihr Training mit den Heimcoaches einzumischen sowie keine stringenten Kriterien für die Qualifikation zu Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen aufzustellen. Auch Lambertz' öffentliche Kritik an jungen Athleten während der Olympischen Spiele 2016 und sein neues Kraftkonzept riefen Unverständnis hervor.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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